Auftakt der US-Vorwahlen in Iowa Gerangel um kleinen Mais-Staat
30.12.2011, 11:20 Uhr
Der US-amerikanische Graswurzel-Wahlkampf ist in Iowa noch ein wenig näher an der Basis als anderswo - hier klatscht das Publikum für Ron Paul.
(Foto: AP)
Ein Aufsteiger, eine Wiedergeburt und eine Meuterei: Wenige Tage vor der ersten Vorwahl ist das republikanische Kandidatenfeld unübersichtlicher denn je. Außenseiter Paul kämpft plötzlich um den Sieg in Iowa, Romney ist zurück an der Spitze und Bachmann verliert einen wichtigen Helfer.
Vielleicht ist Michele Bachmann ein Fan der Star-Trek-Filme. Falls ja, wird sie sich in dieser Woche möglicherweise an das berühmte Klingonen-Sprichwort erinnert haben: Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.
Denn eiskalt dürfte es der republikanischen Präsidentschaftskandidatin den Rücken hinunter gelaufen sein, als ihr Wahlkampfmanager in Iowa, Kent Sorensen, vor die Kameras trat, im Rücken eine übergroße US-Flagge, vor sich ein Pult mit einem "Ron Paul"-Schild. Er werde die Seite wechseln und fortan den Libertären Paul unterstützen, so Sorensen. "Das ist hart für mich", erklärte der glatzköpfige Mann mit dem Henriquatre-Bart, doch er müsse es tun. Paul habe ihm schließlich zuvor bei seiner Wahl in Iowas Senat geholfen, nun, da das "republikanische Establishment" Pauls Wahlkampf sabotiere, müsse er den Gefallen erwidern.
Für Paul war Sorensens Seitenwechsel eine Genugtuung: Bachmann hatte ihn wegen seiner radikal isolationistischen Außenpolitik als "zu gefährlich" für das Präsidentenamt bezeichnet. Bachmann wiederum beschuldigte ihren früheren Wahlkampfhelfer umgehend der Bestechlichkeit. "Kent Sorensen hat mir persönlich gesagt, dass ihm eine große Summe angeboten wurde, um für Pauls Kampagne zu arbeiten", so Bachmann. Paul sei in Iowa "in Schwierigkeiten", deswegen dieser Schritt.
Paul mit Siegchance in Iowa
Tatsächlich dürfte es gerade andersherum sein: Nicht Ron Paul, der kauzige Dauerkandidat für das Weiße Haus, sondern Bachmann hat Probleme in Iowa. Bei einer Umfrage von CNN unter Republikanern in Iowa landete der Kongressabgeordnete aus Texas überraschend bei 22 Prozent und damit auf Platz 2 - weit vor Bachmann, die mit 9 Prozent so langsam über einen baldigen Ausstieg aus dem Rennen nachdenken dürfte. Umso bitterer der Verlust ihres Helfers Sorensens: Der sollte in Iowa für eine gute Organisation der Bachmann-Wähler sorgen, eine Grundvoraussetzung für den Erfolg im Caucus-System des kleinen Bundesstaates. Nun muss der frühere Liebling der konservativen Tea-Party-Bewegung ernsthaft um das Überleben ihrer Kampagne fürchten.
Paul dürfte hingegen vor allem seinem Werbeteam danken. Dessen aggressive TV-Spots sind zurzeit omnipräsent auf den Fernsehkanälen in Iowa, und sie sorgen für jede Menge Aufregung. Newt Gingrich bezichtigten sie zum Beispiel der "Heuchelei", unter anderem weil dieser mehr als eine Million Dollar als Berater der Kreditanstalten Fannie Mae und Freddie Mac bekam, kurz bevor die Immobilienblase platzte. Gingrich, der vor Weihnachten noch wie der sichere Sieger in Iowa aussah, erlitt in der CNN-Umfrage nun einen massiven Rückschlag: Nur noch 14 Prozent der Republikaner in Iowa stehen hinter ihm, dabei waren es einmal mehr als 30 Prozent.
