Assad lobt Armee für blutiges Vorgehen Syrische Militärs töten weiter
01.08.2011, 17:39 Uhr
Die Bilder aus Syrien sind rar. Hier ein Verletzter aus Hama in einem Amateurvideo vom 31. Juli.
(Foto: AP)
Nach dem Massaker in der syrischen Stadt Hama gehen Menschen im ganzen Land auf die Straße und fordern ein Ende des Regimes. Machthaber Assad lobt das blutige Vorgehen gegen die Bevölkerung und ruft weltweit Entsetzen hervor. Ban droht dem Präsident mit einem Prozess. Der UN-Sicherheitsrat kommt zu einer Sondersitzung zusammen.
Die brutale Offensive der syrischen Sicherheitskräfte gegen oppositionelle Bürger geht weiter. Panzer und Soldaten rückten erneut gegen Wohnviertel in der Stadt Hama vor. Andere Einheiten setzten ihre Aktionen gegen Deir al-Zor im Nordosten des Landes fort. Nach Angaben von syrischen Aktivisten wurden in Hama sechs Menschen, in Deir al-Zor und in der Ortschaft Albu Kamal je ein Mensch getötet.

Videoausschnitt aus einer Aufnahme von Oppositionellen: In Hama sind Panzer aufgefahren.
(Foto: Reuters)
Der arabische Nachrichtenkanal Al-Dschasira meldet unter Berufung auf Augenzeugen, in Deir al-Zor seien mindestens 25 Menschen getötet und 65 weitere verletzt worden. "Sie setzen Artillerie und Luftabwehrwaffen ein", sagte ein Bewohner dem Sender. "Die Lage ist sehr schlecht, medizinische und Lebensmittelvorräte gehen zur Neige." Deir al-Zor hat einen starken kurdischen Bevölkerungsanteil. Zugleich ist es ein Zentrum der syrischen Erdöl- und Gasindustrie.
Am Sonntag waren die Sicherheitskräfte erstmals seit ihrem Abzug vor fast zwei Monaten in Hama einmarschiert. Sie hatten dort ein Blutbad angerichtet und rund 100 Menschen getötet. Auch gegen Deir al-Zor, einen wichtigen Standort der syrischen Erdöl- und Gasindustrie, hatte eine massive Militäroperation begonnen. Sowohl in Hama als auch in Deir al-Zor berichteten Bewohner von massiven Festnahmen und von einem Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten.
Menschen fordern Assads Absetzung
Auf die neue Aggression des Regimes von Präsident Assad antworteten Tausende Bürger mit Solidaritätskundgebungen für Hama. Große Menschenmengen gingen in der Nacht in Damaskus, Homs und Deir al-Zor auf die Straße. Im Internet veröffentlichte Videoclips zeigen, wie sie in Sprechchören die Entmachtung des Assad-Regimes forderten.
Der Staatschef rühmte indes die syrische Armee dafür, dass sie "ihre Loyalität zu ihrem Volk und Land bewiesen" habe. "Syrien ist dazu fähig, das neue Kapitel der Verschwörung durch die Wachsamkeit seines Volkes und durch nationale Einheit zu ersticken", zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Sana aus einer Rede zum 66. Jahrestag der Gründung der syrischen Armee. Die "Bemühungen und Opfer" der Soldaten würden künftig "bewundert" werden, sagte Assad. Dank dieser Opfer habe die Armee das Ziel erreicht, "die Feinde des Landes auszumerzen, den Aufruhr zu beenden und Syrien zu bewahren".
Er sei davon überzeugt, dass Syrien in der Lage sei, auch "diese neue Episode des Komplotts" zu zerschlagen, sagte Assad weiter. Den Aufrührern gehe es darum, das Land "zerstückeln". Der Aufstand in Syrien sei zudem nur das Vorspiel für eine "Aufspaltung der ganzen Region in kleine Staaten, die sich gegenseitig bekämpfen". Die syrische Regierung sei so "entschlossen wie nie zuvor", ihre Politik fortzusetzen. Das Regime versucht mit Propaganda den Eindruck zu erwecken, dass die seit mehr als vier Monaten andauernden Proteste aus dem Ausland gesteuert wären.
UN-Sicherheitsrat trifft sich
Angesichts der massiven Gewalt in Syrien hat Deutschland für heute eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt. Die Sitzung wird hinter verschlossenen Türen stattfinden. Westliche Diplomaten äußerten die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Versuche, das gewaltsame Vorgehen der syrischen Regierung gegen die demonstrierende Bevölkerung zu verurteilen. Vorbehalte vor allem der ständigen Ratsmitglieder China und Russland haben bislang eine Resolution gegen Syrien verhindert.

