Politik

NSA-Chef reagiert kühl auf deutsche Kritik Skepsis über Prism-Aufklärung wächst

"Merkel muss endlich Klartext reden", fordert Grünen-Politiker Beck.

"Merkel muss endlich Klartext reden", fordert Grünen-Politiker Beck.

(Foto: REUTERS)

Eine große Mehrheit der Bundesbürger ist unzufrieden mit dem Verhalten der Regierung im Prism-Skandal. "Frau Merkel muss endlich Klartext reden", heißt es auch aus der Opposition. Derweil sickert durch, dass das Prism-Programm in Afghanistan doch mit dem der USA identisch ist - und nur von US-Personal bedient wird. Und der Chef des NSA gibt sich betont kühl.

Auch die Bundesbürger sind unzufrieden mit der Aufklärung der Abhöraffäre.

Auch die Bundesbürger sind unzufrieden mit der Aufklärung der Abhöraffäre.

(Foto: REUTERS)

SPD und Grüne fordern von der Bundesregierung Klarheit über die Ausspähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlangte von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel eine umfassende Aufklärung der NSA-Affäre. "Was weiß die Regierung? Läuft das Programm noch? Was tut Merkel, um deutsche Interessen zu wahren? Darauf müssen jetzt Antworten her", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung. Das Absaugen und Speichern vollständiger Datenströme sprenge alle Grenzen und müsse "gestoppt" werden. Es reiche nicht aus, sich in Washington nur lieb Kind machen zu wollen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte der "Berliner Zeitung": "Nach dem, was nun an widersprüchlichen Erklärungen scheibchenweise ans Licht kommt, werden die Ausflüchte der Regierung immer unglaubwürdiger". Der Auftritt von Merkel vor der Bundespressekonferenz biete eine gute Gelegenheit zur Richtigstellung. "Frau Merkel muss endlich Klartext reden", forderte Beck. FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle forderte eine genaue Untersuchung, ob der US-Geheimdienst NSA illegal in Deutschland Daten ausspioniert hat. "Der parlamentarische Kontrollausschuss muss prüfen, ob deutsche Gesetze verletzt worden sind", sagte er der "Rhein-Zeitung". Merkel hat bereits die US-Regierung zur Zusicherung aufgefordert, auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten. Bisher ist dazu keine Antwort von US-Präsident Barack Obama bekannt.

Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger sind nach dem jüngsten Deutschlandtrend unzufrieden mit den bisherigen Bemühungen der Bundesregierung, die Überwachung durch US-Geheimdienste aufzuklären. Nur 22 Prozent der Bürger äußerten sich zufrieden mit der Aufklärungsarbeit, ein Prozent sehr zufrieden, ergab der Deutschlandtrend im Auftrag der ARD. Infratest dimap befragte dazu am Dienstag und Mittwoch 1000 wahlberechtigte Bürger.

Kühl reagierte unterdessen NSA-Chef Keith Alexander auf das Erstaunen in der deutschen Öffentlichkeit über das Ausmaß der Ausspähung. "Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen oder wie wir es machen - aber jetzt wissen sie es", sagte Alexander auf einem Sicherheitsforum in Aspen im US-Bundesstaat Colorado. Der US-General beteuerte abermals, die Aufklärung durch die US-Dienste habe auch Ländern in Europa geholfen. Namentlich nannte er Deutschland, Frankreich und Dänemark.

"Explosive" Artikel angekündigt

Der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, ein Vertrauter des Informanten Edward Snowden, kündigte derweil weitere brisante Veröffentlichungen über die Abhöraktivitäten der USA an. "Ich bin sicher, dass in den nächsten Tagen weitere Artikel erscheinen werden, die wahrscheinlich noch explosiver sind als die, die schon veröffentlicht sind", sagte der "Guardian"-Journalist Greenwald in der ARD, in die er aus Rio de Janeiro zugeschaltet war.

Mit Plakaten protestieren Demonstranten Ende Juni in Hannover gegen das Spionageprogramm Prism.

Mit Plakaten protestieren Demonstranten Ende Juni in Hannover gegen das Spionageprogramm Prism.

(Foto: dpa)

Greenwald sagte: "Edward Snowden hat mir und einem 'Spiegel'-Journalisten komplette Sätze von Dokumenten gegeben, ungefähr 9000 bis 10000 streng geheime Dokumente. Ich habe sie seit rund sieben Wochen und noch nicht alle sichten können. Manche sind sehr, sehr kompliziert. Wir arbeiten dran." Greenwald berichtet von weiteren, bisher unbekannten Spähprogrammen der USA, von der auch amerikanische Bürger betroffen seien: "Es gibt noch viele Spionageprogramme, die die USA laufen lassen - gegen das amerikanische Volk. Davon weiß das Volk nichts."