Romney zieht an allen vorbei
Nur einer überrascht in diesen Tagen noch mehr als Gingrich und Paul: Mitt Romney. Laut CNN-Umfrage steht der Ex-Gouverneur von Massachusetts nämlich plötzlich an der Spitze aller Kandidaten in Iowa - vor wenigen Wochen war das noch undenkbar. Rund 25 Prozent der Republikaner würden ihn derzeit wählen, vor wenigen Wochen waren es knapp die Hälfte.
Spät hatte Romney sich entschieden, Iowa nicht kampflos aufzugeben - eine Strategie, die sich nun auszahlt. "Na klar will ich in Iowa gewinnen. Jeder will das", sagte Romney gerade der "New York Times".
Romneys Botschaft für Wähler: Er sei die einzige Alternative. "Schauen Sie sich die Kandidaten an," so Romney, der Kritik an seiner Religion, seinen häufigen Meinungsänderungen und seiner Millionärs-Attitüde aushalten musste, und dennoch weiterhin als einziger ernsthafter Herausforderer für Obama gilt. "Entscheiden Sie, wen sie lieber als Präsident sehen wollen."
Dass selbst das Partei-Establishment der Republikaner Romney ablehnt scheint diesem kaum zu schaden. Gerade befindet er sich auf einer Bus-Tour durch Iowa, am Wochenende folgt eine Serie von Wahlkampfauftritten, bei denen es exklusiv um die lahmende Wirtschaft geht. Ein neuer einminütiger TV-Spot preist zeitgleich Romneys Leistungen als Geschäftsmann. Im von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gebeutelten Iowa soll das vor allem sagen: Hier kommt der Mann, der Jobs schaffen kann.
Streit über Bedeutung des Iowa Caucus
Wie wichtig der Caucus in Iowa tatsächlich sein wird, ist allerdings umstritten. Die eher wertkonservativen, hauptsächlichen weißen Bewohner des "American Heartland", wie der Staat auch genannt wird, stehen nur zum Teil für den Rest des Landes. Außerdem ist die Abstimmung ohnehin nicht bindend: Tatsächlich werden nämlich nur die Delegierten für eine weitere Parteikonferenz der Iowa-Republikaner im März gewählt. Erst dort wird entschieden, welchen Kandidaten die aus Iowa schließlich entsandten Delegierten beim Bundesparteitag in Florida unterstützen. 28 Delegierte, um genau zu sein: knapp 1 Prozent der Stimmen.
In den US-Medien geben sich daher gerade jene Experten die Klinke in die Hand, die Iowa eher als Hype der Medien mit wenig Aussagekraft bezeichnen. Der aktuell prominenteste Iowa-Kritiker ist der republikanische Kandidat Jon Huntsman. "In Iowa ernten sie Mais," so Huntsman im TV-Sender CBS, "in New Hampshire küren sie Präsidenten." Dass er am 3. Januar chancenlos sein wird, erwähnt er freilich nicht.
Für die Politiologen David Redlawsk, Caroline Tolbert, und Todd Donovan hingegen spielt spielt gerade Iowa eine zentrale Rolle im US-amerikanischen Wahlkampfzirkus. "Iowas gut ausgeklügelte Caucus-System bringt die Argumente, Stärken und Schwächen der Kandidaten heraus", schreiben die Autoren in ihrem Buch "Why Iowa?". Der Staat sende ein Signal an die Wähler in den restlichen USA, so die Experten, von denen zwei allerdings enge Verbindungen zu Iowa haben.
Möglich, dass sie das parteiisch macht, ihr bestes Argument aber lässt sich nur schwer widerlegen: 2008 gewann Barack Obama den Iowa Caucus der Demokraten und ritt auf der anschließenden Welle der Begeisterung bis ins Weiße Haus.
Quelle: ntv.de