Politik

Tage der Wahrheit für die Union Zwei letzte Chancen für Laschet

Die CSU setzt Laschet und sich selbst ein Ultimatum: Am Wochenende muss die Trendumkehr gelingen.

Die CSU setzt Laschet und sich selbst ein Ultimatum: Am Wochenende muss die Trendumkehr gelingen.

(Foto: imago images/IPON)

Die Umfragen sind mies, die Zeit drängt, der Druck aus den eigenen Reihen wächst: Die Union braucht im Wahlkampf den Befreiungsschlag. Die erste Möglichkeit bietet der CSU-Parteitag, der keinem Beteiligten Spaß machen dürfte. Es folgt die zweite TV-Debatte. Beide Termine werden die Union auf lange Zeit prägen.

"Wenn es noch eine Chance gibt, den Trend zu brechen, dann an diesem Wochenende." Mit diesen Worten läutet CSU-Chef Markus Söder seit Tagen die wohl wichtigste Zeit im Wahlkampf für die Union ein. "Armin Laschet muss die Möglichkeit nutzen, seine Persönlichkeitswerte deutlich zu verbessern", sekundiert CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt. Was beide damit sagen wollen: Der Parteitag der Christsozialen in Nürnberg sowie das Triell am Sonntagabend müssen den Umschwung bringen. Andernfalls wird die Farbe Schwarz nicht düster genug sein, um den Zustand von CDU und CSU für die kommenden Monate, wenn nicht Jahre, zu illustrieren.

In den Umfragen zur Bundestagswahl am 26. September pendelt die Union derzeit irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent. Auf jeden Fall hinter der SPD, die ihren Höhenflug mit Begeisterung zur Kenntnis nimmt und nur noch größere Fehler vermeiden muss, um vor der Union ins Ziel zu laufen. Wie sie in diese Lage gekommen ist, kann im Berliner Willy-Brandt-Haus wahrscheinlich wirklich niemand glaubhaft erklären.

Halbgares Wahlkämpfchen beendet Karrieren

Das Wochenende der Wahrheit für die Union beginnt derweil am heutigen Freitag. Beim CSU-Parteitag wird sich Söder am Nachmittag zur Wiederwahl stellen, er, der so gern selbst Kanzlerkandidat geworden wäre und lange keinen Zweifel daran ließ, sich für den besseren Kandidaten zu halten. Es braucht wohl wenig Fantasie, um vorherzusehen, dass ihn die Delegierten mit einem eindrucksvoll deutlichen Ergebnis im Amt bestätigen werden. Es wird zugleich ein Votum gegen CDU-Chef Armin Laschet sein. Dessen halbgares Wahlkämpfchen kostet inzwischen nicht nur die CDU massiv Stimmen - und damit Mandate. In Bayern kann sich auch die CSU dem Negativtrend auf Bundesebene nicht mehr entziehen. In der Folge endet bei beiden Schwesterparteien in zwei Wochen ungeplant so manche Bundestags-Laufbahn.

Söder wird auf dem Parteitag alle Kraft aufwenden müssen, um nochmals für die Union die Werbetrommel zu rühren. Was hätten es für Festspiele im heimischen Nürnberg mit ihm als Kanzlerkandidat werden können. Nun aber muss Söder, der viel lieber das Tempo vorgibt, den selbst geforderten Umschwung aus einer Position der Defensive tatkräftig mit anschieben. Obendrein ist er gezwungen, seinen Auftritt nicht zu einer Abrechnung mit dem verkorksten Wahlkampf Laschets zu nutzen – noch nicht. Und als reichte dies noch nicht, ist der Union in den vergangenen Wochen der politische Lieblingsgegner abhandengekommen. Inzwischen reicht es nicht mehr, die Grünen wahlweise zu attackieren oder zu umgarnen. Plötzlich liegt die totgeglaubte SPD komfortabel in der Wählergunst vorn.

Letzter Auftritt bei der CSU

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen tritt dann am Samstag vor die Delegierten. Es wird angesichts einer auch im Freistaat durch den Bundestrend unter die 30-Prozent-Marke gedrückten CSU einer seiner schwersten Auftritte. Und nach gegenwärtigem Stand der Dinge auch der letzte in dieser Funktion. Dabei kann Laschet fast nur verlieren: Ist die Rede fulminant, wird die Frage, warum nicht längst so, nicht ausbleiben. Ist der Auftritt fad, reicht es bei vielen wohl kaum noch zu mehr als einem Schulterzucken.

Schwer vorstellbar, dass er bei der anschließenden TV-Debatte der Spitzenkandidaten das Ruder entscheidend rumreißt. Zumal SPD-Konkurrent Olaf Scholz inzwischen merkeliger als die Kanzlerin agiert, obendrein die bisherige Unions-Strategie erfolgreich adaptiert und auch wirklich alles rückstandslos an sich abtropfen lässt.

