Online-Durchsuchungen Streit geht weiter
27.07.2007, 06:51 UhrIm Koalitionsstreit über heimliche Online-Durchsuchungen von Computern ist keine schnelle Lösung in Sicht. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies Meldungen zurück, denen zufolge er einlenken will: "Es wird kein BKA-Gesetz ohne Online-Durchsuchung geben." Das für eine Ausweitung der Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) geplante Gesetz befinde sich in der Ressortabstimmung, "und zwar mit dem Instrument der Online-Durchsuchung". Vize-Regierungssprecher Thomas Steg ergänzte: "Die Bundeskanzlerin kann sich kein BKA-Gesetz ohne Online-Durchsuchungen vorstellen."
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte der "Berliner Zeitung" zuvor gesagt: "Der Innenminister scheint inzwischen von seiner Forderung abzurücken, dass der Gesetzentwurf zu den neuen Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts die heimlichen Online-Durchsuchungen enthalten muss." Es scheine sich abzuzeichnen, dass Schäuble das BKA-Gesetz ohne diesen Punkt den Ländern zur Abstimmung vorlegen werde. Im Justizministerium bezieht man sich auf einen Brief Schäubles an die Spitzen der Koalitionsfraktionen.
Mehr Kompetenzen fürs BKA
Das BKA soll nach der Föderalismusreform mehr Kompetenzen bei der Terrorbekämpfung erhalten, was eine Gesetzesänderung erfordert. Schäuble will damit zugleich die heimlichen Online-Durchsuchungen via Internet auf eine gesetzliche Grundlage stellen, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) im Februar die bisherige Praxis nur auf Basis einer Dienstanweisung verboten hatte.
Problem beim Verfassungsgericht
In der SPD gibt es Vorbehalte, ob dieses Ermittlungsinstrument überhaupt benötigt wird. Zypries betonte, Online-Durchsuchungen stellten einen extremen Eingriff in die Privatsphäre dar. Dazu wird sich demnächst das Bundesverfassungsgericht äußern. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte: "Wir tun gut daran, diese Entscheidung abzuwarten." Für den stellvertretenden innenpolitischen Sprecher Michael Hartmann sind Online-Durchsuchungen unabdingbar. Er forderte in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" aber hohe Hürden. Der SPD-Medienexperte Jörg Tauss hält weder die technischen und rechtlichen Fragen der Online-Durchsuchung für geklärt noch deren Notwendigkeit für hinreichend belegt. Nach Vorstellung von SPD-Politikern kann das strittige Thema abgekoppelt und in Ruhe beraten werden.
Urteil frühestens 2008
Karlsruhe wird am 10. Oktober verhandeln. Dabei geht es um das geänderte nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das Online-Durchsuchungen von Festplatten zulässt. Die Beschwerdeführer - unter ihnen der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhart Rudolf Baum - sehen den Datenschutz und die Unverletzlichkeit der Wohnung in Frage gestellt. Ein Urteil wird frühestens Ende des Jahres erwartet.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, warf Zypries eine "gezielte politische Falschmeldung" vor. Zypries und die SPD handelten unverantwortlich, wenn sie weiterhin die erforderlichen Rechtsgrundlagen für Online-Durchsuchungen bei Terroristen blockierten.
Opposition dagegen
Die Opposition lehnt Schäubles Vorhaben generell ab. Der Innenexperte der FDP-Fraktion, Max Stadler, sagte, wenn Zypries eine spätere Einigung nicht ausschließe, spiele sie lediglich auf Zeit. Die FDP fürchtet einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte. Die Linksfraktion sprach von einem "Koalitionshickhack beim Grundrechtsabbau". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bewertete den Koalitionsstreit als ein "Verwirrspiel um die innere Sicherheit".
Der Innenausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) warf Schäuble vor, eine Arbeitsgruppe von Justiz- und Innenministerium zu ungeklärten Fragen der Online-Durchsuchung vor sechs Wochen aufgekündigt zu haben. Erst auf Drängen der SPD habe sie ihre Arbeit wieder aufgenommen, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".
Quelle: ntv.de