US-Wahl

US-Wahlkampf nach "Obamacare" Munition für die Truppen

Anhänger der konservativen Tea Party vor dem Supreme Court.

Anhänger der konservativen Tea Party vor dem Supreme Court.

(Foto: REUTERS)

Nicht nur die US-Demokraten laben sich am Erfolg vor dem Obersten Gerichtshof. Auch die Republikaner glauben, dass ihnen das Urteil helfen wird. Sie schließen ihre Reihen und kündigen die Abschaffung des Gesetzes an. Ihr größter Hoffnungsträger: Romney.

Der höchste US-Richter, John G. Roberts Jr., hat sich gleich zwei neue Freunde gemacht: Barack Obama und Mitt Romney. Denn der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes verteilte an beide Rivalen wertvolle Wahlkampfgeschenke. Obamas Gesundheitsreform drückte er den Stempel "verfassungsgemäß" auf - und ermöglichte damit Romneys Metamorphose zum Hoffnungsträger seiner Partei.

Denn ausgerechnet Romney, der als Gouverneur einst selbst eine ganz ähnliche Gesundheitsreform erlassen hat, ist nun die beste Chance der Republikaner, Obamas Prestigeprojekt doch noch abzuschaffen. "Was das Gericht nicht getan hat", so Romney nach der Urteilsverkündung, "werde ich an meinem ersten Tag als Präsident der USA tun. Und zwar Obamacare aufheben."

Romneys neues Mantra

Will Obamas Reform kippen: Mitt Romney.

Will Obamas Reform kippen: Mitt Romney.

(Foto: REUTERS)

Es ist dieses Versprechen, das Romney von nun an bis zum Wahltag im November wieder und wieder geben wird. Denn nichts mobilisiert die konservative Basis so sehr wie diese juristische Niederlage. Vor dem Gericht tobten am Donnerstag in sengender Sommerhitze ultra-religiöse Gruppen und Tea-Party-Aktivisten gleichermaßen: Die einen sehen das Gesetz als staatliches Abtreibungsprogramm (weil es die Bezahlung von Empfängnisverhütung einschließt), die anderen interpretieren es als Angriff auf die individuelle Freiheit (weil es den Kauf einer Gesundheitsversicherung zur Pflicht macht). Beide Gruppen hatten im Vorwahlkampf Vorbehalte gegen Romney. Nun ist er ihr letzter, bester Pfeil im Köcher.

Und der spannte sich umgehend selber auf den Bogen. Ein neues Video und eine konzertierte Werbekampagne auf Facebook und Twitter fingen die Wut auf und formten die neue Hauptbotschaft des Kandidaten. "Repeal and replace", "aufheben und ersetzen", so lautet der neue Schlachtruf der Republikaner.

Viel Kritik, kaum eigene Ideen

Womit genau sie das so verhasste Gesetz ersetzen wollen, sagen sie allerdings nicht, nur dass sie "Schritt für Schritt" vorgehen und "vernünftige Lösungen" suchen wollen. Sehr viel spezifischer wird es nicht, auch nicht auf der dazugehörigen Webseite. "Die Menschen in Amerika haben gesprochen", heißt es dort, dazu jede Menge fremde Tweets und Blogeinträge, aber keine konkreten Gegenvorschläge.

Allerdings hatte es die Führung der Republikaner im Kongress zuletzt auch nicht wirklich eilig: Man wolle erst einmal alles abschaffen, was das Gericht nicht für verfassungsgemäß erklärt, und dann eigene Ideen formulieren. Dass nun (fast) alles grünes Licht vom Obersten Gerichtshof bekommt, damit hatten sie freilich nicht gerechnet.

Palin feiert mit

Zwei Priester beten gegen Obamas Gesundheitsreform.

Zwei Priester beten gegen Obamas Gesundheitsreform.

(Foto: REUTERS)

Romney muss das nicht stören, er hat in Richter Roberts' Urteilsbegründung noch ein weiteres Negativ-Label gefunden, das er Obamas Reform anhängen kann. Die sei eine "Steuererhöhung" für die US-Bürger. Ein Wort, das keiner gerne hört. Doch genau so hatte Roberts die Versicherungspflicht, das Herzstück der Reform, interpretiert. Die geplante Strafzahlung, die beim Nichtabschließen einer Gesundheitsversicherung anfallen soll, wird schließlich auch vom Fiskus eingezogen.

Für die eigenen Reihen ist das eine extra große Portion Kraftfutter. "Danke", schrieb Tea-Party-Ikone Sarah Palin trotzig auf ihrer Facebookseite- "Dieses Obamacare-Urteil öffnet Amerika die Augen und motiviert sie zusätzlich." Und der Chef des republikanischen Super PACs "Crossroads GPS", Steve Law, kündigte in der "New York Times" umgehend eine große Kampagne in den nächsten Tagen an. Die Botschaft: Obamas Reform sei "eine massive Steuer gegen den Mittelstand", so Law. Bald würden sie auch die Aspekte entdecken, "die ihnen Angst machen".

Obamas 15 Argumente

Ein Triumphzug als Heiler der Nation wird es also nicht für Obama. Wie er auf die Angriffe seiner Gegner antworten will hat er auch schon durchblicken lassen: Eine lange Liste an Errungenschaften der Reform soll Wähler überzeugen und die eigenen Wahlkampf-Truppen mobilisieren. 15 Verfehlungen der privaten Versicherungswirtschaft seien nun abgeschafft, feiert das Weiße Haus in einer Rundmail: Von unbegründeten Beitragserhöhungen bis zur Zurückweisung von medizinisch vorbelasteten Patienten.

Nur für einen ist diese Reform nicht gesund: den Wahlkampf. Denn die ohnehin schon tiefen Gräben zwischen rechts und links sind nun nochmal tiefer geworden. US-Konservative vergleichen "Obamacare" bereits mit anderen liberalen Erfolgen am Obersten Gerichtshof, zum Beispiel der Legalisierung von Abtreibungen im Fall "Roe gegen Wade" 1973. Kaum ein anderes Thema treibt so zuverlässig Republikaner in die Wahllokale.

Mit "Obamacare" haben sie nun einen neuen Grund, am ersten Dienstag im November nicht zu Hause zu bleiben.

Quelle: ntv.de

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