Politik

Herzdame Kraft gegen Kopfmensch Röttgen TV-Duell wird zum Experten-Disput

Die Auseinandersetzung war in der Sache hart, im Ton aber immer höflich und fair.

Die Auseinandersetzung war in der Sache hart, im Ton aber immer höflich und fair.

(Foto: dpa)

Nordrhein-Westfalen sucht den Ministerpräsidenten. Im TV-Duell stehen sich Amtsinhaberin Kraft und Herausforderer Röttgen gegenüber. Doch was im Vorfeld hochstilisiert wird wie der Titelkampf in der Fußball-Bundesliga, entpuppt sich als müder Kick zum Abschalten. Einen richtigen Gewinner gibt es nicht.

Er muss überzeugen, es ist seine letzte Chance. Norbert Röttgen attackiert Hannelore Kraft wie ein wild gewordenes Tier, wie ein Herausforderer im Schwergewicht. Über die ganzen 60 Minuten des TV-Duells. Immer wieder unterbricht er Kraft, attackiert und überhäuft ihre Politik mit Schimpftiraden. Alles ist schlecht, was sie gemacht hat, so viel ist klar.

Röttgen hat es eilig. Ihm läuft die Zeit davon. Denn am 13. Mai wählt Nordrhein-Westfalen und er will den Politikwechsel. Das Problem ist: In NRW sind die Menschen gar nicht so unzufrieden. Der Joker der CDU zieht nicht. Kaum jeder Dritte will Röttgen wählen. Rot-Grün dagegen hat in fast jeder Umfrage der letzten Wochen die absolute Mehrheit.

Im Blitz-Wahlkampf gibt es nur dieses eine Fernsehduell.

Im Blitz-Wahlkampf gibt es nur dieses eine Fernsehduell.

(Foto: dpa)

Doch Röttgen nimmt den Kampf an. Das Duell ist wesentlich aggressiver als das zwischen Kraft und Rüttgers 2010. Kraft muss ordentlich einstecken. Röttgen nimmt sie für die von ihr vermeintlich beschworene "Kita-Pflicht" ins Visier, kritisiert die Rückständigkeit beim Klimaschutz. Er ist sehr angriffslustig und aufgedreht, nimmt wesentlich mehr Redezeit in Anspruch. Aber Kraft wirkt gelassener und selbstsicherer. Ob bei der Neuverschuldung oder der Kritik an zu wenig Kita-Plätzen: Immer wieder pariert sie seine Angriffe. Viele Missstände sind eben nicht ihrer 21-monatigen Regierungszeit geschuldet, sondern dem Erbe der Regierung Rüttgers. Da fällt auch Röttgen häufig nichts mehr ein.

Röttgen ist adrett, smart und freundlich. Der Rheinländer kann auch gut reden. Doch seine Schwäche zeigt sich immer dann, wenn er nicht mehr attackieren kann. Wenn er plötzlich über seine Politik sprechen soll, darüber wie er es besser machen will als Kraft. Ein Herausforderer muss schließlich liefern und überzeugen. Das tut er nicht. Wo denn die CDU den Rotstift anlegen wolle, wird er gefragt: "Unsere Prioritäten liegen bei Familie, Bildung, Kultur und Kommunen", antwortet der Herausforderer gleich mehrfach. Zu häufig verzettelt er sich im politischen Kauderwelsch, jongliert mit Zahlen und versprüht den Charme eines Verwaltungsangestellten.

Gestreift wird auch sein Fehlstart in den Wahlkampf. Ob er im Falle einer Wahlniederlage Oppositionsführer in NRW bleibt, das umgeht Röttgen jedoch auch an diesem Abend wieder. "Wir wollen gewinnen", gibt er sich kämpferisch. Wenn das nicht gelinge, werde man gemeinsam entscheiden, wie es weiter geht. Natürlich "mit Herzblut".

Kraft macht die bessere Figur

Doch den Hauptunterschied macht Kraft. Wenn es eine Romantik gibt für die Menschen zwischen Rhein und Ruhr, dann ist es die Mentalität. Kraft kommt aus einer Arbeiterfamilie. Sie ist eine aus dem Volk, eine die Ärmel hochkrempelt und mit anpackt.

Sie ist keine bessere Rednerin als Röttgen. Ihre Zukunfts-Vision für NRW verspricht auch keine blühenderen Landschaften als der CDU-Mann. Dafür steckt dieses Bundesland viel zu tief drin in den roten Zahlen. Von den 396 Kommunen in NRW haben nur acht einen ausgeglichenen Haushalt. Aber so aussichtslos es vor zwei Jahren schien, mit einer Minderheitsregierung ins Rennen zu gehen: Kraft hat sich davon nicht abbringen lassen. Auch wenn sie die vier Jahre nicht überstanden hat, ist sie für jetzt schon die "Landes-Mutti", die sich viele wünschen. Die, die sich schützend vor ihre Bürger, Kommunen und Landesbedienstete stellt.

Die Kleinigkeiten machen den Unterschied

Doch im Jahr 2012 wirft das TV-Duell auch Fragen auf. Wie sinnvoll ist es noch, die Auseinandersetzung auf zwei Parteien zu reduzieren? Die brisanten Fragen des Wahlabends sind andere: Schaffen es FDP und Linke? Und werden die Piraten die drittstärkste Kraft im Land? Das Duell Röttgen/Kraft birgt dagegen kaum Spannung. In zu vielen Themen sind sich die großen Parteien im Prinzip einig. Beide wollen die Schuldenbremse in der Landesverfassung, und einen gesetzlichen Mindestlohn. Sogar Röttgen hat sich inzwischen gegen Studiengebühren in NRW ausgesprochen. Im Jahr 2012 liegt nicht mehr viel zwischen Schwarzen und Roten.

So sind es am Ende Kleinigkeiten, die viel über die vermeintlichen Spitzenkandidaten aussagen. Etwa in der Schlussansprache. Bei Röttgen heißt es "Liebe Bürgerinnen und Bürger", bei Kraft "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger".

Quelle: ntv.de

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