Ein Herz für Frankreich Stoiber trifft Chirac
16.07.2002, 00:15 UhrUnions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) sieht bei Frankreich Verständnis für die Forderung Deutschlands nach einer Entlastung bei den EU-Agrarkosten. Das sagte Stoiber nach einem Treffen mit Präsident Jacques Chirac im Pariser Elysee-Palast. Deutschland könne seinen bisherigen Beitrag angesichts der Kosten für die Wiedervereinigung nicht mehr in der gleichen Höhe leisten.
Zwischen Deutschland und Frankreich ist ein Streit um die künftige EU-Agrarpolitik entbrannt. Die neue französische Regierung lehnt einen Vorschlag ab, die milliardenschweren Agrarbeihilfen, die die Hälfte des europäischen Haushalts ausmachen, von der Agrar-Produktion zu trennen. Die Bundesregierung dringt dagegen auf Strukturreformen und eine Entlastung, um die Finanzierung der EU-Osterweiterung sicher zu stellen.
Der bayerische Ministerpräsident schloss sich dagegen der Haltung Frankreichs an, dass vor 2006 keine EU-Agrarreform möglich sei. Stoiber forderte weiter, Deutschland und Frankreich müssten sich künftig bei allen schwierigen Themen besser abstimmen. Differenzen dürften nicht mehr auf dem offenen Markt ausgetragen werden, wie das unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) immer wieder geschehe.
Stoibers Treffen mit Chirac war der Höhepunkt seines zweitägigen Frankreichbesuchs, um sich bei der Regierung in Paris als Kanzlerkandidat vorzustellen. Anschließend war ein Treffen mit Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin und mit dem französischen Notenbankchef Jean-Claude Trichet geplant, der als künftiger EZB-Präsident im Gespräch ist.
Am Montag sprach der bayerische Ministerpräsident bereits mit Außenminister Dominique de Villepin sowie dem Präsidenten des EU-Konvents und französischen Ex-Präsidenten Valry Giscard d'Estaing.
Stoiber: Die Geigen müssen gestimmt werden
Der deutsch-französische Motor sei ins Stottern geraten. "Das beste Auto kann nur gut fahren, wenn es regelmäßig gewartet wird", kritisierte Stoiber am Montag. Schröder habe die europäischen Partner durch Maximalforderungen schockiert.
Die deutsch-französische Debatte über die künftige Struktur Europas sei von entscheidender Bedeutung. Wenn die beiden Länder ihre "Geigen nicht stimmten", sei diese schwierige Frage nicht zu lösen. Schröder, Außenminister Joschka Fischer und der frühere französische Premier Lionel Jospin aber hätten wertvolle Zeit verschenkt. Zudem habe der Bundeskanzler die EU-Partner mit öffentlich vorgetragenen Maximalforderungen vor den Kopf gestoßen.
Als Teil seiner Wahlkampagne will Stoiber mit seinem Besuch in Paris wie bereits zuvor in Moskau internationale Kompetenz zeigen. Er wird von CDU-Führungsmitglied Wolfgang Schäuble begleitet.
Quelle: ntv.de