Politik

Einsatz von Chemiewaffen Syrien will UN-Untersuchung verlängern

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Die Chemiewaffenexperten der UN sollen noch vier Tage in Syrien bleiben.

(Foto: dpa)

Ein Angriff von Amerikanern, Briten und Franzosen gegen Assads Syrien scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch solange die UN-Mitarbeiter noch nach Spuren eines Chemiewaffeneinsatzes suchen, gibt es keinen Angriff. Nun bittet Assad um weitere Untersuchungen.

Syrien hat die UN-Inspekteure um die Untersuchung von drei weiteren Orten gebeten, an denen Chemiewaffen eingesetzt worden sein sollen. Die Regierung in Damaskus habe einen entsprechenden Brief an die Vereinten Nationen geschickt, sagte der syrische UN-Botschafter Baschar al-Dschafa in New York. Bei den Vorfällen handele es sich um Angriffe von "bewaffneten Terrorgruppen" auf die syrische Armee, die zwischen dem 22. und 25. August stattgefunden hätten. Ein UN-Sprecher sagte, der Brief der syrischen Regierung sei noch nicht eingetroffen. "Grundsätzlich ist es aber immer möglich, dass das Team auch weitere Vorfälle untersuchen kann, auch auf Bitten hin, die sie erreichen."

Noch vier Tage sollen die Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen weiter nach Spuren von Giftgas suchen, wie UN-Generalsekretär Ban mitgeteilt hat. Sein Sprecher präzisierte anschließend, dass vier Tage seit dem Auftakt der zwischenzeitlich unterbrochenen Inspektionen gemeint seien, was Freitag bedeuten würde.

Die britische Regierung bestätigte am Abend, dass sie militärisch in Syrien eingreift, bevor die Prüfungsergebnisse der UN-Chemiewaffeninspektoren vorliegen. Dies geht aus einer Beschlussvorlage des Kabinetts für das britische Unterhaus vor, über die am Donnerstag abgestimmt werden soll. Ob die Ergebnisse der Inspektoren überhaupt noch eine Rolle für die Entscheidung über einen Militärschlag spielt, wird immer fraglicher. In den USA und Großbritannien scheint bereits Klarheit über die Schuld Assads zu bestehen.

Bericht: Abgehörte Telefonate liefern Beweis

Das Magazin "Foreign Policy" glaubt bereits zu wissen, warum die Amerikaner sich ihrer Sache so sicher sind. Der US-Geheimdienst habe Gespräche zwischen dem syrischen Verteidigungsministerium und dem Chef der Chemiewaffen-Einheit des Bürgerkriegslandes abgehört, berichtete das Außenpolitikmagazin in einem Blog.

Darin heißt es, in den "panischen" Gesprächen habe das Ministerium von der Einheit Erklärungen für den Giftgasangriff mit Hunderten Toten am 21. August verlangt, der nun zu militärischen Aktionen der USA und ihrer Alliierten gegen Syrien führen könnte.

"Foreign Policy" behauptet, dass die Anrufe von den Amerikanern als Beweis dafür genutzt würden, dass das Regime von Machthaber Baschar al-Assad für den Chemiewaffenangriff verantwortlich war. Diese Anrufe hätten ihnen auch gezeigt, dass nicht klar sei, wer in Syrien die Befehlsgewalt habe. "Es ist nicht klar, wer die Kontrolle hat", zitiert das Magazin einen namentlich nicht genannten Geheimdienstmitarbeiter. Die Frage sei, ob es tatsächlich eine generelle Erlaubnis der Regierung für Chemiewaffenangriffe gebe.

Briten legen Syrien-Resolution vor

Großbritannien möchte den Angriff auf Syrien vom UN-Sicherheitsrat absegnen lassen. Die britische Regierung an, dem Gremium noch am Nachmittag (Ortszeit) einen Resolutionsentwurf zum Thema Syrien vorzulegen. Nachdem der Sicherheitsrat seine Sitzung beendet hatte, stellte sich dann jedoch heraus, dass das Thema gar nicht auf der Tagesordnung war.

