Politik

Verbindung zu Al Tahrir? Terrorgefahr bleibt

Die Sicherheitsbehörden in Deutschland und im Libanon prüfen Verbindungen der nach den misslungenen Bahnattentaten festgenommenen Terrorverdächtigen zum europäischen Netzwerk einer Extremisten-Organisation. Dabei geht es um die sunnitische Fundamentalistengruppe Al Tahrir.

Innenstaatssekretär August Hanning rechnet mit weiteren Festnahmen. "Die Ermittlungen laufen, wir wollen die Hintergründe und Kontakte ausleuchten. Es ist gut möglich, dass weitere Festnahmen folgen", sagte Hanning der "B.Z. am Sonntag".

Terrorgefahr bleibt

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält die Terrorgefahr in Deutschland trotz rascher Fahndungserfolge für keineswegs gebannt. "Wir würden einen Fehler machen, wenn wir uns jetzt zurücklehnen würden", sagte er den "Lübecker Nachrichten".

Dritter Haftbefehl

Derweil erließ am Samstag der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) Haftbefehl gegen den am Freitag in Konstanz festgenommenen Mann. Ihm wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, versuchter Mord in einer Vielzahl von Fällen und versuchtes Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Teilgeständnis in Beirut

In Beirut konzentrierten sich die Vernehmungen am Samstag auf den zweiten dort Festgenommenen. Der verdächtige 24-Jährige aus Akkar im Nordlibanon war am Freitag festgenommen worden. Wie es aus libanesischen Justizkreisen hieß, wurde der Mann auf Grund von Aussagen des 20-jährigen Jihad Hamad festgenommen. Hamad hatte sich am Donnerstag selbst gestellt. In einem Teilgeständnis hatte er zugegeben, dass er einen der Bombenkoffer in einen Regionalzug der Deutschen Bahn gestellt, aber nichts über seinen Inhalt gewusst habe.

Verbindungen zu Al Tahrir

Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, einer der Festgenommenen mit dem Codenamen "Hamsa" sei Mitglied der sunnitischen Fundamentalistengruppe Al Tahrir. Diese Gruppe ist im Libanon nicht verboten. Sie habe dort keine gewalttätigen Ziele. Einige vor allem in Dänemark und Schweden lebende Führer der Gruppe hätten jedoch vor kurzem damit begonnen, Leute in Deutschland anzuwerben. Sie hätten Verbindungen zu El Kaida.

Al Tahrir wurde 1953 gegründet. Zu den Zielen gehört die Errichtung einer fundamentalistischen, auf den islamischen Gesetzen basierenden Ordnung. Die Gruppe spricht von der Beseitigung der neokolonialistischen westlichen Kontrolle über muslimisches Land, die beseitigt werden müsse. Außerdem ruft sie zum "Heiligen Krieg" gegen Israel auf.

Muslime sollen sich distanzieren

CSU-Chef Edmund Stoiber hält die Distanzierung der muslimischen Organisationen vom islamistischen Terror für nicht ausreichend. Die Muslime in Deutschland müssten "aktiv gegen Terror Stellung beziehen und nicht nur mit Worten", schrieb Stoiber in der "Bild am Sonntag". Er verlangte von den muslimischen Gemeinden, Extremisten auszustoßen und den Sicherheitsbehörden zu melden. Die westlichen Werte dürften in Moscheen und Gebetshäusern nicht weiter als moralisch minderwertig verunglimpft und damit junge Muslime radikalisiert werden.

Religionszugehörigkeit speichern

In der geplanten Anti-Terror-Datei möchte Schäuble als Merkmal auch die Religionszugehörigkeit speichern. Sie sei "ein wesentliches Kriterium, genauso wie berufliche Fähigkeiten. Die Attentäter um Mohammed Atta haben eine Pilotenausbildung begonnen. So etwas kann Anhaltspunkte liefern", meinte der Innenminister. Angesichts der großen Gefahr durch den islamistischen Fundamentalismus sei es richtig, die Religionszugehörigkeit mitzuerfassen. "Damit wird die Religionsfreiheit nicht verletzt", sagte Schäuble dem "Focus".

Überwachung durch mehr Kameras

In der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" sagte Schäuble, zur Sicherung des Bahnverkehrs seien mehr Sprengstoff-Spürhunde nötig. Außerdem müssten künftig Bahngleise durch Polizeistreifen oder mit technischen Mitteln "intensiver überwacht werden". Auch die Videoüberwachung will Schäuble massiv ausbauen. "An Bahnhöfen, Flughäfen, großen Straßen und Plätzen ist Videoüberwachung machbar und sinnvoll", so Schäuble zu "Focus". Er habe mit der Bahn vereinbart, dass "dort, wo es sinnvoll ist", weitere Kameras installiert werden.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach sich unterdessen gegen eine flächendeckende Videoüberwachung von Innenstädten aus. Eine Videoüberwachung von Knotenpunkten wie Flughäfen oder Bahnhöfe sei dagegen sinnvoll.

Polizei will mehr Unterstützung

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die politischen Reaktionen auf die fehlgeschlagenen Kofferbomben-Attentate als "völlig unzureichend" und verlangte eine "grundsätzliche sicherheits- und gesellschaftspolitische Neuausrichtung". In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) meinte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg: "Offenbar muss es bei uns erst Terroropfer geben, bevor unsere Politiker es wagen, die sicherlich nicht angenehmen Konsequenzen aus der Bedrohungslage in Deutschland zu ziehen."

So seien Anti-Terror-Datei und eine neue Kronzeugenregelung lange diskutierte "Selbstverständlichkeiten". Mehr Sicherheit gebe es nicht zum Nulltarif, so der GdP-Chef. "Solange die Terrorbekämpfung nicht deutlich personell und finanziell aufgestockt wird, ist alles andere weiße Salbe."

Quelle: ntv.de

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