Politik

Schuldsprüche in Madrid Über 40.000 Jahre Haft

Dreieinhalb Jahre nach den Bombenanschlägen auf Madrider Vorortzüge hat ein spanisches Gericht drei Terroristen zu jeweils weit über 30.00 Jahren Haft verurteilt. Ein mutmaßlicher Drahtzieher wurde aber überraschend freigesprochen. Zum Abschluss des "Jahrhundertprozesses" verhängte der Nationale Gerichtshof in Madrid Haftstrafen für 21 der insgesamt 28 Angeklagten.

Für sieben Beschuldigte gab es Freisprüche. Darunter war auch der Ägypter Rabei Osman el Sayed, in dem die Anklage einen Anstifter der Attentate vom 11. März 2004 gesehen hatte. Die Anschläge waren die verheerendsten in der spanischen Geschichte. Die zu einer islamistischen Zelle gehörenden Terroristen hatten in vier vollbesetzten Vorortzügen zehn Bomben zur Explosion gebracht. 191 Menschen kamen ums Leben, mehr als 1800 andere wurden verletzt.

Der Marokkaner Otman El Gnaoui erhielt 42.924 Jahre Haft, der Spanier Jos Emilio Surez Trashorras 34.715 Jahre. Sie hatten nach Ansicht der Richter aus einem Bergwerk den Sprengstoff für die Bomben besorgt. Bei dem früheren Bergmann Trashorras legte das Gericht wegen einer psychischen Störung mildernde Umstände zu Grunde. Seine Ex-Ehefrau, die einzige weibliche Angeklagte, wurde freigesprochen. Der Marokkaner Jamal Zougam wurde zu 42.922 Jahren Haft verurteilt. Er war nach dem Urteil der Richter einer der Bombenleger, die die Sprengsätze in den Zügen deponiert hatten.

Das exorbitante Strafmaß ist auf das Fehlen einer "lebenslangen" Haft im spanischen Recht zurückzuführen. Bei der Urteilsfindung werteten die Richter jede Tötung bei den Anschlägen als Mord, bei jedem Verletzten legten sie einen Mordversuch zugrunde und zählten die sich so ergebenden Einzelstrafen zusammen. Die Verurteilten dürfen jedoch höchstens 40 Jahre lang inhaftiert werden.

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, sie werde keine Berufung einlegen. Ministerpräsident Jos Luis Rodrguez Zapatero betonte, Spanien könne stolz auf seine Justiz sein. Demgegenüber protestierten Vertreter von Opfern der Anschläge gegen die Freisprüche. Sie bezeichneten die Urteile als zu milde und kündigten an, die Entscheidung der Richter anzufechten.

18 Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen 3 und 23 Jahren verurteilt. Bei ihnen sah es das Gericht als erwiesen an, dass sie Mitglieder einer terroristischen Vereinigung waren oder die Terroristen unterstützt hatten. Sieben mutmaßliche Bombenleger, darunter die mutmaßlichen Anführer der Zelle, hatten nicht vor Gericht gestanden. Sie hatten sich drei Wochen nach den Anschlägen in der Madrider Vorstadt Legans selbst in die Luft gesprengt, als sie in einer Wohnung von Polizisten umstellt worden waren.

Die Opfer der Anschläge erhalten je nach Grad ihrer Verletzungen Entschädigungen zwischen 30.000 und 1,5 Millionen Euro. Bei vielen Angeklagten blieb das Gericht mit dem Strafmaß weit unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Dies galt nicht nur für den freigesprochenen El Sayed, sondern auch die Hauptangeklagten Hassan el Haski und Youssef Belhadj. Die beiden Marokkaner erhielten 15 beziehungsweise 12 Jahre Haft. Ihnen konnte nach Ansicht der Richter zwar die Zugehörigkeit zu der Terrorzelle, aber keine Beteiligung an den Anschlägen nachgewiesen werden. Die Anklage hatte fast 40.000 Jahre Haft gefordert.

Damit ließ das Gericht es offen, wer die Führer und Drahtzieher der Terroristen waren. Eine Verwicklung der baskischen Untergrundorganisation ETA in die Attentate schloss es völlig aus. Dafür gebe es nicht den geringsten Anhaltspunkt, sagte der Vorsitzende Richter Javier Gmez Bermdez. Die vorige konservative Regierung in Spanien hatte nach den Anschlägen zunächst die ETA für das Blutbad verantwortlich gemacht. Die Entscheidung der drei Richter unter Vorsitz von Gmez Bermdez fiel einstimmig.

Quelle: ntv.de

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