Und, wie war Ihre Woche so? Söder für Laschet, Tschirner für Baerbock, heikel für Scholz
11.09.2021, 08:07 Uhr
In gut zwei Wochen wird gewählt - und ausgezählt.
(Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten)
Die Union hat vermutlich den Bodensatz erreicht, die SPD behält die Umfragen noch schärfer im Blick als normalerweise und die Grünen setzen auf eine letzte Patrone.
Razzia überrascht Scholz auf der Zielgeraden
Von Sebastian Huld
Politiker schauen, ob sie es nun eingestehen oder nicht, immer auf Umfragewerte. Aber die Sozialdemokraten um Olaf Scholz dürften in diesen Tagen aufgeregter denn je jeder neuen Stimmungsprognose entgegenfiebern. Schließlich wird mit jedem weiteren Tag, an dem die SPD vorne liegt und sich keine Trendumkehr abzeichnet, der lange Zeit unmöglich erscheinende Wahlsieg etwas greifbarer. Der Umgang der SPD-Spitze mit der Führungsposition ist klar erkennbar: Alle Angriffe im Stile Merkels abprallen lassen und bloß keine Fehler machen.
Wie dünn das Scholz'sche Eis ist, hat diese Woche gezeigt: Eine humorvoll gemeinte, aber unglückliche Formulierung zum Thema Corona-Impfung, die die Geimpften mit "Versuchskaninchen" verglich, dient der Union als Steilvorlage. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel griff auf das Zitat zurück, als sie am Dienstag im Bundestag dem SPD-Kanzlerkandidaten den nötigen Ernst absprach. Glück für die SPD: Dass ausgerechnet Scholz kein ernsthafter Mensch sein soll, wirkt ebenso bemüht wie die Warnung, er könne als trojanisches Pferd von Saskia Esken demnächst den Sozialismus einführen.
Lief die Woche bis dahin glimpflich, wurde es für Scholz am Donnerstag heikel: Sein Bundesfinanzministerium bekam Polizeibesuch. Die Finanzermittlungseinheit FIU soll sich der Strafvereitelung schuldig gemacht haben. Der Vorwurf der Opposition, das Bundesfinanzministerium habe seine Amtsaufsicht vernachlässigt, hat Gewicht. Ob er sich auswirkt auf die Stimmung? Die nicht nur im Willy-Brandt-Haus mit Argusaugen beobachteten Umfragen dürften es schon bald verraten.
100 Prozent ironiefreie Unterstützung
Von Christian Wilp
Die Frage, die nicht nur Armin Laschet beschäftigen dürfte, sondern ganz Deutschland, lautet: Schafft die Union, zwei Wochen vor der Wahl, noch die Wende? Auf 19 Prozent taxiert Forsa die Union, sechs Prozentpunkte hinter der SPD, ein historisches Allzeittief. Damit dürfte der Bodensatz erreicht sein, sagen Beobachter, was aus Unionssicht Anlass zur Hoffnung gibt, dass es jetzt nur noch aufwärts gehen kann.
Als Grundvoraussetzung für eine Trendwende wäre sicherlich Geschlossenheit wichtig. Bisher jedoch hat es die "Union" daran mangeln lassen. Laschet hat nicht nur mit dem politischen Gegner zu kämpfen, sondern auch Querschläger aus Bayern abzuwehren. "Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da", sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume am Donnerstag. Der Parteivorsitzende Markus Söder versucht einen Tag später, diese Aussage einzufangen. "Wir stehen zu 100 Prozent zu Armin Laschet", sagt er - völlig ironiefrei - zu Beginn des Parteitages in Nürnberg. Man fragt sich, was los wäre, wenn die CSU weniger als 100 Prozent zu Laschet stünde.
Laschet selbst hat nach allgemeiner Auffassung zum Unmut der Schwesterpartei beigetragen. Er stolpert durch den Wahlkampf und droht das sicher geglaubte Kanzleramt zu verlieren, könnte am Ende aber ausgerechnet davon profitieren, dass die Meinungsforscher schon jetzt den Super-GAU für die Union prophezeien. 19 Prozent? Möglicherweise ein Weckruf für all diejenigen, die sich von den Christdemokraten schon abgewendet hatten.
Am Sonntag steht das zweite Triell auf dem Programm. Vielleicht Laschets letzte Chance, zur Aufholjagd zu blasen. Sein Ziel dürfte es sein, kämpferisch, staatstragend und sympathisch zu wirken. Am besten alles gleichzeitig.
Hoffen auf den dicken Patzer
Von Philip Scupin
Glaubt sie selbst nicht mehr an ihre Chance? Als Annalena Baerbock am Montag in der ARD-"Wahlarena" über die Zukunft spricht, setzt sie an: "Ich werde als künftige Bundes-, äh, -regierung"… Der Wortteil "kanzlerin" kommt ihr nicht über die Lippen. Kein Wunder bei den Umfragewerten. Immer mehr verengt es sich zu einem Duell Scholz gegen Laschet. Baerbock ist gefühlt schon raus.
Dabei erlebt sie die persönlich stärkste Phase in diesem Wahlkampf. Am Mittwoch in Frankfurt am Main, am Donnerstag in München: Auf den Marktplätzen begeistert sie viele. Baerbock fühle sich in der Berliner Politblase eingeengt, sagt man bei den Grünen. Deshalb seien ihre Interviews im Sommer oft so zaghaft und uninspiriert gewesen. Draußen bei den Leuten dagegen lebt sie jetzt auf. Seit dieser Woche kommt auch noch VIP-Unterstützung dazu: Eckart von Hirschhausen ist mit auf der Bühne, Nora Tschirner, 30 Promis von Bela B bis Frank Schätzing setzen einen Wahlaufruf für sie ab. Allein, es dürfte zu spät sein.
Baerbocks letzte Patrone: Sie werde im Schlussspurt mehr Dampf gegen Spitzenreiter Scholz machen, heißt es aus der Partei. Das zweite TV-Triell am Sonntag will sie nutzen. Trotzdem gilt wohl: Nur ein dicker Patzer von Scholz dürfte Baerbock zurück ins Rennen bringen.
Das ist die 17. Folge der Wahlkampf-Kolumne "Und, wie war Ihre Woche so?" Folge 16 lesen Sie hier.
Quelle: ntv.de