Politik

UN-Hilfslieferung in Somalia Soldaten plündern und töten

Flüchtlinge in einem Camp in Mogadischu.

Flüchtlinge in einem Camp in Mogadischu.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei der Verteilung von Lebensmittel in Mogadischu überfallen Regierungstruppen die Menge, mehrere Menschen sterben. Derweil weitet sich die Hungersnot am Horn von Afrika aus. Allein in den vergangenen drei Monaten sterben nur in Somala fast 30.000 Kinder. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Koenigs, fordert deutlich mehr Hilfen von der Bundesregierung.

Gewalttaten machen die Versorgung der Hungernden in Somalia für die Helfer zum Risiko. Bei einem bewaffneten Überfall auf eine Hilfsgüterlieferung der Vereinten Nationen in der Hauptstadt Mogadischu sind mindestens zehn Menschen getötet worden, berichteten Augenzeugen. 15 Menschen seien verletzt worden. "Das Welternährungsprogramm hat von einem Zwischenfall bei der Hilfsverteilung für Binnenflüchtlinge in Mogadischu erfahren, bei dem es mehrere Opfer gegeben haben soll", sagte auch eine UN-Mitarbeiterin.

Regierungstruppen hätten die Lieferung geplündert, dabei sei eine Schießerei ausgebrochen. Die Soldaten hätten Schüsse abgefeuert und untereinander gekämpft, während sie Schubkarren und Minibusse mit dem Essen aus drei Lastwagen voller Hilfsgüter des Welternährungsprogramms beladen hätten, berichtete ein Augenzeuge. Auch Flüchtlinge seien getötet worden.

In Mogadischu komme es inzwischen häufig zu Plünderungen, sagte die somalische Entwicklungshelferin Sacdia Kassim zu Reuters. "Wir wussten, dass diese Lebensmittel-Lieferungen eines Tages geplündert würden. Sie waren zu verlockend für die Regierungsmilizen." Die Plünderung ereignete sich demnach in der Nähe eines Camps für Vertriebene. Der Zwischenfall zeige, mit welchen Problemen die Helfer in dem gefährlichen Umfeld Somalias zu kämpfen hätten, hieß es.

Eine Mutter und ihr Kind in einem Krankenhaus in Mogadischu.

Eine Mutter und ihr Kind in einem Krankenhaus in Mogadischu.

(Foto: AP)

Mehr als 100.000 Menschen größtenteils aus den von der islamischen Al-Schabaab-Miliz kontrollierten Regionen in Südsomalia sind in den vergangenen Wochen vor der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren in die Hauptstadt geflüchtet. In dem Bürgerkriegsland sind derzeit 3,7 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht.

Kritische Lage im Grenzgebiet

Viele fliehen weiterhin in die Nachbarländer. Besonders kritisch ist die Lage unter anderem in den Grenzgebieten zwischen Somalia und Kenia. Das Kinderhilfswerk Unicef arbeitet deshalb jetzt mit Partnern vor Ort zusammen, um im Grenzort Liboi Ernährungszentren zur Erstversorgung einzurichten. "Viele somalische Familien, die in Liboi die Grenze nach Kenia überqueren, wissen nicht, dass sie weitere 100 Kilometer laufen müssen, um die Flüchtlingscamps in Dadaab zu erreichen", sagte Olivia Yambi von Unicef.

Der Gesundheitszustand vieler Kinder sei dabei so prekär, dass sie Soforthilfe brauchten: "Sie können nicht warten, bis sie in Dadaab behandelt werden." Auch in Dadaab selbst hat Unicef seine Hilfen für hungernde somalische Kinder weiter aufgestockt. Fast die Hälfte aller Kinder sei beim Eintreffen in den Lagern unterernährt, teilte die Organisation mit. "Berichte von Kindern, die auf dem Weg oder kurz nach Erreichen der Camps sterben, sind beunruhigend häufig", hieß es.

Etwa 80 Prozent der 1300 Somalier, die täglich im Durchschnitt die Lager erreichten, seien Frauen und Kinder. Mittlerweile leben über 400.000 Menschen im größten Flüchtlingscamp der Welt. Zahlenmäßig seien die Lager damit die drittgrößte Stadt Kenias.

Koenigs kritisiert Bundesregierung

Etwa zwölf Millionen Menschen sind von der Dürre am Horn von Afrika betroffen.

Etwa zwölf Millionen Menschen sind von der Dürre am Horn von Afrika betroffen.

(Foto: REUTERS)

Allein in den vergangenen 90 Tagen sind nach Angaben von US-Regierungsbeauftragten 29.000 Kinder in Somalia verhungert. Kurz zuvor hatten die Vereinten Nationen in drei weiteren somalischen Regionen . Damit wurden mittlerweile fünf Regionen zu Hungerzonen erklärt.

Die Organisation SOS-Kinderdörfer weltweit rief die internationale Gemeinschaft auf, sich für einen dauerhaften Frieden in Somalia einzusetzen. "Es ist höchste Zeit, dass die Großmächte sich auch aufraffen, etwas zu tun, damit das sinnlose Töten in Somalia ein Ende nimmt", sagte Präsident Helmut Kutin.

Der Grünen-Politiker Tom Koenigs kritisierte die geringen Hilfszusagen der Bundesregierung für die . "Wir sollten unser Engagement nicht an Staaten messen, die weniger geben, sondern an denen, die mehr tun", erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Freitag in Berlin. Angesichts des Ausmaßes der Hungersnot seien die deutschen Hilfsleistungen noch immer niedrig. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte jüngst eine Summe von insgesamt 100 Millionen Euro genannt und Kritik an einem zu geringen Engagement der Bundesregierung zurückgewiesen.

Lager im Süden

Unterdessen bilden sich auch im schwer betroffenen Süden Somalias Lager für Binnenflüchtlinge. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen verteilte in Jilib bereits Plastikplanen, Moskitonetze und Seife an mehr als 3600 Menschen, die hier vorübergehend Zuflucht gefunden haben. "Ich hatte gehört, dass es in Jilib ein Lager für Vertriebene gibt, in dem Lebensmittel verteilt werden - und so haben wir uns auf den Weg dorthin gemacht", erzählt eine Mutter von sechs Kindern, die den Großteil des 230 Kilometer langen Weges zu Fuß zurückgelegt hat.

"Seit 20 Jahren geht der Bürgerkrieg hin und her - und kaum einer hat seit Abzug der USA und der multinationalen Truppen Mitte der 90er Jahren Interesse an Somalia gezeigt", sagte Kutin. Die Weltöffentlichkeit müsse auch an die islamische Welt appellieren, in dem geschundenen Land Einfluss zu nehmen. "Hier geht es um das nackte Überleben und nicht um religiöse Unterschiede."

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts

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