Politik

Plauderstunde mit Blackout TV-Duell Beust-Naumann

Selbst als sie sich rhetorisch an die Wäsche gingen, verzichteten sie nicht auf hanseatische Höflichkeitsfloskeln: "Lieber Herr Naumann" - "Mein lieber Herr von Beust". Statt den politischen Krummsäbel zu ziehen, griffen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und SPD-Herausforderer Michael Naumann am Sonntagabend beim einzigen Fernsehduell zur Hamburg-Wahl im NDR zum feinen Florett. "Hamburgischen Umgangston", nannte Beust das. Als langweilig, blass und uninspiriert bewerteten Beobachter das Duell. Es wirkte eher wie eine nette Plauderstunde mit altbekannten Argumenten oder wie ein großkoalitionärer Gedankenaustausch. Und das, obwohl nach Angaben des NDR-Chefredakteurs Andreas Cichowicz ein Viertel der knapp 40 Prozent unentschlossenen Wähler ihre Entscheidung davon abhängig machen könnten. Nach der Sendung prosteten sich die Kontrahenten sogar zu.

Erst ein Blackout Naumanns beim Schluss-Statement riss die Zuschauer aus ihrer Lethargie. Er verhaspelte sich, die Stimme zitterte, er schaute zur Seite und nach oben, als ob er jemanden suchte, der ihn aus der misslichen Lage befreien könnte: "Ich hatte zu viel auf dem Herzen und zu wenig Zeit", entschuldigte der 66- Jährige später den Hänger. Beust zeigte sich fair: "Das kann passieren, man ist ja keine Maschine, sondern ein Mensch." Ein langjähriger Beobachter der Hamburger Polit-Szene sagte nach dem Duell: "Bis zum Ende waren beide gleichauf, durch Naumanns Patzer hat von Beust gewonnen."

Vor Beginn der Sendung legte Beust seinen linken Arm um Naumanns Schulter, beide tuschelten, lachten und der Handschlag wirkte, als ob gerade der Vertrag einer großen Koalition besiegelt worden sei. "Gibt es auch was zu trinken?", fragte Naumann. "Und ein paar Knabbereien?", ergänzte Beust. Hinterher meinte der 52-jährige Bürgermeister, man hätte auch "gerne noch eine halbe Stunde länger reden können".

Im Wahlkampf und nun auch im Fernsehduell gab es in der Hansestadt keinen polarisierten Wahlkampf wie zwischen dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und SPD-Herausforderin Andrea Ypsilanti. Die "hessischen Verhältnisse" werden eher für den Wahlabend am 24. Februar befürchtet: Die jüngste Umfrage sieht die CDU bei 39, die SPD bei 35 Prozent. Bei erwarteten fünf Parteien in der Bürgerschaft wäre damit weder eine rot-grüne noch eine schwarz- gelbe Koalition möglich.

Deshalb bliebe neben den eher als unrealistisch bewerteten Dreier-Bündnissen nur eine große Koalition. Für Beust sind vor allem zwei Themen unantastbar: die Elbvertiefung, um die Zukunft des Hafens zu sichern, und der Erhalt der Gymnasien. Die SPD vertritt hier praktisch die gleiche Linie. Streitpunkte sind hingegen weitere Privatisierungen, die Dimension des von der CDU vorangetriebenen Baus des größten Steinkohlekraftwerks Deutschlands in Moorburg und die von der CDU eingeführten Studiengebühren. "Eine große Koalition halte ich für nicht unwahrscheinlich", sagt der Hamburger Politikwissenschaftler Michael Greven. "Ich sehe im Unterschied zu Hessen keine unüberbrückbaren Differenzen."

Die beiden Kontrahenten schätzen sich, das war im Duell deutlich zu spüren. Auch im Wahlkampf sind Attacken rar gesät. Nur ab und zu bezichtigt Beust Naumann der wirtschaftlichen Inkompetenz ("Mein Junge, Du musst noch einiges lernen") und Naumann nennt Beust einen "Frühstücksbürgermeister".

Von Georg Ismar, dpa

Quelle: ntv.de

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