Politik

ISAF unterstützt afghanische Abwehr Taliban stürmen Interconti

Der Angriff ist niedergeschlagen. Ein Krankenwagen verlässt das Gelände.

Der Angriff ist niedergeschlagen. Ein Krankenwagen verlässt das Gelände.

(Foto: AP)

Es ist der jüngste Angriff einer ganzen Serie spektakulärer Taliban-Attacken in Afghanistan: Ein Terrorkommando stürmt ein Luxushotel in Kabul. Ziel sind die ausländischen Hotelgäste. Afghanische Zivilisten und Polizisten kommen ums Leben. Auch ein Ausländer ist unter den Opfern. Gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften setzt die ISAF die Angreifer außer Gefecht.

Nach stundenlangen Kämpfen ist am frühen Morgen ein massiver Angriff der radikal-islamischen Taliban auf das von Ausländern viel genutzte Intercontinental-Hotel in Kabul niedergeschlagen worden. Nach offiziellen Angaben sind bei der Erstürmung des Hotels durch acht bewaffnete Angreifer ebenso viele afghanische Zivilisten und zwei Polizisten getötet worden.

Madrid: Ein Spanier unter den Toten

Afghanische Sicherheitskräfte nach dem Feuergefecht.

Afghanische Sicherheitskräfte nach dem Feuergefecht.

(Foto: AP)

Es gab widersprüchliche Meldungen, ob Ausländer unter den Opfern seien. Erste Mitteilungen der Polizei, es seien zwei Ausländer tot, wurden vom afghanischen Innenministerium dementiert. Später hieß seitens des Madrider Außenministeriums, unter den Toten sei ein Spanier. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, ihm lägen keine Informationen vor, dass es auch deutsche Opfer gegeben habe. Dies sei aber auch nicht auszuschließen. "Wir sind schockiert über den barbarischen Terroranschlag", sagte er. Die Terroristen hätten nur ein Ziel, nämlich den Prozess der Aussöhnung zu verhindern. "Diese Strategie wird und darf nicht aufgehen", ergänzte der Minister.

Trotz strenger Kontrollen war es den Aufständischen gelungen, in das  Gebäude einzudringen. Augenzeugen zufolge waren sie mit Sprengstoffgürteln, Raketen und Waffen ausgerüstet. Ein Hotelmitarbeiter berichtete, am Abend seien nach mehreren Explosionen Männer in die Empfangshalle gekommen und Richtung Festsaal gegangen. Einige hatten Kassettenrekorder dabei, auf denen sie Taliban-Kampflieder abspielten. Sie hätten auf jeden geschossen, der ihnen in die Quere gekommen sei. Hotelgäste seien aus Todesangst aus dem zweiten und dritten Stockwerk gesprungen.

Augenzeugen berichteten, im Zuge des Angriffs auf das gut gesicherte Hotel waren zahlreiche Explosionen zu hören, die darauffolgenden Kämpfe dauerten mindestens fünf Stunden. Um den Angriff abzuwehren, wurde ein NATO-Kampfhubschrauber eingesetzt, der die letzten Angreifer schließlich tötete. Diese hatten sich zuletzt auf dem Dach des Luxushotels verschanzt.

ISAF lobt Sicherheitskräfte

Brigadegeneral Jacobson wird am 1. Juli 2011 Sprecher der ISAF in Afghanistan.

Brigadegeneral Jacobson wird am 1. Juli 2011 Sprecher der ISAF in Afghanistan.

(Foto: dpa)

Den Angaben der ISAF zufolge hat die Schutztruppe bei der Operation keine Raketen abgeschossen. Die ISAF habe einen Kampfhubschrauber vom Typ Black Hawk eingesetzt, mit dem die Aufständischen auf dem Hoteldach angegriffen worden seien, sagte der neue Sprecher, Bundeswehr-General Carsten Jacobson. "Es ist vom Hubschrauber aus geschossen worden." Dabei habe es sich aber um kleinkalibriges Feuer gehandelt, Raketen seien nicht eingesetzt worden.

