Abhörskandal erschüttert Polen Tusk gewinnt Vertrauensabstimmung
25.06.2014, 22:19 Uhr
Tusk will wissen, ob das Parlament noch zu ihm steht.
(Foto: REUTERS)
Polens Premier Tusk stellt in der Lauschaffäre die Vertrauensfrage - und gewinnt. Hintergrund ist die Affäre um illegale Aufzeichnungen von Politikergesprächen, die es möglicherweise schon seit eineinhalb Jahren gibt.
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat eine Vertrauensabstimmung im Parlament gewonnen. Bei der Abstimmung am späten Abend, die im polnischen Fernsehen übertragen wurde, stimmten 237 Abgeordnete für seine Koalitionsregierung und 203 dagegen. Tusk hatte mir Blick auf den am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel eine schnellstmögliche Abstimmung beantragt.
Auslöser der Krise sind Mitschnitte eines Gesprächs zwischen Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Notenbankchef Marek Belka. Dieser hatte Sienkiewicz im vorigen Jahr in einem Warschauer Restaurant Konjunkturhilfen der Zentralbank angeboten und im Gegenzug die Entlassung des damaligen Finanzministers Jacek Rostowski verlangt. Rostowski verlor tatsächlich seinen Posten im November 2013 bei einer Kabinettsumbildung.
Tusk sagte, die illegalen Aufzeichnungen von Politikergesprächen gebe es womöglich schon seit eineinhalb Jahren. "Es betrifft dutzende, womöglich hunderte Personen", sagte er. Hintergrund sei Kohlehandel im großen Stil, aber auch "die Situation in der Ukraine und in Europa". "Ich weiß nicht, in welchem Alphabet das Szenario (der Affäre) geschrieben wurde, aber ich weiß, wer der Nutznießer von Chaos im polnischen Staat sein kann", betonte Tusk.
Viel Schmutz aufgewirbelt
Eines der Abhöropfer war der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Dessen Gespräch, das er im Januar dieses Jahres mit einem ehemaligen Kabinettskollegen in "Sobanski-Palais" geführt haben soll, wurde der polnische Zeitschrift "Wprost" zugespielt. Die Presse hatte in aller Ausführlichkeit über die derben Sprüche des Außenministers berichtet, die gegen die USA, die Briten und seine eigenen Landsleute gerichtet waren.
Polnische Medien berichteten unterdessen von mehreren Festnahmen im Zusammenhang mit der Abhöraffäre. Demnach soll eine Kellner-Mafia den Lauschangriff in mehreren Nobelrestaurants Warschaus initiiert haben. Demnach seien ausgesuchten Gästen im Restaurant "Sowa & Przyjaciele" eine "Fernbedienung" auf den Tisch gelegt worden, mit der man nach dem Chefkellner hätten läuten sollen. In Wahrheit habe es sich um ein getarntes Aufzeichnungsgerät gehandelt.
Einer der Festgenommenen soll nach polnischen Zeitungsberichten ein Multimillionär sein, der günstige russische Kohle importiert habe und sich für staatliche Beschränkungen rächen wollte, die die heimische Kohle schützen sollten. Die Staatsanwaltschaft hat bisher keine Angaben zu den Festgenommenen gemacht.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa