Deutsch-französischer Dissens Streit über EU-Politik
08.07.2002, 14:39 UhrFrankreich und Deutschland sind über die Europa-Politik verstimmt. Beide Seiten wollen ihre Differenzen aber ausräumen und die sogenannte deutsch-französische Achse wiederbeleben.
"Es gibt einige unterschiedliche Blickwinkel, und es ist wahr, dass gerade jetzt die Franzosen und die Deutschen unterschiedliche Visionen über die Zukunft Europas haben", sagte Frankreichs Europaministerin Noelle Lenoir am Montag in Paris. Solche öffentliche Äußerungen über die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland sind selten. Diplomaten sehen als Folge des gegenwärtigen Streits ein Führungsvakuum im Herzen der Union, das die Fähigkeit der EU zur Problemlösung stark einschränkt.
Im vergangenen Monat stritten beide Regierungen über die Pläne Frankreichs, den vereinbarten Abbau seines Haushaltsdefizits hinauszuschieben, weil die heute regierenden konservativen Parteien im Wahlkampf Steuerkürzungen versprochen hatten. Andererseits hatte Frankreich kritisiert, dass sich die Bundesregierung dagegen sperrt, die künftigen Ausgaben der EU vor den Bundestagswahlen im September festzuschreiben. Lenoir nannte als Streitpunkt die Frage der EU-Führung. Während ihre Regierung einen von allen EU-Staats- und Regierungschefs gewählten Präsidenten des EU-Rates favorisiert, sei Deutschland für einen vom Europäischen Parlament gewählten Präsidenten der EU-Kommission.
Einen weiteren Dissens gibt es bei den Agrarausgaben. Deutschland, der größte Nettozahler der EU, verlangt Zugeständnisse von Ländern wie Frankreich, die die meisten Agrarsubventionen erhalten. Außerdem fordert die Bundesregierung, dass diese Zuschüsse künftig von den Mitgliedsstaaten direkt mitfinanziert werden, statt dass sie insgesamt aus dem EU-Haushalt verteilt werden.
Die einst sehr engen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich kühlten sich mit dem Amtsantritt des französischen Präsidenten Jacques Chirac 1995 ab. In der EU startete Deutschland in den folgenden Jahren mehrfach Initiativen zusammen mit Großbritannien und anderen Ländern, ohne Frankreich einzubeziehen.
Quelle: ntv.de