Gräueltaten auf beiden Seiten UN-Bericht zeigt Apokalypse von Syrien
05.03.2014, 16:15 Uhr
Homs liegt mittlerweile in Schutt und Asche.
(Foto: REUTERS)
Die Vereinten Nationen untersuchen den Bürgerkrieg in Syrien. Die inoffizelle Leitfrage dürfte so etwas gewesen sein wie: "Wer ist der Böse?" In ihrem Bericht kommen sie zu einem niederschmetternden Ergebnis.
Am Anfang war für viele Beobachter in Syrien scheinbar alles noch ganz einfach. Baschar al-Assad galt als der böse Diktator, die Rebellen als aufrechte Demokraten. Von der Euphoriewelle des arabischen Frühlings getragen, wollten sie das starre Regime in Damaskus hinwegfegen. Doch das ist lange her. Längst ist die Lage unübersichtlich geworden. Je länger der Krieg dauert, desto weniger kann man noch von Gut und Böse sprechen.
Jetzt werfen Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen sowohl der Regierung als auch den Rebellen Kriegsverbrechen vor. Belagerung und Aushungerung von Städten seien Mittel, derer sich beide Seiten bedienten, heißt es in dem Bericht. 250.000 Menschen seien davon betroffen. Und darunter leiden vor allem Zivilisten. Nicht nur das: Kämpfer auf beiden Seiten folterten, vergewaltigten und rekrutierten Kindersoldaten. Dem UN-Sicherheitsrat gaben die Menschenrechtsexperten eine Mitschuld. Das Gremium habe nichts unternommen, um die Kriegsverbrechen zu stoppen. Mehr als 100.000 haben bereits ihr Leben verloren.
Attentate gegen Artillerie
Die Regierungstruppen von Präsident Assad verließen sich vor allem auf die überlegene Feuerkraft der Artillerie und der Luftwaffe, heißt es in dem Bericht der unabhängigen Ermittler weiter. Städte wie Homs würden belagert, unablässig beschossen und ausgehungert, um sie zur Kapitulation zu zwingen. Auf die Stadt Aleppo seien mit "erschütternder Intensität" sogenannte Fassbomben abgeworfen worden. Hunderte Zivilisten seien getötet worden.
Die Rebellen wiederum setzten in ihrer Kriegsführung vor allem auf Selbstmordattentate und Sprengsätze, um Terror zu verbreiten. Insbesondere Al-Kaida nahestehende Gruppierungen hätten ihre Angriffe auf Zivilisten intensiviert, Geiseln genommen, Gefangene exekutiert und Autobomben eingesetzt. In der Stadt Rakka seien Zivilisten gefoltert worden. Assad-Gegner verhinderten zudem, dass Trinkwasser und Lebensmittel in die zwei überwiegend von Schiiten bewohnten Städte Nubl und Sahra mit 45.000 Einwohnern gelangten.
Weltmächte einigten sich nicht
Den UN-Sicherheitsrat forderten die Ermittler erneut auf, die schweren Verletzungen des Kriegsrechts dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verfolgung zu melden. "Der Sicherheitsrat trägt eine Verantwortung, da er es zulässt, dass die Kriegsparteien dieses Recht ungestraft verletzen können", kritisieren sie. Diese Untätigkeit habe dazu geführt, dass Akteure in das Land eingedrungen sein, die ihre eigene Agenda verfolgten und zur Eskalation der Gewalt beigetragen hätten. Die Weltmächte haben sich seit Beginn des Konflikts vor drei Jahren nicht auf eine gemeinsame Haltung verständigen können.
Es ist der siebte Bericht der UN-Ermittler über die Lage in Syrien seit 2011. Er umfasst den Zeitraum vom 15. Juli 2013 bis 20. Januar 2014. Die Ermittler durften nicht in Syrien selbst tätig werden. Sie stützen ihre Erkenntnisse auf 563 Interviews, die über Skype oder per Telefon geführt wurden.
Deutschland pocht auf die strafrechtliche Verfolgung schwerer Menschenrechtsverletzungen in Syrien und auch Nordkorea. Die erschreckenden Berichte von UN-Experten darüber dürften nicht folgenlos bleiben, forderte der neue Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Christoph Strässer in Genf bei der Frühjahrssitzung des UN-Menschenrechtsrats.
Quelle: ntv.de, vpe/rts/dpa/AFP