Der Syrien-Gesandte der Vereinten Nationen meldete, dass die UN-Experten Hinweise auf den Einsatz von Chemiewaffen nahe Damaskus gefunden haben. Um was für Substanzen es sich dabei handelt, wurde bislang aber nicht bekannt. Weitere Bestätigungen von offizieller Seite blieben bislang aus. Eine Antwort auf die Frage, wer die Waffen eingesetzt hat, liefert diese Erkenntnis ohnehin nicht.

Im Resolutionsentwurf solle es um "notwendige Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten" gehen, sagte ein Regierungssprecher in London. Damit dürfte sich die Regierung auf die Opfer des Chemiewaffenangriffs vergangene Woche beziehen.

Russland gegen eine Intervention

Betrachtet man die Äußerungen Russlands der vergangenen Wochen, so dürfte die Resolution wenig Chancen auf Zustimmung haben. Das ständige Sicherheitsratsmitglied hatte eine militärische Intervention stets abgelehnt. Im Gegenteil hält Moskau es für wahrscheinlicher, dass syrische Rebellen für den Giftgasangriff verantwortlich sind. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte: "Gewalt würde nicht zu einer Lösung, sondern zur weiteren Destabilisierung führen."

"Wir haben immer gesagt, dass die Mitglieder des Sicherheitsrats ihre Verantwortung gegenüber Syrien übernehmen müssen", sagte ein Sprecher der Downing Street in London. "Heute haben sie Gelegenheit dazu." Welchen Einfluss eine Ablehnung der Resolution auf die Angriffspläne Washingtons, Londons und anderer hätte, ist noch unklar.

Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, warnte im iranischen Fernsehen: "Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Eine amerikanische Militärintervention in Syrien würde daher zu einer Katastrophe ohne absehbares Ende führen." Syrien ist Irans engster Verbündeter im Kampf gegen den "Erzfeind" Israel. In Jerusalem berief Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein Sicherheitskabinett zu einer Dringlichkeitssitzung ein. Israel hat angesichts eines möglichen Angriffs aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien eine teilweise Mobilmachung seiner Reservisten angeordnet.

Viele Syrer verlassen unterdessen ihr Heimatland und versuchen nach Europa zu gelangen. Allein die Grenze zum Libanon überquerten binnen 24 Stunden mehr als 10.000 Menschen. Im Laufe des Tages landeten bislang etwa 350 Flüchtlingen in Booten in der sizilianischen Hafenstadt Syrakus. Seit Beginn des Jahres sind dort über 2800 Syrer angekommen.

Steinmeier: Bis zum G-20-Gipfel warten

Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die britische Initiative und forderte Russland und auch China auf, im Sicherheitsrat keine Blockadehaltung einzunehmen.  Auch Außenminister Westerwelle forderte eine "geschlossene Haltung" im Sicherheitsrat. Der "Neuen Zürcher Zeitung" sagte er, dass er sich eine politische Lösung "kaum mehr vorstellen könne". Der ehemalige Außenminister und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier empfahl dringend, den G20-Gipfel kommende Woche im russischen Sankt Petersburg abzuwarten. Sinn solcher Gipfel sei, "letzte Möglichkeiten auszuloten, bevor mit einem militärischen Schlag unwiderrufliche Fakten geschaffen werden". Russlands Präsident Wladimir Putin macht als Gastgeber bislang allerdings keine Anstalten, das Thema "Syrien" auf die Tagesordnung zu setzen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dürfte den britischen Vorstoß begrüßen. Er hat vor einem Militärschlag in Syrien gewarnt und zu einer diplomatischen Lösung aufgerufen.Der Weltsicherheitsrat müsse über den Militärschlag Einigkeit erzielen, forderte Ban Ki Moon in Den Haag bei einer Feier zur Gründung des Friedenspalastes vor 100 Jahren. "Der UN-Sicherheitsrat muss seine politische Verantwortung behalten."

Zugleich warnte er vor einem voreiligen Militärschlag. Zunächst müsse es Gewissheit über den mutmaßlichen Einsatz von Giftgas geben. Die UN-Inspekteure, die derzeit dazu in der Nähe von Damaskus Untersuchungen durchführen, müssten ihre Arbeit abschließen. "Sie brauchen Zeit, um ihre Arbeit zu tun", sagte der Generalsekretär bei dem Festakt im Beisein des niederländischen Königs Willem-Alexander und zahlreicher Minister und Diplomaten.

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Quelle: ntv.de, vpe/wne/dpa/AFP

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