Politik

Komplimente und Entschuldigungen US-Wahlkampf zeigt Spuren

Es wurde zum Abend der unerwarteten Komplimente, Entschuldigungen und Klagen: Bei ihrer 21. Debatte binnen eines Jahres waren den Kontrahenten Hillary Clinton und Barack Obama die Spuren des langen und erbitterten Vorwahlkampfs deutlich anzumerken. Die demokratischen Präsidentschaftsbewerber zeigten sich verletzt und empfindlich, fanden sogar freundliche Worte füreinander - und wussten doch, dass ihr endloses Duell letztendlich immer stärker dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain in die Hände spielt.

Erstaunlich klagende Töne waren von Obama zu hören: "So ist nun mal die Politik heute", kritisierte er die Ausschlachtung seiner verunglückten Äußerung über frustrierte Amerikaner, die sich an Glauben oder Waffen klammerten. Es sei ein Problem der Politik, dass eine missglückte Bemerkung "zu Tode geritten wird". Auch Clinton tue dies. Jeder, auch Clinton, habe im Wahlkampf das Recht, Fehler zu machen. "Ich habe auch welche gemacht", so der schwarze Senator.

Politische Auseinandersetzung als "Sportveranstaltung"

Ein nachdenklicher Obama beklagte eine Tendenz, Kandidaten nach den Ausrutschern zu beurteilen. Die politische Auseinandersetzung in den USA verkomme dank der "spindoctors" (Wahlkampfstrategen) und der Medien immer mehr zu einer "Sportveranstaltung", wo es ständig nur um den Schlagabtausch der Kontrahenten gehe. Und wie hatte der Sender ABC für die TV-Debatte geworben? Mit dem Boxerslogan für das entscheidende Duell "One on One!" (Einer gegen Einen).

Der 46 Jahre alte Senator aus Illinois wirkte auf der Bühne des "National Constitution Center" in Philadelphia angespannt, etwas müde - und er war deutlich in der Defensive. "Obamas schwächster Debattenauftritt bisher" schrieb die "New York Times" am Donnerstag. Auch der stets positive und freundliche Obama spürt verstärkt die Hitze dieses erbitterten Wahlkampfs: Denn auch Anhänger nehmen ihm übel, dass er mit unbedachten Worten gläubige Christen und leidenschaftliche Jäger gegen sich aufgebracht hatte.

Einsicht in Fehler

Ausgerechnet in dem wegen seiner Hippie-, Drogen- und Schwulenszene bei vielen konservativen Amerikanern als Sündenpfuhl verschrienen San Francisco hatte Obama hinter verschlossenen Türen vor reichen Wahlkampf-Sponsoren die missverständlichen Formulierungen benutzt. Dafür entschuldigte er sich auch in Philadelphia wieder gewunden. Aber er weiß, dass er mit seinen Worten alle konservativen Vorurteile über die angeblich elitäre Arroganz liberaler, weltfremder Intellektueller bestätigt hatte.

Aber auch die Ex-First Lady wirkte nicht wirklich wie eine siegesgewisse Kandidatin auf dem Weg (zurück) ins Weiße Haus. "Peinlich" sei ihr die übertrieben Darstellung ihres Bosnienbesuchs 1996 - wo sie nicht, wie sie mehrfach behauptet hatte, von Heckenschützen empfangen worden war, sondern von Kindern mit Blumen. Hillary genoss zwar lächelnd die gequälten Erklärungen Obamas über die Hasstiraden seines Pastors Jeremiah A. Wright oder den fragwürdigen Hintergrund mancher seiner Unterstützer. Sie streut Salz in seine Wunden, wenn sie über Obamas San-Francisco-Worte spricht: Sie zeigten "ein totales Missverständnis von Religion und Traditionen. Ich kann verstehen, dass die Leute beleidigt sind."

Siegchancen für alle

Dann aber zerstörte sie auf die Frage nach den Siegesaussichten eines Präsidentschaftskandidaten Obama mit einem spontanen und heftigen "Ja, ja, ja!" die Strategie ihres Lagers, Obamas als chancenlos gegen McCain hinzustellen. Allerdings ließ sich Obama auch nicht lumpen und gestand ihr Siegeschancen zu, zudem betonten beide ihre gegenseitige Hochachtung.

Demokratische Parteistrategen fürchten, dass das Duell der Senatoren zusehends den Erfolg bei der Präsidentenwahl am 4. November gefährden könnte. Clinton und Obama hatten bei der Debatte mehrfach, aber eher vergeblich darauf verwiesen, dass es vor allem um die Auseinandersetzung mit McCain gehen werde. "Gleichgültig, welche Unterschiede wir haben, sie verblassen alle im Vergleich zu denen mit McCain", sagte Clinton. Am kommenden Dienstag wird sich bei der Vorwahl in Pennsylvania zeigen, ob das demokratische Dauerduell bald beendet werden kann. Das scheint nur möglich, wenn Clinton in einer ihrer politischen Hochburgen eine deutliche Niederlage hinnehmen müsste - sonst droht die demokratische Selbstzerfleischung weiter zu gehen.

Von Laszlo Trankovits, dpa

Quelle: ntv.de

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