Nach der bisherigen Auswertung der Geheimdokumente könne er sagen: "Es gibt eine extreme Zusammenarbeit zwischen der NSA und Privatunternehmen wie Facebook, Google, Skype. Dann gibt es Berichte, was die USA weltweit tun - in den Vereinigten Staaten, Asien und sonst wo. Das zerstört das Privatleben weltweit. Es gibt keine Kommunikation, ohne dass die Amerikaner es wissen." Nach Angaben des Verlags Metropolitan Books will Greenwald zudem in einem Buch Informationen zur Ausspähpraxis der USA veröffentlichen. Das Buch werde im März 2014 erscheinen und "neue Enthüllungen" darüber enthalten, inwieweit der Privatsektor in den Ausspähskandal involviert ist, erklärte das Verlagshaus.

Verteidigungsministerium stellt Angaben zu Prism klar

Das Verteidigungsministerium widersprach unterdessen einer Stellungnahme des Bundesnachrichtendienstes (BND), in der es um das US-Überwachungsprogramm Prism ging. Darüber hatte die "Bild"-Zeitung am Donnerstag berichtet. Der BND hatte demnach am Mittwoch erklärt, bei einem in Afghanistan eingesetzten Programm namens Prism handle es sich um ein völlig anderes Programm als bei dem Überwachungsprogramm Prism der NSA. Das in Afghanistan eingesetzte Prism sei ein Programm der Nato, so der BND.

Das Verteidigungsministerium widerspricht den Angaben des BND.

Das Verteidigungsministerium widerspricht den Angaben des BND.

(Foto: REUTERS)

I n einer Unterrichtung an den Verteidigungsausschuss, von dem wiederum die "Bild" berichtet, teilte das Verteidigungsministerium nun mit: "Prism wird ausschließlich von US-Personal bedient." Weiter heiße es laut "Bild" in der Unterrichtung, Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan hätten "keine Möglichkeit der Eingabe in Prism". Allerdings seien im Hauptquartier der Bundeswehr in Nordafghanistan Räumlichkeiten vorhanden, zu denen ausschließlich US-Personal Zugang habe. Es könne davon ausgegangen werden, "dass in diesen Räumlichkeiten ein Zugang zu Prism für US-Personal besteht."

Aus dem Schreiben gehe auch hervor, dass Angehörige der Bundeswehr möglicherweise auf Informationen aus dem dort beschriebenen Prism zugegriffen haben. "Es ist möglich, dass deutschen Soldatinnen und Soldaten auf Anfrage Informationen, die im Prism-System enthalten sind, durch die USA-Kräfte bereitgestellt werden", heiße es in dem Papier. "Die Herkunft der Informationen ist für den "Endverbraucher" jedoch grundsätzlich nicht erkennbar und auch nicht relevant für die Auftragserfüllung."

Eine klare Trennung zwischen zwei verschiedenen Prism-Programmen, so wie Regierungssprecher Steffen Seibert sie unter Berufung auf den BND gemacht hatte, gebe es in dem Papier des Verteidigungsministeriums nicht. Es heiße dort lediglich, man würde bei den Aktivitäten in Afghanistan "keine Nähe zu den Vorgängen im Rahmen der nationalen Diskussion um die Tätigkeit der NSA in Deutschland und/oder Europa" sehen.

Merkel fordert hohe Datenschutz-Standards

Vor dem Hintergrund der US-Abhöraffäre forderte Merkel einen strengen europäischen Datenschutz nach deutschem Standard. Notwendig seien internationale Vereinbarungen, "die sowohl dem Schutz der Privatsphäre eines jeden als auch dem Schutz vor vielfältigen Bedrohungen" dienten, sagte die Kanzlerin dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Berlin müsse in einer EU-Datenschutzrichtlinie durchsetzen, dass es "keine qualitativen Abstriche von unseren Standards gibt, sondern ein qualitativ hochwertiger gemeinsamer anspruchsvoller EU-Datenschutzstandard entsteht", sagte Merkel weiter. Deutschland werde sich bei den Verhandlungen entschieden dafür einsetzen, dass in Europa ansässige Internetfirmen Auskunft darüber geben müssen, an wen sie Daten weitergeben.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP will sich bei einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen in Vilnius für Standards für die Nachrichtendienste einsetzen. "Außerdem brauchen wir klare Vorgaben in der EU-Datenschutzgrundverordnung für die Übermittlung von Informationen an Drittstaaten", sagte die Ministerin der "Passauer Neuen Presse".

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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