Fünfstellige Beträge für Vorträge? Steinbrück-Debatte ohne Ende
06.10.2012, 20:44 Uhr
"Dämlich" nennt SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück die Kritik an seinen bezahlten Vorträgen. Neue Details kommen trotzdem ans Licht: So soll er fünfstellige Beträge für Vorträge erhalten haben. Steinbrück wehrt sich und stellt eine ganz eigene Theorie über Transparenz in Demokratien auf. Union und FDP kommen in der Debatte aber auch nicht gut weg.
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Kritik an seinen bezahlten Vorträgen vor Bankern als "absurd" und "dämlich" zurückgewiesen. Die Teilnehmer würden bestätigen können, "dass ich alles andere als ein Knecht des Kapitals gewesen bin", sagte der frühere Finanzminister im Deutschlandfunk. Er habe sich bei der Offenlegung seiner Nebentätigkeiten "lupenrein" verhalten.
Steinbrück bekräftigte zwar seine Forderung nach einer weiteren Verschärfung der Transparenz-Richtlinien für Parlamentarier, lehnte die Idee des "gläsernen Abgeordneten" aber ab. "Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt", sagte er. Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Petra Pau von der Linken kritisierte die Äußerung scharf. "Nebeneinkünfte von Abgeordneten sind nicht privat, sondern politisch", sagte sie. "Politische Transparenz wiederum ist die Basis der Demokratie."
Steinbrück hatte sich am Freitag nach tagelanger Kritik dafür entschieden nun doch Einzelheiten zu seinen bezahlten Vorträgen preiszugeben. Auftraggeber, Ort und Thema jedes einzelnen Vortrags will er ebenso veröffentlichen wie das Durchschnittshonorar vor und nach Steuern zwischen 2009 bis 2012.
Angeblich fünfstellige Beträge erhalten
Laut "Welt am Sonntag" hat der Ex-Bundesfinanzminister seit Herbst 2009 für mehrere Vorträge jeweils fünfstellige Beträge erhalten. In mindestens zwei Fällen habe das Nettohonorar bei 20.000 Euro oder geringfügig darüber gelegen, berichtet das Blatt. Für vier weitere Engagements habe Steinbrück zwischen 10.000 und 15.000 Euro erhalten. Die Kommunikationsagentur Brunswick habe dem Baukonzern Bilfinger zudem 20.000 Euro plus Mehrwertsteuer für ein Steinbrück-Interview für den Geschäftsbericht 2010 in Rechnung gestellt. Davon soll der SPD-Politiker dem Bericht zufolge den größeren Anteil erhalten haben.
Der Union reicht Steinbrücks angekündigtes Vorgehen nicht aus. "Wer als Bankenschreck auftritt, von dem will der Bürger wissen, was er von den so Kritisierten ganz konkret bekommen hat", sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer von der CDU der "Bild am Sonntag". Er sehe "keinen Grund, warum Vortragshonorare geheim bleiben müssen".
Steinbrück nannte seinen Umgang mit den Nebeneinkünften dagegen korrekt und warf den Medien eine Skandalisierung vor. "Es werden Dinge ausgegraben, die sich hinterher als absolut nichtig herausstellen", sagte er. "Es sind offenbar einige sehr nervös darüber geworden, dass ich Kanzlerkandidat der SPD bin."
Vorwürfe wegen Kontakten nach Liechtenstein
Auf einen "Focus"-Bericht, nach dem auch Finanzinstitute aus Liechtenstein oder der Schweiz Vorträge zumindest indirekt finanziert haben sollen, reagierte Steinbrück gelassen. "Das ist alles sehr konstruiert", sagte er. Er sei lediglich einer Einladung "von seriösen Leuten" gefolgt. Steinbrück bestätigte allerdings Redeauftritte in der Schweiz. "Es scheint mir jetzt alles der Versuch zu sein, in der vierten oder fünften Abteilung etwas zu finden, was irgendetwas Ehrenrühriges oder irgendetwas Merkwürdiges haben soll", sagte Steinbrück.
Laut "Focus" nahm Steinbrück etwa im November an einem "Zukunftskongress" des Strukturvertriebs AFA in Berlin teil. Die AFA sei eng mit dem Liechtensteiner Lebensversicherer Prisma Life verbunden. Dessen Chef Markus Brugger werbe für seine Produkte vor deutschen Kunden gerne mit dem liechtensteinischen Versicherungsgeheimnis, das dem schweizerischen Bankgeheimnis entspreche. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte Schweizer Banken unter anderem wegen Umgehungsgeschäften mit Lebensversicherungen aus Liechtenstein in die Nähe von organisierter Kriminalität gerückt.
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Christine Lambrecht appellierte an die Abgeordneten von Union und FDP, so rasch wie möglich ihre Nebeneinkünfte publik zu machen. "Sie müssen sich jetzt an Peer Steinbrück messen lassen", sagte sie. Ähnlich äußerte sich SPD-Chef Gabriel im "Darmstädter Echo". "Ich habe die Heuchelei von CDU/CSU und FDP satt", sagte er. "Steinbrücks freiwillige Offenlegung ist jetzt der Maßstab."
Kritik an Verhalten von Union und FDP
"Schwarz-Gelb ist eine verlogene Bande", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, der "Welt am Sonntag". Union und FDP hätten sich in der Vergangenheit "gegen jede Form von Transparenz bei den Nebenjobs von Abgeordneten gesträubt". Ihre Angriffe auf Steinbrück seien daher "absurd". Der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels sagte: "Es ist hochgradig absurd, wenn behauptet wird, der Banken-Kritiker Steinbrück lasse sich von Banken beeinflussen."
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte in Erfurt, auch die Regierungskoalition komme an mehr Transparenz nicht mehr vorbei. Er plädierte dafür, bei der Veröffentlichung von Nebeneinnahmen weitere Stufen einzuführen. Derzeit gibt es nur drei. "Die Einkünfte müssen stärker gestaffelt werden", sagte Trittin.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner von der CSU zeigte sich in der "Welt am Sonntag" überzeugt, dass Steinbrücks Kandidatur die Wahlchancen der Union erhöhe. "Ihm fehlt der Rückhalt der eigenen Partei, und er wirkt auf Menschen sehr unnahbar", sagte Aigner. In der Debatte um Steinbrücks Nebeneinkünfte werde es keinen Schlussstrich geben, "solange er nicht volle Transparenz hergestellt und alles auf den Tisch gelegt hat".
Die Linke griff Steinbrück derweil scharf an. Steinbrück stehe weiter für die Sozialreformen der Agenda 2010, sagte der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger bei einem Parteitag des hessischen Landesverbandes in Frankfurt. "Wie kann jemand stolz darauf sein, Millionen Menschen in die Armut geschickt zu haben?" Steinbrück sei ein "offenes Angebot" an alle, denen es um soziale Gerechtigkeit gehe, die Linke zu wählen. Steinbrück hätte zu seiner Zeit als Finanzminister die Großbanken zur Kasse bitten sollen, nicht erst hinterher als Vortragsredner, sagte die Linken-Fraktionschefin im hessischen Landtag, Janine Wissler.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP