Zivildienst "komplett in Frage gestellt" Sozialverbände schlagen Alarm
18.03.2010, 10:05 UhrDie Wehrpflicht wird auf sechs Monate verkürzt - der Zivildienst wohl auch. Jetzt schlagen die Sozialverbände Alarm. Erste Einrichtungen wollen sich komplett aus dem Zivildienst zurückziehen. Zudem soll der Vorstoß von Verteidigungsminister Guttenberg nicht mit dem Familienministerium abgestimmt gewesen sein.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet mit dem Aus für viele Zivildienst-Plätze bei Sozialeinrichtungen, wenn nicht schnell ein Konzept für eine freiwillige Verlängerung gefunden wird. Hintergrund ist die kurzfristig geplante Reduzierung des Zivildienstes von neun auf sechs Monate bereits zum 1. August.
Nutzen und Sinn des Zivildienstes, der gleichermaßen gekürzt wird, würden "komplett in Frage gestellt", sagte Thomas Niermann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband dem "Hamburger Abendblatt". Einige Einrichtungen hätten bereits angekündigt, sich ganz aus dem Zivildienst zurückzuziehen. "Die Verkürzung des Zivildienstes von neun auf sechs Monate bedeutet zunächst einmal, dass nur ca. vier Monate Zeit bleibt, wo der Zivildienstleistende aktiv für die Menschen da ist, aktiv Beziehungsarbeit leisten kann, Vertrauen schenken kann, ihm auch Vertrauen geschenkt wird", so Niermann bei n-tv. "Das ist unseres Erachtens viel zu wenig Zeit, damit hier ein sinnvoller Dienst gestaltet werden kann. Insofern brauchen wir dringend die Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes."
Alleingang von Guttenberg

Ulrich Schneider, Präsident des Paritätischen Wohlfahrtverbandes.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Bundesregierung müsse deshalb "ganz schnell (...) Vorschläge unterbreiten, wie Zivildienstleistende nach den sechs Monaten freiwillig verlängern können", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Sollte das in der verbleibenden Zeit nicht zu schaffen sein, gehe ich davon aus, dass viele unserer Träger aus dem Zivildienst ausscheiden werden."
Das für die Zivildienstleistenden zuständige Bundesfamilienministerium von Kristina Schröder ist nach Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" verstimmt über Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. "Der Vorstoß des Ministers ist mit uns und den Koalitionsfraktionen nicht abgestimmt", zitierte die Zeitung eine anonyme Quelle in der Spitze des Familienressorts.
Bundesbeauftragter befürchtet Austrittswelle

Vergangenes Jahr blieben mit etwa 80.000 rund die Hälfte aller Stellen unbesetzt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Ich nehme es ausgesprochen ernst, dass die Einsatzstellen solche Probleme mit der Neuregelung haben. Wenn es keine Lösung gibt, kann es zu einer Ausstiegswelle kommen." In der Koalition sei man sich nicht einig über eine Anschlusslösung für den Zivildienst, bestätigte der dem Bundesfamilienministerium zugeordnete Bundesbeauftragte.
Kreuter nannte es seine Aufgabe zu verhindern, dass anerkannte Zivildienstleistende nicht zum Einsatz kommen. "Im Zweifel gibt es genug gemeinnützige Arbeiten zu erledigen - vom Krankenhausdienst über das Straßenkehren bis zum Schneeschippen. Aber wir wollen alle nicht, dass es zu so einem Zivildienst kommt."
Caritas bereitet Umstellung vor
Auch der Deutsche Caritas-Verband forderte das Verteidigungs- und das Familienministerium auf, bis zum April die gesetzlichen Grundlagen für die neuen Dienstzeiten zu schaffen. "Ich bin aber skeptisch, dass das gelingt", sagte Caritas-Sprecherin Barbara Fank-Landkammer. Die Caritas- Einrichtungen, die 10.600 Zivildienstleistende beschäftigen, stellen sich bereits auf die neuen Regelungen für die Bezahlung und die verkürzten Schulungen ein.
Guttenberg hatte angekündigt, dass die geplante Verkürzung der Wehrpflicht vom Januar 2011 auf diesen Oktober vorgezogen werden soll. Der daran gekoppelte Zivildienst soll bereits zum Sommer verkürzt werden. Die auf die sogenannten Zivis angewiesenen Wohlfahrtsverbände befürchten, dass die Betreuung von alten und kranken Menschen darunter leiden wird. Aber auch in der Bundeswehr ist die Verkürzung des Wehrdienstes höchst umstritten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP