Rede zur Lage der (wählenden) Nation Obama gibt Marschrichtung vor
25.01.2012, 11:51 Uhr
Vorgeschmack auf den Showdown im Herbst: Obamas Rede zur Lage der Nation.
(Foto: AP)
Solidarität und der Kampf gegen den Kongress der Nein-Sager: Das sind die Themen, mit denen Barack Obama um seine Wiederwahl kämpfen will. Den USA steht damit ein Duell der Ideologien bevor. Obamas republikanischer Wunschgegner für diese Schlacht ist ebenfalls klar: Mitt Romney.
Es fehlte eigentlich nur noch, dass Präsident Barack Obama die Kongressmitglieder zum Fahneneid aufforderte - nicht auf die normale Staatsflagge, sondern die signierte US-Flagge des SEAL-Teams, das Osama bin Laden getötet hat. Die sei nämlich heute sein "stolzester Besitz", sagte Obama am Ende einer kämpferischen Rede zur Lage der Nation. Der Familienvater, Ex-Professor und oberste Basketball-Fan der Nation war plötzlich zum militärischen Anführer mutiert.
"Diese Nation ist großartig, weil wir als Team zusammengearbeitet haben." Es war die Vision einer solidarischen USA, das Obama da entwarf - und der Einblick in die rhetorische Strategie, die sich der Präsident für seine Wiederwahl zurechtgelegt hat.
High Noon auf dem Capitol
Vor allem zwei Themen wird seine Kampagne im Herbst vor sich hertragen: Der Kampf gegen den widerborstigen US-Kongress und die Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Mit Umfragewerten auf einem historischen Tiefpunkt ist der Kongress dabei ein besonders dankbares Ziel: Beinahe neun von zehn US-Amerikanern ist mit der Arbeit der Abgeordneten unzufrieden. Spätestens seit der republikanischen Machtübernahme im Repräsentantenhaus 2010 herrscht Stillstand in Washington: Der Präsident will gegen die Krise anregieren, die Republikaner wittern hingegen eine "sozialistische" Revolution von oben und wollen den "Sozialstaat nach europäischem Vorbild" verhindern.
Und so bedienen sich Obama und sein Chef-Redenschreiber Jon Favreau einfach in der Geschichte: Schon Harry Truman beschwerte sich bei der Wahl 1948 über den "Do Nothing Congress", der sich seiner Politik verweigerte. Obama will sich nun bei der Strategie des Demokraten Trumans bedienen. "Lasst uns hier und jetzt einig werden", forderte er die Kongressabgeordneten auf, als die Sprache auf die viel diskutierte Verlängerung der Steuererleichterung für mittlere und kleine Einkommen kam. "Kein Theater, kein Drama, lasst uns das jetzt beschließen."
Mitt Romney
Einnahmen: 32,2 Millionen
Ausgaben: 17,6 Millionen
In der Kasse: 14,7 Millionen
Newt Gingrich
Einnahmen: 2,9 Millionen
Ausgaben: 2,5 Millionen
In der Kasse: 353.000
Rick Santorum
Einnahmen: 1,3 Millionen
Ausgaben: 1,1 Millionen
In der Kasse: 190.000
Ron Paul
Einnahmen: 12,6 Millionen
Ausgaben: 8,9 Millionen
In der Kasse: 3,7 Millionen
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Barack Obama
Einnahmen: 86,2 Millionen
Ausgaben: 27,1 Millionen
In der Kasse: 61,4 Millionen
Stand: Oktober 2010, Alle Angaben gerundet und in Dollar
Quelle: Open Secrets (unabhängiges Forschungsinstitut für Geldströme in der US-Politik)
Fast jede seiner Forderungen beendete Obama mit der gleichen Formel: Segnet meinen Vorschlag ab oder legt mir endlich ein Gesetz zur Unterschrift vor." So hielt es der Präsident nicht nur mit der Steuerreform, sondern auch mit den Regeln gegen Insiderhandel von Abgeordneten, mit der Förderung von energetischer Häusersanierung, mit der Integration gut ausgebildeter Ausländer und dem Ausbau der maroden Infrastruktur.
Reich gegen arm
Soziale Gerechtigkeit soll das zweite Standbein von Obamas Strategie werden. Speziell der Streit um Steuererhöhungen für Reiche rückt damit in den Vordergrund. "Wenn du mehr als eine Million Dollar im Jahr verdienst, solltest du nicht weniger als 30 Prozent Steuern zahlen", so Obama. Für den Rest der Bevölkerung, die 250.000 Dollar oder weniger verdienen, soll sich hingegen nichts verändern - laut Obama 98 Prozent des Volkes.
Die Reichen gegen den Rest des Landes: Es ist die Debatte, die sowohl von rechts als auch von links befeuert wird, von der Tea Party und der Occupy-Bewegung. Obama hat seine Seite klar gewählt und lässt es nun auf das ideologische Duell mit den Republikanern ankommen. "Nennt es Klassenkampf, wenn ihr wollt", sagte Obama. "Aber einen Milliardär zu bitten, mindestens so viel Steuern zu zahlen wie seine Sekretärin? Die meisten Amerikaner nennen das gesunden Menschenverstand."
Romney ist Obamas Favorit
Es war eine indirekte Kampfansage an Mitt Romney. Der hatte zuvor - nach heftiger Gegenwehr - seine Steuererklärung veröffentlicht. Das Ergebnis: Der Multimillionär zahlt mit einem Steuersatz von weniger als 15 Prozent weniger als die meisten US-Amerikaner. Und wenn es nach ihm (und seinem Rivalen Newt Gingrich) geht, wären es null Prozent gewesen, wenn es die Kapitalertragssteuer nicht mehr gebe, wie er es fordert.
Romney als das Paradebeispiel für die Gier der Wall-Street-Millionäre: Mit dieser Botschaft will Obama in den Wahlkampf ziehen. Damit lässt er es auf die ideologische Auseinandersetzung mit den Republikanern ankommen. Die nämlich appellieren an Amerikas Liebe zum Wettbewerb und dem individuellen Streben nach Erfolg. Obama und die Demokraten halten dem die Idee der sozialen Gerechtigkeit entgegen: Jeder soll seinen Traum verwirklichen dürfen, nicht nur die, die es sich leisten können.
Für diesen Kontrast braucht Obama Romney. Der aber kämpft noch mit Newt Gingrich um die Nominierung. Und nach der Wahl in South Carolina sieht es nach einer möglicherweise sehr langen Vorwahl aus. Auch die republikanische Partei wird mit Obamas Strategie unter Druck gesetzt: Der Mormone Romney ist nur die zweite Wahl, gilt aber als sichere Bank. Gingrich stößt auf massive Ablehnung innerhalb der Partei, doch ihn umweht nicht der Hauch des wohlhabenden Abzockers.
Es wird wohl keine Wahl, die das geteilte Land wieder zusammenbringt. Eher im Gegenteil: Obamas Rede an die Nation ist auch eine Kampfansage - und die Republikaner müssen nun entscheiden, wer den Fehdehandschuh des Präsidenten aufhebt.
Quelle: ntv.de