Politik

"Ich weiß nicht, wie lange meine Mutter das noch aushält" Timoschenkos Tochter bittet Merkel um Hilfe

Protest für Timoschenko: Anfang des Monats war ein Mitglied der Opposition mit einem T-Shirt ins Parlament gekommen, das die Ex-Regierungschefin zeigte.

Protest für Timoschenko: Anfang des Monats war ein Mitglied der Opposition mit einem T-Shirt ins Parlament gekommen, das die Ex-Regierungschefin zeigte.

(Foto: dpa)

"Wenn meine Mutter nicht bald freikommt, wird sie sterben", warnt Jewgenija Timoschenko. Doch der Freilassung steht das Nein der Ukraine zu einem EU-Assoziierungsabkommen im Wege. Eine Entscheidung, die Zehntausende entsetzt.

Im Kampf um die Freilassung ihrer Mutter aus ukrainischer Haft hat die Tochter von Julia Timoschenko Deutschland um Hilfe gebeten. "Ich weiß nicht, wie lange meine Mutter das noch aushält", sagte Jewgenija Timoschenko der "Bild"-Zeitung. "Ich denke, dass Deutschland die letzte Chance für meine Mutter ist. Kanzlerin Merkel darf nicht aufgeben. Wenn meine Mutter nicht bald freikommt, wird sie sterben."

Die Ukraine hatte vergangene Woche überraschend das über Jahre ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt, das in dieser Woche bei einem Gipfeltreffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius unterzeichnet werden sollte. Stattdessen schlug Kiew Beratungen mit Moskau und Brüssel über Handelsfragen vor. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine zuvor mit Einschränkungen der Handelsbeziehungen gedroht.

Mit der Entscheidung Kiews scheiterte vorerst auch der Versuch der EU, eine Freilassung der erkrankten früheren Regierungschefin Julia Timoschenko zu erreichen. Die EU hatte eine Ausreise der inhaftierten Timoschenko zur medizinischen Behandlung zur Voraussetzung für die Unterzeichnung des Abkommens gemacht. Staatschef Viktor Janukowitsch lehnte dies aber ab.

Die Tochter wirbt dafür, dass dem EU-Assoziierungsabkommen in dieser Woche doch zugestimmt wird und fordert, dass Deutschland Druck auf die Ukraine ausüben solle. "Wir sind so weit gekommen, es muss in den nächsten Tagen gelingen, dass das Abkommen doch noch zustande kommt. Deutschland spielt da eine entscheidende Rolle", sagte Timoschenko der "Bild"-Zeitung.

Pro-europäische Proteste in mehreren Städten

Auf Aufruf von Julia Timoschenko waren am Wochenende zehntausende Menschen in der Ukraine auf die Straße gegangen. In Kiew gingen laut Polizeiangaben 23.000 Demonstranten auf die Straße, die Organisatoren sprachen von mehr als 100.000 Teilnehmern. Demonstrationen gab es auch in anderen Städten in der Ukraine. Es waren die größten pro-europäischen Proteste seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004.

Die Demonstranten zogen mit EU-Flaggen und Fahnen ukrainischer Oppositionsparteien zum Unabhängigkeitsplatz im Stadtzentrum von Kiew. Der Ort gilt seit der Orangenen Revolution von 2004 als symbolisch bedeutsamer Versammlungsort. Janukowitsch hatte sich damals zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt, nach Massenprotesten aber einen Rückzieher gemacht.

Einige Demonstranten riefen "Janukowitsch, verschwinde!", auf Plakaten war die Aufschrift "Wir sind nicht die Sowjetunion, wir sind die Europäische Union" zu lesen. Einige hundert Demonstranten versuchten, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und zum Regierungssitz vorzudringen. Einige von ihnen warfen Steine. Die Sicherheitskräfte setzten darauf Schlagstöcke und Tränengas ein, danach kehrte wieder Ruhe ein. Ein Mitglied der Sicherheitskräfte wurde laut Polizei verletzt.

Klitschko kommt mit Verspätung an

Nur mit großer Verspätung konnte der ukrainische Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko bei der Kundgebung auftreten. Seine Partei Udar warf den Behörden vor, Klitschkos Flugzeug keine Landeerlaubnis gegeben zu haben. "Wir werden für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens kämpfen", sagte Klitschko.

Am Abend harrten weitere mehrer tausend Menschen im Zentrum von Kiew aus. Sie hörten Musik, einige stellten Zelte auf. Oppositionsvertreter kündigten an, die Proteste auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Jewgenija Timoschenko verlas laut "Bild"-Zeitung einen Brief ihrer Mutter. "Wir haben nur noch fünf Tage bis zum Unterzeichnungstermin. In diesen fünf Tagen werden wir trotz Kälte und Ermüdung Tag und Nacht auf dem Platz bleiben", zitierte das Blatt.

Julia Timoschenko wirft ihrem Widersacher Janukowitsch vor, durch eine Annäherung an Russland die Unabhängigkeit des Landes zu gefährden. Janukowitsch habe mit der Absage an Brüssel den "Fehler seines Lebens" begangen, schrieb die frühere Regierungschefin in einem Brief an den Präsidenten.

Ministerpräsident Mykola Asarow verteidigte in einem Interview mit dem russischen Fernsehen die Absage an Brüssel: Die EU habe der wirtschaftlich angeschlagenen Ukraine nicht genug Hilfe angeboten, sagte er. "Sie sagten, die Ukraine könne auf eine Milliarde Euro hoffen. Das ist, als ob man einem Bettler vor einem Kirchenportal etwas gibt."

Quelle: ntv.de, hah/AFP/dpa

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