2011 ausgeglichener Etat Steinbrück will einen ausgeben
11.09.2007, 08:03 UhrBundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) will mit den erwarteten Milliarden-Mehreinnahmen nicht nur Schulden abbauen, sondern das zusätzliche Geld auch für zusätzliche Ausgaben nutzen. Forderungen nach einem schnelleren Abbau der Neuverschuldung sowie nach raschen Steuersenkungen, die auch aus der Koalition kamen, wies der Finanzminister zum Auftakt der Haushaltsdebatte im Bundestag zurück. Die Opposition warf dem Finanzminister wenig ambitionierte Ziele vor. Bei mehr Ausgabendisziplin könnte noch weit vor dem Jahr 2011 ein ausgeglichener Bundesetat erreicht werden.
"Jeder Finanzminister ist gut beraten, den Mund nicht zu voll zu nehmen", warnte Steinbrück. Er verteidigte sein Ziel, spätestens 2011 einen ausgeglichenen Bundesetat zu erreichen. Finanzpolitik müsse von realistischen Annahmen ausgehen, sagte er auch unter Hinweis auf die Gesamtschulden von 1.500 Milliarden Euro. Gelinge schon im Jahr 2010 ein Etat ohne neue Schulden - zuletzt gab es dies 1969 -, werde er "einen ausgeben", kündigte Steinbrück an.
Kritik von der Opposition
Nach Auffassung der FDP hätte der Bund schon 2008 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Ihm mangele es aber an Ausgabendisziplin, kritisierte FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin. Rainer Brüderle, Vize-Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, schlug in dieselbe Bresche. "Man hat nicht auf der Ausgabenseite den Haushalt in Ordnung gebracht, sondern die Ausgaben gesteigert. Man könnte die Neuverschuldung viel schneller zurückführen, könnte den Haushalt viel besser und schneller in Ordnung bringen. Aber dazu fehlt Mut und Kraft", so Brüderle bei n-tv. "Die Schulden bleiben auf hohem Niveau. Das ist ein Haushalt der verpassten Chancen".
Anja Hajduk von den Grünen warnte, dass die positive konjunkturelle Entwicklung möglicherweise nicht bis 2011 anhalte. Sie rede da aus Erfahrung mit der rot-grünen Regierung. Hajduk empfahl, schon für 2009 einen ausgeglichenen Etat anzupeilen. "Haushaltspolitik ist eigentlich ganz einfach: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Es sei "absolut wichtig, die Neuverschuldung weiter zu senken", sagte Hajduk bei n-tv. "Wir haben wirklich sehr gute Jahre, und in guten Zeiten muss man vorsorgen für die schlechten."
Schon 2008 leichter Überschuss
Steinbrück betonte, Deutschland habe die Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte Anfang 2007 konjunkturell gut verkraftet. Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge konnten deutlich gesenkt werden. Allein im laufenden Jahr seien die Unternehmen und Beschäftigten so um 17 Milliarden Euro entlastet worden.
Nach Auffassung von Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) sollte der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker als geplant auf 3,5 Prozent abgebaut werden. Die Koalition plant einen Rückgang auf 3,9 Prozent. Schon zu Beginn des Jahres war der Satz von 6,5 auf 4,2 Prozent reduziert worden.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Europa dieses Jahr etwas hinter den Erwartungen zurückbleibt. Für Deutschland prognostiziert Brüssel ein Plus von 2,4 Prozent, 0,1 Punkte weniger als im Mai vorhergesagt.
Auf gesamtstaatlicher Ebene soll dank der guten Entwicklung zahlreicher Länderhaushalte sowie in den Kommunen und in den Sozialkassen ein ausgeglichener Etat früherer erreicht werden. Deutschland kann laut Steinbrück bereits im kommenden Jahr mit einem leichten Überschuss im Staatshaushalt abschließen.
283.000.000.000
Steinbrücks Etatentwurf sieht für 2008 bei Gesamtausgaben von 283,2 Milliarden Euro eine Neuverschuldung von 12,9 Milliarden Euro vor. Aus Sicht der Haushaltspolitiker der Koalition ist die geplante Kreditaufnahme zu hoch. Steffen Kampeter (CDU) und Carsten Schneider (SPD) bekräftigten das Ziel, die Nettokreditaufnahme stärker zu senken als bisher veranschlagt. Der größte Ausgabenposten sind mit 78 Milliarden die Zahlungen an die Rentenkassen. Mehr als 43 Milliarden verschlingen Zinskosten für Kredite. 35 Milliarden fließen in die Grundsicherung für Arbeitslose.
Nach der viertägigen Haushaltswoche bis Freitag gehen die Etatpläne Steinbrücks in die Ausschüsse. Endgültig verabschiedet werden soll der Haushalt für 2008 Ende November.
Strengerer Sparkurs gefordert
Nicht nur Oppositionspolitiker, sondern auch Bundesrechnungshof und Sachverständigenrat warnten eindringlich vor zusätzlichen Ausgaben. Sie forderten von der Regierung einen strengeren Sparkurs. "Mehr als ein kleiner Hoffnungsschimmer ist noch nicht zu sehen. Wir haben keine Luft, jetzt schon wieder die Steuern zu senken", sagte Rechnungshofpräsident Dieter Engels. Zwar lobte er die Bundesregierung dafür, dass sie mit der Mehrwertsteuererhöhung und dem Abbau von Steuervergünstigungen Entlastungen beschlossen habe, "die dauerhaft wirken". Gleichwohl könne der Bund auch 2008 seinen Haushalt nur "verfassungsgemäß gestalten, indem er erhebliche Vermögenswerte veräußert". Zudem trage der Bund selbst im Aufschwung nichts von seinem Schuldenberg ab.
Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, Bert Rürup, warnte: "Man sollte die aktuellen konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen nicht für neue langfristige Ausgabenprogramme verwenden."
Quelle: ntv.de