Zunächst hatte es aus der ISAF geheißen, Hubschrauber der Schutztruppe hätten die Aufständischen auf dem Dach mit Raketen angegriffen und getötet. Jacobson sagte, es sei unklar, ob die Aufständischen auf dem Dach durch den Beschuss aus dem Helikopter getötet wurden oder sich in die Luft gesprengt hätten. "Sie hatten offensichtlich Sprengstoffwesten an." Die afghanischen Sicherheitskräfte hätten die Aufständischen zunächst auf das Dach gedrängt und dann den ISAF-Hubschrauber angefordert.

Jacobson lobte die einheimischen Sicherheitskräfte. "Die haben das hervorragend gemacht", sagte der Brigadegeneral. "Das hätte sonst weitaus gravierendere Folgen haben können." Die ISAFf sei in einer "Unterstützerrolle" gewesen. "Die Operation selber wurde geführt von afghanischen Sicherheitskräften."

Das Dach des Hotels steht in Flammen.

Das Dach des Hotels steht in Flammen.

(Foto: AP)

Zu der Tat bekannten sich die radikalislamischen Taliban, mit denen die USA mit Blick auf den geplanten Truppenabzug Friedensgespräche anstrebt. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, die Aufständischen hätten sich auf der Suche nach Ausländern von Zimmer zu Zimmer vorgearbeitet.

Die Kämpfe seien mit dem Tod der Selbstmordattentäter zu Ende gegangen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Bei den getöteten afghanischen Zivilisten handelte es sich laut Polizei vorrangig um Hotelangestellte.

Konferenz soll stattfinden

Im Lauf des Morgens durchsuchte die Polizei das Hotel Zimmer für Zimmer nach weiteren Opfern und um sicherzustellen, dass es keine weitere Bedrohung durch versteckte Angreifer gibt. Die Attacke fand unmittelbar vor Beginn einer Konferenz über die schrittweise Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Behörden statt. Zahlreiche Teilnehmer wohnen im Interconti. Die zweitägige Konferenz soll trotz der Ereignisse wie gewohnt stattfinden. Sie findet in einem Regierungsgebäude im Zentrum Kabuls statt.

Das Intercontinental in Kabul.

Das Intercontinental in Kabul.

(Foto: dpa)

Das Intercontinental liegt auf einem Hügel in der Hauptstadt und ist das älteste Luxushotel in Afghanistan. Es nahm bereits 1969 seinen Betrieb auf, gehört aber seit langem nicht mehr zu der gleichnamigen internationalen Kette. Die einzige Zufahrtsstraße zum Hotel wird durch mehrere Checkpoints gesichert. Auch der Eingang in das mehrstöckige Gebäude wird schwer bewacht.

Aufständische hatten bereits 2008 das ebenfalls bei Ausländern beliebte Hotel Serena in Kabul attackiert. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben, darunter drei Ausländer. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden daraufhin auch in den anderen Hotels der Stadt verschärft.

Im Juli beginnt der Abzug

In Kabul hielt sich am Dienstag auch der US-Sondergesandte Marc Grossman auf. Er war dort mit afghanischen und pakistanischen Vertretern zusammengekommen, um die Möglichkeit für Friedensgespräche mit den Taliban auszuloten, wie eine Sprecherin des US-Außenamtes sagte. Seine Delegation habe Afghanistan "sicher" wieder verlassen, erklärte das Ministerium, das den Angriff scharf verurteilte. Die Tat zeige die "Verachtung menschlichen Lebens durch Terroristen".

Der Angriff ereignete sich wenige Wochen vor dem geplanten Beginn des Abzugs der internationalen Truppen. US-Präsident Barack Obama hatte vergangene Woche angekündigt, ab Juli bis Ende des Jahres 10.000 der derzeit rund 99.000 US-Soldaten vom Hindukusch abzuziehen. Bis 2014 sollen alle ausländischen Soldaten das Land verlassen und die afghanischen Sicherheitskräfte vollständig die Kontrolle übernommen haben - so wie sie es in Kabul bereits praktizieren. Experten fürchten jedoch, dass die einheimischen Kräfte nicht in der Lage sein werden, die Taliban in Schach zu halten.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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