"Lage steht auf Messers Schneide" Steinmeier fordert Flugverbot über Syrien
22.09.2016, 06:54 Uhr
Ein Bild des russischen Verteidigungsministeriums zeigt den Hilfskonvoi und ein Auto, das offenbar einen Granatwerfer zieht.
(Foto: dpa)
Der Waffenstillstand hält nicht, ein Hilfskonvoi wird beschossen, die USA und Russland beschuldigen sich gegenseitig: Die Situation in Syrien ist desolat. Nun versucht Außenminister Steinmeier zu retten, was noch zu retten ist.
Die Suche nach einer Lösung für den Syrien-Konflikt geht auf höchster diplomatischer Ebene weiter. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat jetzt die Einrichtung einer vorübergehenden Flugverbotszone vorgeschlagen. Die sogenannte internationale Syrien-Unterstützergruppe, die ursprünglich am Freitag in New York zusammenkommen wollte, hat ihr Treffen jetzt um einen Tag vorgezogen.
Steinmeier sprach sich für die Flugverbotszone aus, um den praktisch gescheiterten Waffenstillstand doch noch zu retten. "Die Lage steht heute auf Messers Schneide", sagte er. "Wenn der Waffenstillstand überhaupt noch eine Chance haben soll, führt der Weg nur über ein zeitlich begrenztes, aber vollständiges Verbot aller militärischen Flugbewegungen über Syrien - mindestens für drei, besser für sieben Tage."
Steinmeier begründete seinen Vorschlag damit, dass mit einem solchen Flugverbot die Vereinten Nationen die Möglichkeit hätten, ihre Hilfslieferungen für die notleidenden Menschen in Syrien wieder aufzunehmen. "Gleichzeitig schafft es Raum für präzise Verabredungen in der Syrien-Unterstützergruppe zum koordinierten Vorgehen gegen IS und Al-Kaida und für einen Rückweg in Verhandlungen über eine Übergangsregierung für Syrien."
Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow erteilte Flugverbotszonen allerdings eine Absage. "Diese Initiative ist zumindest im Moment nicht umsetzbar", sagte Rjabkow. Zunächst müssten die USA und ihre Partner Druck ausüben "auf jene Kräfte, die denken, dass nur Krieg das Problem lösen kann". Russland wolle am Syrienabkommen mit den USA festhalten, betonte Rjabkow. "Wir sehen die Vereinbarung als alternativlos. Natürlich sind aber die Chancen auf die Umsetzung des Abkommens gesunken."
Schlagabtausch zwischen Lawrow und Kerry
Die Aussichten auf eine Beruhigung des Konflikts hatten sich nach dem verheerenden Angriff auf einen Hilfskonvoi mit mehr als 20 Toten wieder massiv verschlechtert. Die USA und Russland lieferten sich am Rande der UN-Vollversammlung am Mittwoch einen Schlagabtausch, nachdem das Weiße Haus Moskau für den Angriff verantwortlich gemacht hatte.
US-Außenminister John Kerry drängte seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow sichtlich verärgert dazu, die Verantwortung für den Angriff auf den Hilfskonvoi zu übernehmen. "Ich möchte wirklich eine Anerkennung der Verantwortung", sagte Kerry. Der Angriff sei eine "inakzeptable Provokation" gewesen, sagte dagegen Lawrow. Russland bestehe auf einer "eingehenden und unabhängigen Untersuchung". "Ich denke, dass wir von emotionalen Reaktionen und sofortigen öffentlichen Kommentaren absehen sollten und anstelle dessen zuerst untersuchen und sehr professionell sein sollten", sagte Lawrow.
Das russische Militär hat zum Zeitpunkt des Angriffs auf den UN-Konvoi nach eigenen Angaben ein unbemanntes Flugzeug der US-geführten Koalition in der Nähe geortet. Das Pentagon dementierte die Darstellung des russischen Militärs umgehend. "Weder ein bemanntes noch ein unbemanntes Flugzeug der USA oder der Koalition war in der Nähe von Aleppo", sagte ein Sprecher des Pentagons.
Trotz dieser Auseinandersetzung soll es in New York am Nachmittag Ortszeit ein neues Treffen der sogenannten Syrien-Unterstützergruppe geben. Darin sind sowohl die USA als auch Russland vertreten. Auch Deutschland ist dabei. Die Vereinten Nationen bereiten indes weitere Transporte zur Versorgung notleidender Menschen vor, teilte das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) mit. "Die Vorbereitungen für diese Transporte sind jetzt wieder aufgenommen worden und wir stehen bereit, die Hilfe für belagerte und schwer erreichbare Gebiete so bald als möglich zu liefern", erklärte OCHA-Sprecher Jens Laerke.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu kündigte am Mittwoch die Entsendung des russischen Flugzeugträgers "Admiral Kusnezow" ins östliche Mittelmeer an. "Derzeit besteht der dortige Verband aus mindestens sechs Kampfschiffen und bis zu vier Versorgungsschiffen", teilte er mit. Anatoli Sitnow vom Verteidigungsministerium sagte, die "Admiral Kusnezow" sei "faktisch eine zweite Luftwaffenbasis".
Quelle: ntv.de, lsc/dpa