Wagner-Söldner rebellieren Strack-Zimmermann: Aufstand "birgt große Chance für Ukraine"
24.06.2023, 17:02 Uhr Artikel anhören
Deutsche Politiker sind sich einig: Der Aufstand der Söldnergruppe Wagner könnte für die Ukraine eine positive Wende bringen. Putin wiederum habe sich "am zu großen gierigen Bissen verschluckt", sagt Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP sieht in der aktuellen Entwicklung in Russland einen Vorteil für die Ukraine. "Die Lage ist komplett unübersichtlich", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag RTL und ntv. "Dass sich aber die Wagner Gruppe von der ukrainischen Grenze zurückzieht und Russland diese wiederum im eigenen Land bombardiert, birgt eine große Chance für die Ukraine."
Die Tatsache, dass Wladimir Putin sich mit den Präsidenten von Belarus, Usbekistan und Kasachstan sofort kurzgeschlossen hat, zeige die große Nervosität im Kreml, fügte die Abgeordnete an. "Wie immer auch dieser innerrussische Kampf ausgeht, Putin hat sich bisher nicht nur an der Ukraine die Zähne ausgebissen, er hat sich am zu großen gierigen Bissen verschluckt."
"Nach mehreren Monaten eskaliert offensichtlich der Konflikt zwischen der Wagner Gruppe und der russischen Führung", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai RTL und ntv. "Die Folgen für Russland und der Einfluss der Ereignisse auf den Krieg in der Ukraine können wir zurzeit noch nicht einschätzen." Es handele sich aber um eine gefährliche innenpolitische Situation bei der Atommacht Russland, die wir aufmerksam beobachten werden, sagt er Djir-Sarai.
Seit Freitagabend spitzt sich der Streit zwischen dem Chef der Söldnerarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, und dem Kreml dramatisch zu. Prigoschin rief zum Aufstand gegen die russische Militärführung auf und setzte seine Truppen Richtung Moskau in Bewegung, nachdem die Söldner das Militärhauptquartier in Rostow am Don unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Russland Machthaber Wladimir Putin verurteilte dies als Meuterei. Die Generalstaatsanwaltschaft startete ein Verfahren gegen Prigoschin.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth von der SPD, sprach auf Twitter von einer "Demütigung Putins" vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Er könne nicht sagen, "ob das russische Verbrecherregime ernsthaft wankt". Aber in einer "knallharten Diktatur" komme es "einem Super-GAU gleich, wenn jemand die Macht des absoluten Herrschers infrage stellt". Der Putschversuch Prigoschins habe unabhängig von seinem Ausgang massive Konsequenzen für andere Konflikte und Regionen, schrieb Roth weiter. Er nannte in Afrika den Sudan, Mali und Libyen sowie in Osteuropa Belarus, Armenien und Aserbaidschan. "Überall sind Wagner-Truppen im Auftrag des russischen Regimes involviert."
Pistorius: "Wir sind Beobachter"
Aus Sicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD lassen sich mögliche Konsequenzen des bewaffneten Wagner-Aufstands für den Ukraine-Krieg derzeit kaum absehen. "Das lässt sich schwer abschätzen, zumal wir nicht wissen, wie instabil Russland werden wird und wer am Ende die Oberhand behält und wer sich mit wem zusammentut", sagte er am Rande eines Parteitags der niedersächsischen SPD in Aurich.
Es sei zu früh für eine Bewertung, sagte Pistorius. "Wenn man das jetzt täte, würde man den offenen Blick eintrüben für das, was tatsächlich passiert." Auf eine Frage nach den Möglichkeiten Deutschlands antwortete der Minister: "In dieser Situation gibt es für uns keine Handlungsoptionen. Es ist ein innenpolitischer Konflikt in Russland. Ob der sich zu einem Machtkampf entwickelt, das können wir noch nicht sagen. Wir sind Beobachter. Wir beobachten genauso wie alle anderen Verbündeten sehr aufmerksam und behalten unser Augenmerk ansonsten auf die Unterstützung der Ukraine."
"In jedem Fall schwächt es Russland im Kampf gegen die Ukraine", sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt im Deutschlandfunk über die Wagner-Rebellion. "Diese Söldner-Truppen sind ja jetzt nicht mehr im Einsatz gegen die ukrainischen Streitkräfte, sondern sie sind sozusagen aus ukrainischer Sicht neutralisiert." Komme es in Russland zum offenen Konflikt zwischen russischer Armee und Wagner-Söldnern, würden auch reguläre russische Kräfte durch den Aufstand gebunden, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Sie könnten dann in der Ukraine nicht zum Einsatz kommen. Hardt betonte gleichzeitig, die Ereignisse seien schwer vorhersehbar. "Ich halte in den nächsten Wochen und Monaten in Russland alles für möglich - leider eben auch blutige innere Kämpfe."
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter von den Grünen. Wenn es "zu kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb Russlands" komme, werde Russlands Präsident Wladimir Putin "seinen Fokus aufs Inland legen müssen, um seine Macht zu erhalten", sagte er der Funke Mediengruppe. "Das kann es den Ukrainern erleichtern, besetzte Gebiete zurückzuerobern und die Kontrolle über ihr Staatsgebiet zurückzuerlangen." Vieles hänge nun davon ab, wie sich die russische Nationalgarde gegenüber den Wagner-Einheiten verhalte, sagte Hofreiter. "Gleichzeitig muss sich zeigen, ob die Wagner-Truppen weiterhin zu Prigoschin stehen und den Marsch auf Moskau fortsetzen."
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP