Nur eine "Diskussionsgrundlage" Steuerplan bringt keine Ruhe
08.06.2010, 20:19 Uhr
Der Plan ist da - doch wie setzen wir ihn um? Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble in der Unionsfraktion.
(Foto: APN)
Die schwarz-gelben Sparpläne sind nicht nur außerhalb der Koalition umstritten. Auch CDU-Politiker kritisieren eine soziale Schieflage und schließen Steuererhöhungen ausdrücklich nicht aus. Zugleich sorgen "Wildsäue" und eine "Gurkentruppe" weiter für Unruhe in der Koalition.
Auch nach ihrer Einigung auf historisch einmalige Pläne zur Sanierung der Staatsfinanzen kommt die schwarz-gelbe Koalition nicht in ruhigeres Fahrwasser. Nur einen Tag nach Vorstellung des Sparkonzeptes begann ein Ringen um Einzelposten. Nebenbei setzen der Streit zwischen CSU und FDP über die Gesundheitspolitik sowie massive Kritik von Opposition und Verbänden die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Druck.
Führende Koalitionsmitglieder teilten unterdessen mit, dass über die Pläne der gut 80 Milliarden Euro umfassenden Einsparungen hinaus nach weiteren Ausgabenkürzungen gesucht werde. Das könnte unter anderem die Atomwirtschaft treffen. Die CDU zeigte sich angesichts des Spardrucks ferner bereit, nun doch über die Aussetzung der Wehrpflicht zu sprechen. Damit bricht sie mit einem bisherigen Tabu.
"Spardruck muss erhalten bleiben"

Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vize Guido Westerwelle bei der Vorstellung des Sparpakets.
(Foto: AP)
FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte: "Wir machen jetzt erst den Einstieg in die Konsolidierung, und wir werden über weitere strukturelle Maßnahmen reden (...). Der Spardruck muss erhalten blieben." CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) deutete Bedarf für noch weiter gehende Sparmaßnahmen an und schloss dabei auch Steuererhöhungen nicht aus.
"Wenn selbst der Wirtschaftsrat der CDU für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer plädiert, dann hätte man das ruhig machen können", sagte der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Offenbar aus Rücksicht auf die FDP hatte die Koalition darauf verzichtet, Besserverdiener und Reiche stärker zu belasten. Einzelne CDU-Politiker kritisierten die soziale Schieflage der Sparpläne. "Ein Beitrag der Besserverdienenden wäre durchaus angebracht gewesen", sagte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte, der Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache, sei im bisherigen Konzept nicht zufriedenstellend umgesetzt.
Die CSU-Landesgruppe will Änderungen am Sparpaket prüfen. Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich betonte, der Beschluss sei "eine gute Diskussionsgrundlage" für die Haushaltsberatung im Parlament.
Seehofer mal mit FDP einig
Allerdings lehnte CSU-Chef Horst Seehofer sowohl eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes als auch Änderungen am Katalog der Produkte ab, auf die nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz fällig wird. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle betonte: "Die Eckpunkte stehen."
Seehofer forderte nach dem "Wildsau"-Vorwurf von Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr (FDP) gegen die CSU eine Klarstellung von Merkel und Westerwelle: "Ich möchte mit den beiden Parteivorsitzenden reden." Erneut wies Seehofer den Vorschlag von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler für eine monatliche zusätzliche Belastung von 30 Euro pro Kassenmitglied zurück.
Käßmann ruft zu Widerstand auf
Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, kritisierte die Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Gegen die geplante Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger sei kirchlicher Widerstand nötig, sagte Käßmann nach Angaben der EKD. Hartz-IV-Empfänger hätten nicht weniger Würde als andere Menschen. Die Kirche dürfe sich politisch engagieren und habe eine Wächterrolle.
Ähnlich äußerte sich der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. "Es ist kein Auskommen mit Hartz IV. Jeder, der Kinder hat, weiß das", sagte Schneider bei n-tv. Die Sparpläne der Koalition seien "unanständig".
Stahl-, Flug- und Atomwirtschaft machen mobil
Unterdessen machen die Wirtschaftszweige mobil, die von den Sparplänen betroffen sind. "Die Entlastungen bei der Ökosteuer müssen für die energieintensiven Industrien erhalten werden, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter zu gewährleisten", sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff. Dies sei bei der Einführung der Ökosteuer 1999 der Sinn der ermäßigten Steuersätze für das produzierende Gewerbe gewesen.
Die Lobby der Fluggesellschaften protestiert gegen die geplante Öko-Abgabe auf Flugtickets. Der Weltluftfahrtverband IATA kritisiert die Pläne als "kurzsichtige und unverantwortliche Politik übelster Art". Zustimmung kam hingegen vom viertgrößten deutschen Reiseveranstalter Alltours.
Für die Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall stieg Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in den Ring. Eine Brennelementesteuer soll die Energieversorger mit 2,3 Milliarden Euro belasten. Das Ziel der Koalition, die Hälfte der zusätzlichen Erträge der Atomkonzerne für den Ausbau der Öko-Energie abzuschöpfen, werde mit Sicherheit nicht erreicht, sagte Mappus. "Das finde ich schade und nicht gut." Derweil wurde bekannt, dass die Bundesregierung die Betreiber von Atomkraftwerken auch ohne längere Laufzeiten für die Reaktoren zur Kasse bitten will.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP/rts