Rund 1000 Festnahmen Straßenschlachten in Moskau
15.12.2010, 19:43 Uhr
Die Rechten instrumentalisieren die Fan-Krawalle für ihren Feldzug gegen Zuwanderer.
(Foto: REUTERS)
Ungewöhnlich dramatische Straßenszenen in Moskau und anderen russischen Städten: Nach dem Tod eines Fußballfans nehmen die Spannungen zwischen ultranationalistischen Russen und Zuwandern aus dem Kaukasus oder Zentralasien zu.
Hundertschaften der russischen Polizei haben in Moskau bei Zusammenstößen zwischen Ultranationalisten und Kaukasiern rund 1000 Menschen festgenommen. Am Kiewer Bahnhof in der russischen Hauptstadt sperrten die Sicherheitskräfte auch den Zugang zu einem der größten Einkaufszentren sowie zur Metro. Verängstigte Passanten ergriffen schreiend die Flucht. Es kam zu teils dramatischen Szenen, als die Polizei versuchte, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Die Stimmung in Moskau ist seit Tagen extrem aufgeheizt, nachdem mutmaßliche Täter aus dem Kaukasus einen russischen Fußballfan erschossen hatten.
Aufgebrachte Jugendliche zogen durch die Straßen und feuerten Nebelkerzen und Feuerwerkskörper ab. "Russland für die Russen", "Moskau für die Russen", "Haut ab in den Kaukasus", skandierten Hunderte junge Männer und Frauen. Auch an anderen Orten in Moskau sowie in St. Petersburg und Samara kam es zu Protestmärschen sowie massenhaften Festnahmen. Dabei seien etliche Waffen beschlagnahmt worden, hieß es.
Allein am Kiewer Bahnhof waren etwa 3000 Sicherheitskräfte im Einsatz, darunter die auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierte Sonderpolizei OMON. Mit Helmen und Schlagstöcken ausgerüstete Polizisten versuchten, mit Lautsprecher-Durchsagen die Menge zu beruhigen.
Trotz des gewaltigen Polizeiaufgebots gerieten die verfeindeten Gruppen immer wieder aneinander. Am Ufer des Moskwa-Flusses schlugen zahlreiche junge Männer mit Eisenstangen und Baseball-Schlägern aufeinander ein. Es gab mehrere Verletzte. Auch auf dem Bahnhofsvorplatz kam es immer wieder zu Schlägereien.
Offener Fremdenhass in Russland
Offene Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen wie in den vergangenen Tagen sind ein Novum in Russland, wo sonst scharfe Demonstrationsverbote gelten. Kremlchef Dmitri Medwedew forderte ein hartes Durchgreifen gegen die Demonstranten. Tausende Nationalisten hatten am Wochenende in Kremlnähe randaliert und Jagd auf Zuwanderer gemacht.
"Die Lage in Moskau ist unter Kontrolle", sagte Polizeisprecher Viktor Birjukow nach Angaben der Agentur Interfax. Die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen haben nach dem Zerfall der Sowjetunion zugenommen. Die Menschen aus dem Kaukasus stehen bei vielen Russen, die stolz sind auf ihr "slawisches Aussehen", im Ruf, mit kriminellen Machenschaften in Moskau und anderen Städten ihren Einfluss auszubauen.
Bei extremen Nationalisten äußert sich das vielfach in offenem Fremdenhass gegen die vom Typ her dunkleren Südländer. Betroffen von fremdenfeindlichen Übergriffen sind aber auch Menschen aus Zentralasien. Jedes Jahr werden in Russland Dutzende Gastarbeiter ermordet. Nach offiziellen Angaben sind in den rund 150 Gruppierungen etwa 10.000 Rechtsextreme organisiert. Vor allem auch unter den Fußballfans sind viele Ultranationalisten. Russland hat für 2018 den Zuschlag zur Ausrichtung einer Fußballweltmeisterschaft.
Quelle: ntv.de, dpa