Politik

AI: Zivilisten werden gezielt angegriffen Syrischer Jet über dem Irak

In Aleppo wüten heftige Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen.

In Aleppo wüten heftige Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen.

(Foto: REUTERS)

Ein Kampfflugzeug der syrischen Regierungstruppen soll in den irakischen Luftraum eingedrungen sein. Von hier aus wurden offenbar Rebellen in Syrien beschossen. Derweil fordert das Rote Kreuz Kampfpausen zur Versorgung der Bevölkerung. Amnesty International berichte derweil von gezielten Angriffen der Armee auf Zivilisten.

Der Syrien-Konflikt weitet sich bedrohlich auf die Nachbarstaaten aus. Zugleich wird die Not der Menschen in den Bürgerkriegsgebieten immer größer. Das Rote Kreuz forderte Kampfpausen zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung. Nach Angaben von EU und Vereinten Nationen benötigen mindestens 2,5 Millionen Syrer dringend humanitäre Hilfe.

Erstmals seit Beginn der Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Revolutionsbrigaden drang ein Flugzeug der syrischen Luftwaffe in den irakischen Luftraum ein. An der Grenze zum Libanon starben nach inoffiziellen Berichten vier libanesische Zivilisten. In Ankara wollte eine türkisch-amerikanische Arbeitsgruppe derweil das Vorgehen beider Staaten im Syrien-Konflikt abstimmen.

Aus Militärkreisen in der irakischen Anbar-Provinz hieß es, das syrische Flugzeug habe sich nahe dem geschlossenen Grenzübergang Al-Kaim vier Minuten lang über irakischem Territorium aufgehalten. Der Pilot habe vermutlich Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) in dem syrischen Grenzort Al-Bukamal im Visier gehabt. Die Stadt wird von den Aufständischen kontrolliert. Die syrischen Revolutionsgruppen berichteten von Luftangriffen mit MIG-21-Flugzeugen in dem Gebiet. Der Bürgermeister des Ortes Kaim auf der irakischen Seite sagte allerdings, dass die Syrer die Rebellen bombardiert hätten, aber dabei nicht in den irakischen Luftraum eingedrungen seien.

Helfer erreichen einige Gebiete nicht mehr

Hunderte Zivilisten steckten in Al-Bukamal an der Grenze fest, meldeten irakische Medien. Die irakischen Sicherheitskräfte hatten den Grenzübergang Al-Kaim am Vortag mit Betonsperren blockiert. Diese Maßnahme war mit der Präsenz der FSA auf der syrischen Seite der Grenze begründet worden.

Die Kämpfe haben Tausende Menschen in die Flucht getrieben.

Die Kämpfe haben Tausende Menschen in die Flucht getrieben.

(Foto: AP)

Die Gegner des Regimes von Präsident Baschar al-Assad zählten bis zum Nachmittag 90 Tote in Syrien, darunter zehn Männer, deren Leichen im Damaszener Stadtviertel Kafr Susa gefunden wurden. Die Männer seien nicht im Kampf gefallen, sondern in Gefangenschaft getötet worden, hieß es. Die heftigsten Kämpfe zwischen der syrischen Armee und den Revolutionsbrigaden wurden sowie aus den Proinzen Idlib und Deir as-Saur.

Hicham Hassan vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf sagte, seit nahezu vier Wochen seien die Helfer nicht mehr in der Lage, bestimmte Gebiete zu erreichen, etwa in Aleppo und Homs. Der Syrische Rote Halbmond, dessen Helfer vom IKRK ausgestattet werden, habe seine Operationen in vielen Teilen des Landes einstellen oder stark einschränken müssen. Dennoch versuchten Freiwillige weiter, zu den Notleidenden zu gelangen, so Hassan. "Humanitäre Hilfe muss die Menschen so schnell wie irgend möglich erreichen." Kampfpausen, , seien dafür sehr wichtig.

AI: Angriffe treffen gezielt Zivilisten

Nach Einschätzung von Amnesty International wird der Konflikt zunehmend auf dem Rücken von Zivilisten ausgetragen. Amnesty-Aktivisten waren in der ersten August-Hälfte für zehn Tage in Aleppo, der größten Stadt Syriens. In dieser Zeit allein seien mindestens 80 nicht direkt an dem Konflikt beteiligte Zivilisten getötet und viele weitere verletzt worden, geht aus dem Bericht hervor. Eine Gefahr für die Zivilisten seien auch die oft unorganisierten Kämpfer aufseiten der Rebellen, die inmitten der Zivilbevölkerung aktiv würden.

Nach Darstellung des Amnesty-Beobachters in Aleppo gab es täglich einen ganzen Schwall von Bombardements und Artillerie-Angriffen der Regierungstruppen. Einige von ihnen seien gezielt auf Zivilisten gerichtet gewesen, mit teilweise ungenauer Munition wie Bomben, Granaten und Mörser. Dabei wurde laut Amnesty kaum versucht, Menschenleben zu schützen. Zudem seien täglich Leichen von meist jungen Männern gefunden worden, die Merkmale von Folter aufwiesen.

Im Laufe des Tages sollten zudem die letzten UN-Beobachter Damaskus verlassen. Sie waren Teil eines vom damaligen internationalen Sondervermittler Kofi Annan ausgearbeiteten Friedensplans für Syrien. Wegen der eskalierenden Gewalt wurde ihr Mandat nicht erneuert. Annans Nachfolger, der Algerier Lakhdar Brahimi, sollte zum UN-Hauptquartier in New York fliegen, um dort eine Woche lang über den Bürgerkrieg zu beraten. Die syrische Regierung bestätigte derweil die Ernennung Brahimis. "Wir haben die UN informiert, dass wir Herrn Brahimis Ernennung akzeptieren", sagte der stellvertretende Außenminister Feisal Mokdad in Damaskus. Syrien hoffe, dass Brahimi den Weg zum nationalen Dialog ebnen und den Konflikt beenden könne, hieß es.

Auch nach dem Eingreifen der Armee setzten unterdessen verfeindete Clans in der libanesischen Stadt Tripoli ihre Kämpfe fort. Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen den in benachbarten Vierteln lebenden Sunniten und Alawiten erhielt zuletzt durch den Bürgerkrieg in Syrien neue Nahrung. Die Sunniten sympathisieren mit den syrischen Revolutionären. Die Alawiten unterstützen den alawitischen Präsidenten Assad.

USA und Türkei beraten Militäreinsatz

In Ankara berieten USA und Türkei erstmals auch über einen möglichen Militäreinsatz in Syrien. Militärs, Geheimdienstler und Diplomaten sprachen unter anderem über eine Reaktion auf einen Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung, wie aus dem türkischen Außenministerium verlautete. US-Präsident Barack Obama , deren Überschreitung eine Militärintervention zur Folge habe.

Zudem wollen sich beide Länder auf die Zeit nach einem Sturz Assads vorbereiten. Dabei wollten sie auch Übergriffe der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit gegen Alawiten, Christen oder Juden verhindern. Zudem ging es bei den Gesprächen um die Einrichtung einer Schutzzone für Flüchtlinge auf syrischem Gebiet, falls sich der Zustrom von Menschen aus dem Nachbarland weiter verstärkt. Daneben will Ankara auch über die Präsenz der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Nordsyrien sprechen. Die Türkei befürchtet, dass die PKK von hier Terrorakte auf türkischem Boden verüben könnte. Bei erneuten Kämpfen zwischen türkischen Soldaten und der PKK wurden zuletzt binnen zwei Tagen mehr als 20 Menschen getötet.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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