Interview mit Duell-Moderatorin Candy Crowley "Genug Raum für Überraschungen"
16.10.2012, 13:03 Uhr
Romney und Obama begrüßen sich vor der ersten Fernsehdebatte.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
CNN-Moderatorin Candy Crowley wird das zweite TV-Duell moderieren. "Ich will eine Debatte, nach der die Leute sagen: 'Wow! ... Das wusste ich nicht.'" Aufgeregt ist sie, aber es sind nicht "diese beiden Typen", die sie nachts wach halten.
Wie haben Sie davon erfahren, dass Sie das zweite TV-Duell zwischen Barack Obama und Mitt Romney moderieren werden?
Candy Crowley: Ich war bei der Arbeit. Wir hatten gerade die nächste Sendung vorbereitet und ich saß in meinem Büro, als ich einen Anruf des Geschäftsführers der Kommission für die Präsidentschaftsdebatten bekam. Er sagte: "Wir haben uns gefragt, ob Sie Lust hätten, eine Debatte zu moderieren." Ich sagte: "Lassen Sie mich kurz darüber nachdenken - ja." (lacht) Es war eigentlich ein sehr kurzes Telefonat.

Candy Crowley moderiert bei CNN die Sonntagmorgen-Talkshow "State of the Union with Candy Crowley".
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Wie haben Sie reagiert?
Nun ja, dazu muss man wissen, dass sie mir sagten, dass ich es niemanden sagen darf. Das war schon ziemlich schwer. Ich habe aber gemogelt, ich habe es meinen Kindern erzählt, sonst allerdings niemandem. Ein bisschen lief ich durch die Gegend wie eine Grinsekatze. Ich meine, gibt es danach noch etwas Besseres für eine Journalistin? Da fällt mir nicht viel ein.
Wie ist es, die erste Frau seit 20 Jahren zu sein, die eine Präsidentschaftsdebatte moderiert?
Die Leute fragen, ob ich glaube, dass ich andere Fragen stelle, weil ich eine Frau bin. Ich denke, ich werde andere Fragen stellen, wegen der vielen Dinge, die ich bin. Bob Schieffer (der die dritte Debatte am 22. Oktober moderieren wird) und ich sind unterschiedlich, Jim Lehrer (der die erste Debatte moderiert hat) und ich sind unterschiedlich, wir kommen alle aus unterschiedlichen Zusammenhängen, wir hatten unterschiedliche Erfahrungen, und natürlich ist einer der Unterschiede zwischen ihnen und mir, dass ich eine Frau bin und sie Männer sind. Ich glaube, ich habe den historischen Hintergrund erst erfasst, als Frauen kamen und mich darauf ansprachen - Männer übrigens auch. Ich habe nur Söhne, und sie waren begeistert und sagten: "Mama, weißt du, dass du die erste Frau seit 20 Jahren bist, die das macht?" Sie waren sehr aufgeregt. Für mich war es zunächst vor allem eine wunderbare Chance für eine Journalistin.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Moderatorin der Debatte?
Ich glaube, es geht vor allem darum, an die Wähler zu denken. Darum geht es, wenn man politische Journalistin ist. Was beschäftigt die Leute? Ich glaube, das kann ich ganz gut nachvollziehen, denn alle meine Freunde sind Leute. (lacht) Es sind nicht nur Journalisten. Ich weiß, was sie beschäftigt. Ich weiß, durch welche tiefen Wasser sie gehen, worüber sie sich Sorgen machen - diese Dinge. Man bekommt auch viel mit, während man eine Sendung vorbereitet. Ich will, dass die Menschen, die auf ihrem Sofa sitzen und diese Debatten anschauen, sagen: "Genau, genau das wollte ich auch fragen."
Gibt es in einer solchen Debatte Platz für Überraschungen?
