Ohne ernste Konsequenzen für Syrien UN-Sicherheitsrat ringt sich Kritik ab
03.08.2011, 22:35 Uhr
Der Sicherheitsrat kann sich nicht zu einer strengen Verurteilung des Regimes in Syrien durchringen.
(Foto: dpa)
Auf der Suche nach einer Lösung, die niemandem weh tut, einigt sich der Weltsicherheitsrat auf eine halbherzige Abmahnung des syrischen Assad-Regimes für dessen Gewalt gegen die eigene Bevölkerung. Die sogenannte Präsidentielle Erklärung liegt in ihrer Wirkung unterhalb der Resolution und kann auch nicht mit Sanktionen versehen werden. Von den 15 Ratsmitgliedern distanziert sich einzig Libanon von dem Papier.
Nach Monaten der Gewalt gegen das eigene Volk ist das Regime in Syrien vom UN-Sicherheitsrat verurteilt worden – allerdings in einer recht milden Form. Dazu brauchte das mächtigste UN-Gremium immerhin zehn Verhandlungsstunden an zwei Tagen. Dem vorausgegangen war ein wochenlanges zähes Ringen.

Das Amateur-Video zeigt protestierende Syrer bei einer Trauerfeier am Stadtrand von Damaskus.
(Foto: Reuters)
Der Rat konnte sich nicht auf eine Resolution einigen. Stattdessen verlas der Vorsitzende, in diesem Monat der indische UN-Botschafter Hardeep Singh Puri, eine sogenannte Präsidentielle Erklärung. Sie liegt in ihrer Wirkung unterhalb der Resolution und kann auch nicht mit Strafen wie Handelsembargo oder Kontensperrungen versehen werden.
Die Präsidentielle Erklärung kritisiert die "weitreichende Verletzung der Menschenrechte und die Gewalt gegen Zivilisten". Weiter hieß es, die für die Gewalt Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Obwohl der Text offiziell nur eine Erklärung des Präsidenten ist, wurde jedes Wort unter allen Mitgliedern des Sicherheitsrates bis ins Detail abgestimmt. Daher hat sie auch ein diplomatisches Gewicht: Damaskus muss sich darüber im Klaren sein, dass auch Russland und China, bislang die stärksten Verbündeten Syriens, zu einer härteren Sprache bereit waren. Bislang hatten die beiden Länder jede Initiative gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad abgeblockt. Letztendlich ist es unter anderem auch ihnen zu verdanken, dass es keine Resolution gibt.
Einzig der Libanon distanziert sich von dem Text der anderen 14 Staaten des Sicherheitsrates; Syrien hat großen Einfluss in dem Nachbarland.
Die Forderung nach einer Untersuchung des UN-Menschenrechtsrats zur Niederschlagung der Proteste wurde fallengelassen. In dem Text werden die syrischen Behörden aufgefordert, die "Menschenrechte zu respektieren und ihren Verpflichtungen entsprechend des internationalen Rechts nachzukommen". Diejenigen, die für die Gewalt verantwortlich seien, sollten dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Zugleich nimmt der Sicherheitsrat mit dem Text die Reformversprechen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad "zur Kenntnis" und "bedauert das Fehlen von Fortschritten bei deren Umsetzung". Die syrische Regierung wird aufgefordert, "ihren Verpflichtungen nachzukommen".
Russland nennt Papier "ausgewogen"

Das Foto von einem Amateur-Video soll den Trauerzeug für einen von der Armee Getöteten zeigen.
(Foto: Reuters)
Nachdem Änderungen an dem Papier vorgenommen worden waren, hatte Russland seinen Widerstand aufgegeben. Der russische UN-Gesandte Witali Tschurkin nannte die neue Version "ausgewogen". Neben Russland hatten auch China, Indien, Brasilien und Südafrika einer Erklärung zu Syrien mit Skepsis gegenüberstanden, weshalb es bislang zu keiner Einigung gekommen war. Eine Resolution braucht 9 der 15 Sicherheitsratsstimmen - und mindestens die Enthaltung der fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich.
Kritik auch an Demonstranten
Kritischer Punkt war lange die Gleichsetzung beider Konfliktparteien: Insbesondere die Russen vertraten die Ansicht, dass die Gewalt des syrischen Staates nur eine Erwiderung von Gewalt der Straße sei. Diese Haltung hatte bei westlichen Diplomaten für Empörung gesorgt: "Das ist offenkundig der Versuch, die syrische Regierung zu entlasten. Für uns ist dies völlig inakzeptabel", sagte der amtierende deutsche UN-Botschafter Miguel Berger. Die syrische Regierung kämpfe mit Panzern und Scharfschützen gegen ihr eigenes Volk.
Als Konzession an Russland und China galt eine Passage, in der beide Seiten zur Zurückhaltung ermahnt werden und die Bevölkerung aufgerufen wird, von Angriffen auf staatliche Einrichtungen abzusehen.
Menschenrechtler fordern Resolution
Human Rights Watch forderte erneut eine Resolution, in der der Regierung in Damaskus Strafen angedroht werden müssten. "Bei der Eskalation der Gewalt in den vergangenen Tagen muss der Sicherheitsrat das deutlichste Signal an Präsident Assad senden, dass er die Attacken auf sein Volk beenden muss. Und dieses Signal kann nur eine Resolution sein", sagte Peggy Hicks von der Menschenrechtsorganisation.
Klare Worte aus Washington

Anhaltender Protest: Sprechchöre gegen Assad im Dorf Taybet Al-Imam in der Nähe Hama.
(Foto: REUTERS)
Die USA suchen nach eigenen Angaben nach Wegen, den Druck auf die Regierung in Damaskus zu erhöhen. Präsident Assad sei für die Instabilität in seinem Land verantwortlich, sagte der Sprecher des US-Präsidialamts Jay Carney. "Ohne Präsident Assad wäre es in Syrien besser", erklärte er.
In Deutschland war derweil ein Streit entbrannt über die deutsche Politik in der Syrien-Krise. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wiesen Vorwürfe zurück, sie agierten angesichts der brutalen Gewalt des Assad-Regimes zu passiv und unentschlossen.
Panzer belagern Städte
Aus Syrien berichteten Regimegegner, massive Panzerverbände seien auf den Orontes-Platz im Zentrum der Protesthochburg Hama vorgerückt. Regelmäßig seien Explosionen und Gewehrfeuer zu hören gewesen. Auch ins Zentrum der nordöstlichen Stadt Deir al-Zor sollen Panzerkolonnen eingefahren sein. Die syrischen Sicherheitskräfte hatten am vergangenen Sonntag eine Offensive gegen Hama gestartet. Allein am ersten Tag sollen an die 100 Zivilisten getötet worden sein.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass bisher mindestens 1500 Menschen in Syrien von den Schergen des Regimes getötet, 12.000 Syrer als politische Gefangene inhaftiert wurden und mindestens 3000 Menschen verschwunden sind.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP