Politik

Bespitzelung "unverzeihlich" Türkei verlangt Erklärung in Spähaffäre

Medienberichten zufolge steht die Türkei als offizielles Aufklärungsziel im bis heute gültigen "Auftragsprofil" der Bundesregierung für den BND aus dem Jahr 2009.

Medienberichten zufolge steht die Türkei als offizielles Aufklärungsziel im bis heute gültigen "Auftragsprofil" der Bundesregierung für den BND aus dem Jahr 2009.

(Foto: REUTERS)

Die türkische Regierung fordert von Deutschland, Stellung zu Berichten über ein systematisches Ausspähen des Landes durch den BND zu nehmen. Deutsche Politiker verteidigen indes die Aktionen, bei denen offenbar auch US-Politiker abgehört wurden.

Der türkische Außenminister Davutoglu nannte die BND-Aktion "unverzeihlich."

Der türkische Außenminister Davutoglu nannte die BND-Aktion "unverzeihlich."

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Berichte über das angebliche Ausspähen der türkischen Regierung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) hat in Ankara Irritation hervorgerufen. Die Türkei rief den deutschen Botschafter Eberhard Pohl zum Gespräch und verlangte Aufklärung über die Berichte, nach denen der deutsche Auslandsgeheimdienst den Nato-Partner bereits seit Jahren ausforscht. Die Bundesregierung weigert sich bislang, die Anschuldigungen öffentlich zu kommentieren. Ebenso nimmt sie zu Meldungen über abgefangene Telefonate der beiden US-Außenminister Hillary Clinton und John Kerry keine Stellung.

Die Abhöraktion sei den engen Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht angemessen und schade den gemeinsamen Anstrengungen zur Erhaltung der internationalen Sicherheit und Stabilität, erklärte das türkische Außenministerium. Außenminister Ahmet Davutoglu verlangte eine Erklärung der Bundesregierung. Das Verhalten der deutschen Seite sei "unverzeihlich", sagte Davutoglu nach türkischen Medienberichten.

Die Opposition in Berlin verlangt eine öffentliche Erklärung von Kanzlerin Angela Merkel. Nach Medienberichten steht die Türkei im "Auftragsprofil" der Bundesregierung für den BND aus dem Jahr 2009, das bis heute gültig ist, als offizielles Aufklärungsziel. Der BND soll zudem mindestens ein Gespräch von US-Außenminister John Kerry abgehört haben, das 2013 als "Beifang" im Überwachungsnetz des Dienstes gelandet sein soll - ähnlich wie 2012 ein Telefonat von Kerrys Vorgängerin Hillary Clinton.

CIA-Doppelagent für Clinton zuständig

"Der Spiegel" sowie die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hatten am Wochenende über die Spähaktionen des BND berichtet. Aus dem türkischen Außenministerium hieß es, sollten sich die Berichte bewahrheiten, wäre dies eine ernste Angelegenheit. Man erwarte "eine offizielle und zufriedenstellende Erklärung und - falls die Behauptungen zutreffen - ein sofortiges Ende dieser Aktivitäten". Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte, das Gespräch des deutschen Botschafters mit einem Vertreter des türkischen Außenministeriums sei in freundlicher Atmosphäre verlaufen. "Es war ausdrücklich keine Einbestellung."

Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz sagte, sie könne die Medienberichte zu den BND-Aktivitäten in keiner Weise bestätigen. Der Ort für Aufklärung sei das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Die Regierung habe das Gremium bereits im Juli von sich aus über einen Teil des Sachverhalts informiert. Die Unterrichtung über alles Weitere werde "zeitnah" folgen. Nähere Angaben machte sie nicht. Auch der BND lehnt es weiter ab, sich öffentlich zu den Berichten zu äußern. Der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums, der CDU-Politiker Clemens Binninger, sagte: "Es stimmt, dass wir in Teilen auf Sachverhalte hingewiesen wurden, aber sehr abstrakt und ohne Nennung von Namen."

Den Medienberichten nach wurde die Abschrift des Clinton-Telefonats beim BND aufmerksam gelesen, bevor - wie in solchen Fällen üblich - die Vernichtung angeordnet wurde. Den Auftrag dazu habe ausgerechnet derjenige Mitarbeiter bekommen, der im Juli als mutmaßlicher Agent im Dienst des US-Geheimdienstes CIA verhaftet wurde. Eine Kopie der Abschrift soll sich unter den 218 Dokumenten befinden, die der Mann den USA geliefert haben soll.

Deutsche Politiker verteidigen Ausspähung

Diese 218 Dokumente liegen dem Kontrollgremium laut Binninger inzwischen vor und werden nun gesichtet. Dann werde entschieden, ob eine Sondersitzung des Gremiums zu den Aktivitäten des BND nötig sei, sagte er. Die nächste reguläre Sitzung steht am 10. September an. Die Abgeordneten von Linken und Grünen in der Runde, André Hahn und Hans-Christian Ströbele, forderten von Merkel öffentliche Aufklärung zu den BND-Aktionen. Die Regierung dürfe nicht nur in geheimer Sitzung darüber informieren, sagten sie. Linksfraktions-Vize Jan Korte forderte die Regierung auf, den Bundestags-Innenausschuss in einer Sondersitzung über die Vorgänge zu unterrichten. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt beklagte, die Regierung wolle offensichtlich verschleiern statt aufklären.

Der Grünen-Abgeordnete und frühere Fraktionschef Jürgen Trittin nannte die BND-Tätigkeit in der Türkei indes gerechtfertigt. Der "Berliner Zeitung" sagte er, auch ein zufälliges Mithören von Ministertelefonaten sei etwas anderes als das systematische Ausspähen des Parteihandys der Kanzlerin durch den US-Geheimdienst NSA. Auch zahlreiche Unions-Politiker verteidigten das Vorgehen des BND. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte ebenfalls, es sei nachvollziehbar, dass der BND in den Grenzgebieten zur Türkei zur Terrorabwehr aktiv sei.

Quelle: ntv.de, bwe/AFP/dpa

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