Bleibt das geforderte Wunder für die Union aus, steht zwei Wochen später zu befürchten, dass sich die von Laschet so mühevoll erklommene Spitze der CDU als Fallturm erweist. Mit Platz zwei hinter der SPD und mit deutlichen Verlusten im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren wird sich der 60-Jährige kaum an der Spitze der Partei halten können. Unklar ist zudem, ob ihm der Einzug in den Bundestag gelingt. Zwar wolle er ein Mandat annehmen, doch trotz Platz eins auf der NRW-Landesliste könnte es nicht reichen.

Bliebe der Posten als Ministerpräsident. Doch ob er sich dann im nächsten Jahr noch einem Wahlkampf in NRW stellt, ist ebenso fraglich. Das Ende der politischen Laufbahn in der ersten Reihe wäre mehr als nur Theorie. Und auch im Konrad-Adenauer-Haus dürften sich die Reihen lichten. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass Generalsekretär Paul Ziemiak noch einem dritten Parteichef dient. Auch andere dürften die Parteizentrale verlassen. Dem Vernehmen nach werden ihre rückblickenden Erzählungen vom Wahlkampf mehr als nur vereinzelt unter der Überschrift "Warten auf Laschet" stehen.

Es ist nicht völlig abwegig, dass die CDU am Wahlabend, spätestens aber in den Tagen danach kopflos dasteht. Für etwaige Gespräche über Koalitionen, die immerhin rechnerisch möglich sind, eine ungünstige Ausgangslage. Obendrein kann eine vom Wähler gerupfte Union in solchen Runden kaum Forderungen stellen, sondern muss denen, die immer mit einem Gang zur SPD drohen können, äußerst flexibel gegenübertreten, wenn nicht sogar elastisch. Dass Söder mehrfach einen Sieg oder den Gang in die Opposition als Marschroute ausgegeben hat, erschwert die Sache zusätzlich. Unmittelbar vor dem Parteitag bekräftigt sein Generalsekretär Markus Blume die Linie und schließt eine Koalition unter Führung der SPD aus.

Wer setzt sich in der CDU durch?

Unabhängig davon, wer nach der Wahl mit wem über ein Regierungsbündnis spricht, dürfte der Richtungsstreit in der CDU erneut ausbrechen – und dieses Mal mit ungekannter Wucht. Zwei Versuche, den moderaten Kurs von Kanzlerin und Langzeit-Vorsitzender Angela Merkel fortzusetzen, wären nach dem Intermezzo von Annegret Kramp-Karrenbauer und der Niederlage Laschets gescheitert. Schwer vorstellbar, dass die CDU einen dritten Versuch startet. Ebenso schwer vorstellbar, dass die Partei ein drittes Mal die Kraft aufbringt, sich gegen die Ambitionen des konservativen Lagers um Friedrich Merz auf den Parteivorsitz zu stemmen. Vorausgesetzt, er wirft erneut seinen Hut in den Ring.

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Auf der Suche nach den Gründen für den Absturz wird es obendrein höchst interessant, ob die Partei der Versuchung, Merkel zur Schuldigen zu erklären, widerstehen kann. Denn nach 16 Jahren Kanzlerschaft, die sich unter Umständen angesichts der schwierigen Suche nach neuen Mehrheiten durchaus noch bis ins neue Jahr ziehen kann, lässt sich nicht mehr überdecken, dass die Partei inhaltlich und personell ausgelaugt ist. Das Grundsatzprogramm ist inzwischen eineinhalb Jahrzehnte alt. Die beiden Schwestern CDU und CSU konnten sich zwar auf ein Wahlprogramm einigen. Entgegen aller Beteuerungen legte die CSU dennoch ein eigenes Programm - früher gern mit dem knackigen Titel Bayern-Plan überschrieben - vor. Zum anstehenden Parteitag reicht sie noch einen Leitantrag, quasi als Wahlprogramm light, nach. Kommende Woche will Laschet dann noch ein Sofort-Programm präsentieren.

"Wir haben kein Abo aufs Kanzleramt." Dieser Satz war aus verschiedenen Ecken der Union in den vergangenen Monaten zu hören. Was als Warnung gedacht war, scheint inzwischen schmerzlich nah an der Realität. Die unzähligen Rufe, langsam die Abteilung Attacke in den Wahlkampf zu schicken - inzwischen geschenkt. Es klingt bereits wie eine Nachwahl-Analyse, wenn NRW-Innenminister Herbert Reul sagt: "Wir waren zu träge und haben gedacht: Wir gewinnen sowieso." Man habe "verlernt zu kämpfen und unser zentrales Anliegen klarzumachen", wird er weiter zitiert. "Nur den Kanzler stellen reicht nicht." Immerhin dieses Problem dürfte die Union bald los sein.

Quelle: ntv.de

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