Natürlich, und ich sage Ihnen auch, was an dieser Debatte anders ist: Es ist gleichzeitig ein Town Hall Meeting (eine Art Bürgerversammlung). Es werden Leute da sein, die sich noch nicht entschieden haben, und die ihre Sorgen vorbringen werden. Deshalb wird es viel Raum für Überraschungen geben. Normalerweise gibt es immer eine. Natürlich gab es auch Debatten, nach denen die Leute gesagt haben: "Ich habe nicht viel Neues erfahren." So eine Debatte will ich nicht. Ich will eine Debatte, nach der die Leute sagen: "Wow! ... Das wusste ich nicht." Oder "Mannomann, ich hätte nie gedacht, dass man diese Frage so stellen kann." Ich glaube, es gibt genug Raum für Überraschungen.
Welche Momente in früheren Debatten sind für Sie unvergesslich?
In vielen Debatten gab es Dinge, die irgendwie monumentale waren. Eines davon ist eher Geschichte als Teil meiner eigenen Erinnerung. Das ist, als (US-Präsident) Gerry Ford (bei einer Debatte gegen den demokratischen Herausforderer Jimmy Carter 1976) vom freien Polen sprach, aber natürlich war es hinter dem Eisernen Vorhang. Das wurde als monumentaler Fehler angesehen. Oder George H.W. Bush, der Vater, der auf seine Uhr schaute. Oder Al Gore, der laut seufzte. Es ist etwas an diesen Debatten, das die Dinge vergrößert, die man im selben Raum vielleicht noch gar nicht wahrgenommen hat. Als Bush auf seine Uhr blickte, verstand man das als Signal, dass ihm das alles egal war. Zu Recht? Zu Unrecht? Es hat Bedeutung, es ist Fernsehen. Es geht nicht nur darum, was man sagt, es geht auch darum, wie man sich präsentiert. Das macht diese Debatten für mich so großartig. Aber der Zweck der Debatte ist, mehr herauszubekommen, als die Leute schon gehört haben - nämlich das, worüber die Zuschauer und Wähler etwas hören wollen.
Sie haben beide Kandidaten schon interviewt. Ändert das Ihre Herangehensweise?
Das ist interessant, ich bin nicht sicher. Aber ich habe sie beide interviewt, ich habe Präsidenten interviewt, ich habe Kandidaten interviewt, das macht die Sache etwas einfacher. Keiner von beiden flößt mir Angst ein. Sie schüchtern mich nicht ein, weil ich das schon mein ganzes Leben lang mache. Nicht auf einer so großen Bühne, aber ich habe es schon gemacht. Aber diese Debatte wird ja auch eine Bürgerversammlung sein, und da wird es für mich darum gehen, all die unterschiedlichen Elemente unter Kontrolle zu halten und zugleich dafür zu sorgen, dass die Fragen der Leute ankommen. Offen gestanden ist es eher das, was mich nachts wach hält, nicht diese beiden Typen.
Wie bereiten Sie sich auf die Moderation vor?
Ich hoffe, dass die 15 Jahre, die ich über Politik berichte, mich vorbereitet haben und mir die Basis geben. Aber seit ich weiß, dass ich dies tun werde, haben sich Dinge anders in meinem Gedächtnis festgehakt. Normalerweise liest man etwas und denkt vielleicht: "Oh, das ist interessant", und dann wendet man sich etwas anderem zu. Jetzt will ich sichergehen, dass ich auf dem neuesten Stand bin, was die Debatte innerhalb der Wahlkampfteams angeht, oder die politische Debatte im Allgemeinen. Ich denke, ich bin sehr viel starker auf Empfang. Ich notiere mir Sachen in meinem Gedächtnis, aber auch auf Papier. Manchmal, wenn etwas passiert, streiche ich das dann durch oder ergänze es.
Ihre letzten Gedanken?
Kann ich Ihnen sagen, wie unfassbar das ist? Es ist vollständig unfassbar. Ich meine, ich habe nie daran gedacht, dass ich vielleicht mal eine Debatte bekommen könnte. Sie jetzt zu haben ist, ich weiß nicht, es ist ein Höhepunkt meiner Karriere. Was soll ich sagen?
Übersetzung: Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de