Politik

Neuer Gammel-Skandal Tonnenweise verzehrt

Bei den in Bayern beschlagnahmten Fleischwaren handelt es sich um überlagertes Fleisch. Wie der Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Gert Lindemann, gegenüber n-tv.de erklärte, hatte ein Betrieb in Schleswig-Holstein die überlagerten Fleischbestände an die Firma Wertfleisch in Bayern geliefert.

Die norddeutsche Firma hatte als Bestimmungsort der vergammelten Ware Belgien angegeben. "Offenbar, um den für den nationalen Handel notwendigen Retourschein zu umgehen", so Lindemann. Tatsächlich fuhren die Lkw dann aber nach Süddeutschland.

Wieder half Kommissar Zufall

Der Skandal war nur durch Zufall ans Licht gekommen. Eine Wertinger Fleischfirma soll mindestens 20 Tonnen Schlachtabfälle mit gefälschten Etiketten als frisches Puten- und Rindfleisch an eine Berliner Döner-Firma geliefert haben. Der Verbleib von sechs Tonnen Fleisch muss noch aufgeklärt werden.

Ein Teil des Fleisches ging auch an vier Landkreise in Brandenburg. Das sagte der Sprecher des Verbraucherschutzministeriums in Potsdam, Jens-Uwe Schade. Bei dem Fleisch handelte es sich um ungenießbare K3-Ware, die in Berlin zu Döner-Spießen verarbeitet und mit größter Wahrscheinlichkeit verzehrt wurde. K3-Fleisch wird in der Regel nur als Tierfutter verwertet.

Ein misstrauischer Lastwagenfahrer, der das Ekelfleisch in Wertingen anlieferte, gab der Polizei am Freitag den entscheiden Tipp. Die Ermittler stellten umgehend weitere 11,4 Tonnen Schlachtabfälle sicher, die ebenfalls an den Döner-Hersteller gehen sollten.

Ministerium sieht keinen Handlungsbedarf

Forderungen, mit zusätzlichen Gesetzen und Verordnungen auf den jüngsten Fleischskandal zu reagieren, weist das Ministerium zurück. Denn eine Meldepflicht für verdorbene Fleischlieferungen ist laut Lindemann gerade im Gesetzgebungsverfahren. "Wenn ein Empfänger Fleischwaren seines Lieferanten beanstandet und zurückweist, muss er dies künftig den Behörden melden", so Staatssekretär Lindemann gegenüber n-tv.de. Damit soll verhindert werden, dass Fleischlieferanten minderwertiges oder überlagertes Fleisch so lange auf dem Markt anbieten, bis sie einen anderen, weniger sorgsamen Abnehmer gefunden haben. Der Gesetzentwurf soll noch in diesem Herbst in den Bundesrat gehen.

Dass der jüngste Skandal nicht durch Kontrollmechanismen, sondern lediglich durch den Hinweis eines Lkw-Fahrers ans Tageslicht kam, beunruhigt das Ministerium nicht. "Wir können nicht neben jeden Fleischtransport einen Polizisten stellen", so Lindemann. Hervorzuheben sei, dass die Behörden unmittelbar nach den Hinweisen aktiv geworden seien und den Betrieb unter die Lupe genommen hätten.

Hygieniker: Es hat sich nichts getan

Gero Beckmann, Lebensmittelhygieniker eines unabhängigen Labors, sieht dagegen durchaus noch Handlungsbedarf. "Fest steht: Es hat sich seit den großen Ereignissen 2005, 2006 nichts getan, insbesondere auch nicht in der Bundespolitik", sagte er im Gespräch mit n-tv. So etwas wie nun in Bayern sei "nur die Spitze des Eisberges."

Einfärbung als probates Mittel

Ein weiteres Vorhaben der Bundesregierung liegt aufgrund von Widerständen aus der EU auf Eis. Dabei geht es um eine Einfärbung von K3-Material, die eine Umdeklarierung des Fleisches verhindern soll. "Man muss sich vor Augen halten: die Entsorgung von einer solchen Tonne K3-Material kostet den Unternehmer 100 bis 300 Euro. Insofern ist die alte Taktik, so etwas einzufärben - das hat man schon vor 20 Jahren getan mit Milchpulver, das subventioniert war - sicherlich ein guter Vorschlag", sagt Beckmann.

Das Ministerium glaubt allerdings nicht, die Einfärbung durchsetzen zu können. "Nur Irland steht dabei aber an unserer Seite, die EU-Mitglieder sind in der Mehrheit davon nicht zu überzeugen", sagt Lindemann. Viele EU-Mitglieder hätten Sorge, dass das eingefärbte Fleischmaterial dann überhaupt nicht mehr weiterverarbeitet werden kann, auch nicht für Tierfutter. Die Bundesregierung setze darum auch EU-weit auf bessere Lieferdokumente und eine ausgeweitete Meldepflicht.

Schnappaufs Rücktritt gefordert

Die Grünen und die FDP forderten den Rücktritt des bayerischen Verbraucherschutzministers Werner Schnappauf (CSU). Er sei unfähig, die bayerischen Verbraucher vor kriminellen Fleischpanschern zu schützen, sagte Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr in München.

"Ob in Deggendorf, bei Berger-Wild oder jetzt in Wertingen: Keine der Betrügereien wurde durch Schnappaufs Kontrolleure aufgedeckt - und immer wieder stellt sich heraus, dass die Täter bereits einschlägig mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren". Der Wertinger Betrieb sei schon in den 90er Jahren wegen lebensmittelhygienischer Unzuverlässigkeit aufgefallen, und der Täter habe wegen Urkundenfälschung und Subventionsbetruges im Gefängnis gesessen, sagte Dürr.

Der bayerische FDP-Generalsekretär Martin Zeil sprach von empörenden Beschwichtigungsversuchen Schnappaufs: "Es ist geradezu aberwitzig, zu behaupten, dass die Kontrollmechanismen funktionierten. Hier werden die Verbraucher kräftig verschaukelt, und bei so was helfen eben nur noch personelle Konsequenzen weiter."

20 Tonnen Gammelfleisch nach Berlin

Berlin ist nach Angaben der Gesundheitsverwaltung doch stärker vom bayerischen Fleischskandal betroffen als noch am Dienstag angenommen. Die Lebensmittelaufsicht gehe nun von 14 Tonnen minderwertigem Fleisch aus, das aus Bayern an einen Berliner Döner-Hersteller geliefert und später gegessen wurde, sagte eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung Berlin. Das Fleisch sei an Döner-Ständen in Berlin und Brandenburg verkauft worden.

Die Memminger Staatsanwaltschaft geht von 20 Tonnen aus. Staatsanwalt Jürgen Brinkmann sagte gegenüber n-tv.de, diese Angabe habe der Haupt-Beschuldigte bei seiner Vernehmung angegeben. "Ich weiß nicht, warum er sich unnötig belasten sollte und die Unwahrheit gesagt haben sollte."

Quelle: ntv.de

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