Rauch über der Stadt, wo das Blutbad stattfand - und die Militärs offenbar noch immer töten.
(Foto: dpa)
Neben Deutschland setzen sich auch Großbritannien, Frankreich, Portugal und die USA seit Wochen dafür ein, das Vorgehen der Armee gegen friedliche Demonstranten offiziell zu verurteilen.
Ban droht mit Strafverfolgung
US-Präsident Obama hatte entsetzt auf das Massaker in Hama reagiert. Die USA arbeiteten mit anderen Staaten weiter daran, die Führung in Damaskus international zu isolieren. "Die Berichte aus Hama sind schrecklich und sie zeigen den wahren Charakter des syrischen Regimes", sagte der US-Präsident nach Angaben des Weißen Hauses.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drohte dem Regime von Assad mit einer strafrechtlichen Verfolgung. "Die syrischen Behörden sind verantwortlich für ihr Handeln und können nach internationalem Recht für alle Gewaltakte gegen ihr Volk zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Ban. Er forderte ein Ende der syrischen Militäroffensive gegen Regierungsgegner. Ban bekräftigte, dass Syrien die Menschenrechte respektieren müsse, wozu auch friedliche Demonstrationen zählten.
Ramadan soll Protestmonat werden

Brennendes Fahrzeug in Hama: Amateuraufnahmen sollen die Gewalt des Regimes bezeugen.
(Foto: Reuters)
Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich "schockiert" über die Gewalt. Das Vorgehen der Armee sei umso mehr inakzeptabel, als es sich um den Vortag des Ramadan handelte, erklärte Ashton. Die Verantwortlichen für das blutige Vorgehen gegen Oppositionelle in Hama müssten vor Gericht kommen, forderte Ashton. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, sprach von einem "Massaker" der syrischen Führung in Hama und rief Damaskus auf, die Machtübergabe einzuleiten.
Die Bundesregierung kritisierte die jüngste Gewalteskalation mit deutlichen Worten. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteile das Vorgehen gegen die Demonstranten in Hama und anderen Städten aufs Schärfste, sagte ein Regierungssprecher. Die Kanzlerin rufe beide Seiten auf, von Gewalt abzusehen und einen politischen Dialog zu suchen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sprach von einer "neuen Qualität der Repressionsmaschinerie" von Assad. Das Regime führe "Krieg gegen das eigene Volk". Um den Druck auf die syrische Regierung zu erhöhen, hätten sich die EU-Länder auf Arbeitsebene auf eine weitere Runde von Sanktionen verständigt, erklärte der Sprecher des AA weiter. Die Maßnahmen sollten weitere ranghohe Vertreter der syrischen Führung treffen.
Massaker vor Ramadan
Hama war bereits 1982 Schauplatz eines Massakers. Damals starben nach unbestätigten Berichten über 20.000 Menschen, als die Armee - damals regierte Assads Vater Hafis al-Assad - mit brutaler Gewalt gegen aufständische Sunniten in der Stadt vorging.

Die Regimegegner geben trotz aller Toten und Verletzten nicht auf. Für den Ramadan haben sie tägliche Proteste angekündigt.
(Foto: Reuters)
An diesem Montag beginnt in den meisten arabischen Ländern, so auch in Syrien, der Fastenmonat Ramadan. Syrische Aktivisten hatten für den heiligen Monat tägliche Proteste angekündigt.
Trotz seines immer wieder brutalen Vorgehens vermochte das Regime in Damaskus die seit viereinhalb Monaten aktive Demokratiebewegung nicht zu unterdrücken. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen kamen bisher rund 1600 Zivilisten und 350 Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts