Folter in Guantnamo Spätes Eingeständnis
14.01.2009, 11:11 UhrKurz vor dem Amtsende von US-Präsident George W. Bush gesteht die US-Regierung zunehmend offen die Anwendung von Foltermethoden bei mutmaßlichen Terroristen ein. Die für Anklagen gegen Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantnamo verantwortliche Susan Crawford räumte gegenüber der "Washington Post" ein, dass es in dem Lager auf Kuba lebensgefährliche Verhörpraktiken gegeben habe.
US-Vizepräsident Dick Cheney hatte am Sonntag in einem CNN-Interview zugegeben, dass in drei Fällen – so beim Top-Terroristen Chalid Scheich Mohammed – das berüchtigte "Waterboarding" angewandt worden sei. Bei dieser Methode wird ein Ertränken des Gefangenen simuliert. Cheney wie Bush verteidigen "harsche Verhörmethoden" als notwendig zum Schutz der USA.
Gegen Anklage entschieden
Crawford sagte, dass sie sich gegen eine Anklage des saudischen Häftlings Mohammed al-Kahtani entschieden habe, weil bei seinen Vernehmungen die Grenze zur Folter überschritten worden sei. Al-Kahtani, dem eine Beteiligung an der Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 zur Last gelegt wird, sei unter anderem mit langer Isolation und Schlafentzug in "eine lebensbedrohliche Lage" gebracht worden. Auch sei er längere Zeit nackt gezielt der Kälte ausgesetzt worden. Zudem sei er gezwungen worden, sich nackt vor eine weibliche Ermittlerin zu stellen oder Damenunterwäsche zu tragen. Al-Kahtani soll auch mit einem Militärhund attackiert worden sein.
"Die Techniken, die angewandt wurden, waren alle genehmigt, aber die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurden, waren übermäßig aggressiv und zu langanhaltend", sagte Crawford. Die Vorgänge seien in die Amtszeit von Verteidigungsminister Rumsfeld gefallen. "Ein Großteil davon passierte unter seiner Aufsicht." Es seien die gesundheitlichen Auswirkungen gewesen, die sie veranlasst hätten, in diesem Fall von Folter zu sprechen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der "Washington Post", die "angewendeten Spezialmethoden" seien seinerzeit "rechtmäßig" gewesen.
Crawford war vom derzeitigen Verteidigungsminister Robert Gates ernannt worden, der als einziger amtierender Minister auch der Regierung von Obama angehören wird. Die 61 Jahre alte Ex-Richterin hatte im Mai 2007 ohne Angabe von Gründen entschieden, dass Al- Kahtani nicht angeklagt wird. Nun erläuterte sie erstmals ihre Beweggründe dafür.
Hohe Rückfallgefahr
Das US-Verteidigungsministerium warnte dennoch vor einer voreiligen Schließung Guantnamos, da es eine hohe Rückfallgefahr inhaftierter Terrorverdächtiger gebe. Eine Schließung des Gefangenenlagers hatte der designierte US-Präsident Barack Obama angekündigt, der am kommenden Dienstag das Weiße Haus übernimmt.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums sind bisher 61 ehemalige Guantnamo-Gefangene nach ihrer Freilassung zum Terrorismus zurückgekehrt. Es gebe in 18 Fällen geheimdienstliche Beweise, dass die Ex-Gefangenen den "Terrorkampf" wieder aufgenommen hätten, in 43 anderen Fällen liege ein starker Verdacht vor, sagte Ministeriumssprecher Geoff Morrell. Laut Guantnamo-Statistiken des Pentagons für die Zeit zwischen Januar 2002 und Dezember 2008 liegt die geschätzte "Rückfallquote" bei elf Prozent. "Es gibt klar Menschen, die in Guantnamo festgehalten werden, die weiter vorhaben, Amerika Schaden zuzufügen - Amerikanern und unseren Verbündeten", sagte Morrell. "Für sie wird es eine Lösung geben müssen."
Grundsatzentscheidung am Tag der Amtsübernahme
Obama will Guantnamo auf Kuba schnellstmöglich schließen. Unter Berufung auf Quellen in Obamas Übergangsteam berichteten US-Medien, dass Obama bereits am Tag der Amtsübernahme am 20. Januar eine entsprechende Anordnung erlassen werde. Allerdings könnte es nach Experteneinschätzung unter anderem wegen komplizierter rechtlicher Fragen bis zu einem Jahr dauern, bis das Lager leer ist. Vor allem ist ungeklärt, wer nach einer Schließung des Lagers die Häftlinge aufnehmen könnte.
Die künftige US-Regierung sucht Staaten, die Guantnamo-Gefangene aufnehmen würden sowie US-Gefängnisse, die für eine Unterbringung mutmaßlicher Terroristen geeignet wären. Einem Bericht der "Washington Times" zufolge wehren sich mehrere US- Bundesstaaten dagegen, ehemalige Guantnamo-Gefangene aufzunehmen.
Quelle: ntv.de