Regierungskrise in Italien Suche nach Auswegen
22.02.2007, 06:59 UhrNach dem überraschenden Rücktritt von Ministerpräsident Romano Prodi sucht der italienische Staatschef Giorgio Napolitano einen Ausweg aus der Regierungskrise. Der 81-Jährige kam in Rom mit Spitzenvertretern der im Parlament vertretenen Parteien zusammen. Sollte der Exkommunist genügend Unterstützung für den am Mittwoch zurückgetretenen Prodi finden, könnte Napolitano den Mitte-links-Politiker erneut mit der Regierung beauftragen. Bis Freitag soll eine Lösung gefunden werden.
Der Präsident veranschlagte für seine Krisengespräche den gesamten Donnerstag und Freitag. Angesichts der Komplexität der Krise werde Napolitano nicht nur mit den Fraktionschefs der im Parlament vertretenen Parteien sprechen, sondern sich auch mit früheren Staatschefs beraten, erklärte das Präsidialamt. Zum Abschluss bat Napolitano für den Freitagabend seinen Vorgänger Carlo Azeglio Ciampi zu sich.
Prodis Mitte-links-Bündnis hatte im April vergangenen Jahres zwar dank des Wahlrechts eine klare Mehrheit im Abgeordnetenhaus errungen und damit die seit fünf Jahren regierende Rechte unter Silvio Berlusconi an der Macht abgelöst. Die Koalition galt aber wegen ihrer zahlreichen Partner und der großen politischen Bandbreite von ganz links bis weit in die Mitte hinein von Anfang an als brüchig. Nach nur neun Monaten scheiterte die Regierung am Mittwoch schließlich im Senat. In einer außenpolitischen Abstimmung verweigerten zwei Koalitionsmitglieder dem Regierungschef die Gefolgschaft.
Viele Italiener reagierten mit gemischten Gefühlen auf Prodis Rücktritt: "Die Regierung ist einfach nicht einig genug", sagte der 50-jährige Verkäufer Giacobbe Rubin. "Sie könnten weitermachen, aber in drei Monaten bricht alles wieder zusammen."
Die rechte Opposition triumphierte über das zweite Scheitern Prodis innerhalb von zehn Jahren. "Kameraden, geht alle nach Hause!" titelte die konservative Tageszeitung "Il Giornale", die vom Bruder des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi geleitet wird. Prodi war bereits 1997 nach nur zwei Jahren an der Regierung über radikal linke Partner gestolpert. Vier Jahre später kehrte Berlusconi an die Macht zurück, die ihm Prodi wiederum im vergangenen Jahr in einem harten Kopf-an-Kopf-Rennen erneut abjagte.
Sollte Prodi erneut mit der Regierungsbildung beauftragt werden, muss er sich mit seinem neuen Kabinett zunächst einer Vertrauensabstimmung stellen. In einem solchen Fall gilt es als wahrscheinlich, dass Vize-Ministerpräsident und Außenminister Massimo D'Alema von der DS seinen Posten verliert: Der Senat sollte am Mittwoch ursprünglich lediglich die Unterstützung für die Außenpolitik der Regierung dokumentieren. D'Alema machte das Votum über die Truppenentsendung nach Afghanistan aber zu einer Schicksalsfrage und ließ Prodi damit für den Fall einer Niederlage wenig Spielraum.
Der Präsident kann auch einen anderen Vertreter des Regierungsbündnisses bitten, ein neues Kabinett zu bilden. Für eine solche Lösung gilt Innenminister Giuliano Amato als Favorit. Wenn es im Regierungslager keine Einigung auf einen Ministerpräsidenten gibt, ist Napolitano gezwungen, das Parlament aufzulösen und Wahlen anzusetzen.
Quelle: ntv.de