Politik

"Vorbestraft" oder "unbestraft"? Streit um Althaus-Urteil

Nach seiner Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gilt Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) auch in Deutschland als "vorbestraft". Das folgt aus einer Auskunft des Bundesjustizministeriums. Danach werden in Österreich verhängte Geldstrafen auch ins deutsche Bundeszentralregister eingetragen, wenn der Verurteilte deutscher Staatsangehöriger ist. Jeder Registereintrag kann bei einem neuerlichen Strafverfahren als Vorstrafe berücksichtigt werden und ist im "behördlichen" Führungszeugnis enthalten, das beispielsweise Gerichte routinemäßig einholen.

Ob sich Althaus nach deutschem Recht aber auch als "unbestraft" bezeichnen kann, darüber gehen die Meinungen offenbar auseinander. Nicht alle Verurteilungen, die im Bundeszentralregister stehen, werden auch in das sogenannte private Führungszeugnis übernommen, das zur Vorlage bei einem privaten Arbeitgeber genügt. Die gegen den thüringischen Ministerpräsidenten verhängten 180 Tagessätze liegen wegen einer Besonderheit im österreichischen Strafrecht knapp unter der Grenze. Dort werden laut Bundesjustizministerium Geldstrafen im Verhältnis Zwei zu Eins auf eine Freiheitsstrafe umgerechnet - womit 180 Tagessätze genau 90 Tagen bzw. drei Monaten Freiheitsstrafe entsprechen. Dies ist in Deutschland die Grenze für einen Eintrag ins "private" Führungszeugnis. Althaus könnte sich theoretisch sogar als "unbestraft" bezeichnen - was wegen der breiten Berichterstattung über den Fall aber praktisch wenig Sinn machen würde.

"Österreichische Regel spielt keine Rolle"

Nach Auffassung des Direktors des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht an der Universität Köln, Thomas Weigend, muss Althaus jedoch mit einem Eintrag in das private Führungszeugnis rechnen. Tritt das Urteil in Kraft, wird dementsprechend auch bei dem Ministerpräsidenten ein Eintrag in das Führungszeugnis vorgenommen. Nach drei Jahren würde er wieder gelöscht. Die höhere Grenze von über 180 Tagen für das österreichische Leumundszeugnis spielt nach Einschätzung Weigends bei der Bewertung in Deutschland aber keine Rolle.

Rein rechtlich gesehen gilt jeder rechtskräftig Verurteilte als "vorbestraft". Umgangssprachlich bezieht sich das Wort aber auf die sogenannte Offenbarungspflicht. Laut Gesetz muss man Strafen, die nicht im Führungszeugnis eingetragen sind, anderen gegenüber nicht offenbaren. Das bedeutet, dass sich Betroffene öffentlich oder auch bei einem Bewerbungsgespräch "als unbestraft bezeichnen" können. Dies gälte für Althaus laut Weigend nicht mehr.

Urteil noch nicht rechtswirksam

Das Eilverfahren gegen Althaus ist in Österreich auf scharfe Kritik, teilweise aber auch auf Zustimmung gestoßen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Zwar hatte Althaus' Verteidiger Walter Kreissl das Urteil - 33.000 Euro Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung plus 5000 Euro Schmerzensgeld für die Angehörigen der getöteten Frau - angenommen. Der Staatsanwalt erbat sich jedoch Bedenkzeit. Er hat nach der Urteilsverkündung bis zu drei Tage Zeit, um Einspruch einzulegen. Spätestens am Freitagabend wird deshalb klar sein, ob das Urteil Rechtswirkung erlangt.

Streit unter österreichischen Juristen

Der Rechtsanwalt und Sprecher der österreichischen Strafverteidiger Richard Soyer sagte im Österreichischen Fernsehen ORF, der 40-minütige Prozess im entlegenen steirischen Ort Irdning erwecke "den Eindruck einer gewissen Geheimjustiz, alles ging blitzschnell". "Das Gericht war in diesem Fall offensichtlich zu weitgehenden Konzessionen bereit, die insgesamt dem Ansehen der Justiz schaden". Die Vorgangsweise der Justiz sei "nicht geglückt", sagte Soyer. "Es schaut nicht nur wie eine Extrawurst aus, es ist eine."

Anders sieht es der Präsident der Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter, Werner Zinkl. Er verteidigte das Schnellverfahren, das für fast alle österreichischen und internationalen Journalisten eine direkte Berichterstattung unmöglich machte. "Bei diesem Verfahren sind alle Formalien eingehalten worden", sagte Zinkl. Auch die Medien seien durch drei Journalisten vertreten gewesen. Zinkl betonte, "der Fall Althaus ist ganz sicher in Österreich kein Einzelfall". Schnellverfahren seien in Österreich keine Seltenheit. Auch in seinem Gerichtsbereich im Grenzgebiet zu Slowenien komme es vor, "dass vor allem Ausländer um eine schnelle Verhandlung bitten, damit sie in ihre Heimat zurückkehren können".

Auch nach Einschätzung des Salzburger Rechtsprofessors Otto Lagodny entspricht das Schnellverfahren den Vorgaben der österreichischen Strafprozessordnung. "Wenn jemand meint, das wäre eine Sonderjustiz für Althaus, dann ist das Stammtischgewätz", sagte der Jurist. Nach Paragraf 451 - einer vor allem für Touristen vorgesehenen Vorschrift - könne ein Angeklagter mit seiner Zustimmung umgehend verurteilt werden, wenn die Beweislage klar sei oder ein Geständnis vorliege. Nach einer weiteren Vorschrift dürfe er sich zudem - falls das Gericht nicht sein persönliches Erscheinen anordne - durch seinen Verteidiger vertreten lassen. "Diese Vorgehensweise ist legal und korrekt", sagte Lagodny.

Medien ausgetrickst

Kritiker wenden ein, dass die Bekanntgabe des Verhandlungstermins im abgelegenen Irdning so gewählt war, dass die Berichterstattung praktisch unmöglich gemacht wurde. So befindet sich der Ort rund 250 Kilometer von Wien entfernt und immer noch 130 Kilometer von der steirischen Hauptstadt Graz. Journalisten wurde um 15.30 Uhr mitgeteilt, dass die Verhandlung um 16.30 Uhr beginne. Am Ende schafften es gerade einmal drei Journalisten, darunter ein Fotograf, in den Gerichtssaal.

Wenig Medien-kooperativ hatte sich die Justiz schon in den Tagen zuvor gezeigt. Anstatt die Details - wie ursprünglich von der Staatsanwaltschaft Leoben versprochen - mit einer Pressekonferenz über das weitere juristische Vorgehen im Fall Althaus zu informieren, erhielten Journalisten eine vom Justizministerium in Wien "geglättete" Erklärung der Staatsanwaltschaft, die - wie sich einen Tag später herausstellte - in dieser Form gar nicht verbreitet werden sollte. Aus Justizkreisen in Leoben hieß es, eine Pressekonferenz habe man abgesagt, um eventuelle Fragen nach Details des Althaus-Gutachtens zu umgehen.

CDU hält an Althaus fest

Ungeachtet des Schuldspruchs hält die CDU an der Spitzenkandidatur von Althaus für die Landtagswahl fest. Es verdiene großen Respekt, dass Althaus die Ergebnisse der Sachverständigengutachten zum Unfallhergang akzeptiert und auf dieser Grundlage Verantwortung für sein Handeln übernommen habe, sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Die Thüringer Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski sagte, es sei "mehr als recht und billig", an Althaus festzuhalten. Beim Parteitag sei er letztlich mit 100 Prozent gewählt worden.

Quelle: ntv.de

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