Politik

Der Kriegstag im Überblick Ukraine erobert Ortschaft zurück - Habeck hält zwei AKW in Reserve

Die Bewertungen der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Cherson fallen bei Experten sehr unterschiedlich aus.

Die Bewertungen der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Cherson fallen bei Experten sehr unterschiedlich aus.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Ukraine meldet erfolgreiche Rückeroberungen im Süden des Landes. Experten sind jedoch skeptisch, ob die Gegenoffensive große Wirkung entfalten wird. Im Atomkraftwerk Saporischschja bleibt die Lage ernst, der letzte Reaktor muss heruntergefahren werden. In Deutschland ist das AKW-Aus dagegen aufgeschoben. Der 194. Kriegstag im Überblick:

US-Thinktank sieht ukrainische Erfolge in Cherson

Das zentrale Kampfgeschehen in der Ukraine findet derzeit weiterhin in der Region Cherson im Süden sowie im Donbass im Osten des Landes statt. Nach Angaben des "Institute for the Study of War" erzielen die ukrainischen Truppen dabei im Süden und Osten "nachweisbare Fortschritte". Die ukrainischen Streitkräfte rückten entlang mehrerer Achsen in der westlichen Region Cherson vor und hätten Gebiete jenseits des Flusses Siverskij Donez unter ihre Kontrolle gebracht. Die ukrainischen Streitkräfte zielten darauf ab, "den Russen den notwendigen Nachschub zu entziehen, ihre Befehls- und Kontrollstrukturen zu stören und ihre Moral zu schwächen, selbst wenn die Bodenangriffe der Gegenoffensive weitergehen". Es gäbe jedoch auch immer wieder russische Gegenstöße und gelegentliche Rückeroberungen.

Großbritannien: Russlands Fokus weiterhin auf Donbass

Laut britischem Geheimdienst liegt der Fokus der russischen Streitkräfte nach wie vor auf der Eroberung des Donbass. Allerdings seien die russischen Streitkräfte nur etwa einen Kilometer pro Woche in Richtung Bachmut vorgerückt, hieß es in dem Bericht. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte ihr Ziel, die gesamte Region Donezk zu erobern, erreichten. Dies würde die Pläne Russlands, Volksabstimmungen über den Beitritt der besetzten Gebiete zur Russischen Föderation durchzuführen, weiter erschweren.

Russen schieben Referendum in Cherson auf

Mit dem Referendum in der Region Cherson ist genau das passiert. Laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS wird das dort lange angekündigte Referendum zur Eingliederung der Region ins russische Staatsgebiet zunächst aufgeschoben. Begründet wurde dies mit der schwierigen Sicherheitslage. Nach wochenlanger Bombardierung durch ukrainische Truppen sei die Fahrt über die wichtige Antoniwkabrücke per Auto nicht mehr möglich, zitierte TASS den von Russland eingesetzten Vizechef der Stadt Cherson, Kirill Stremoussow.

Ukraine muss laut Petraeus Offensive noch besser koordinieren

Wenn es nach der Einschätzung von Ex-CIA-Chef David Petraeus geht, wird das Referendum auch noch länger auf sich warten lassen. Denn er glaubt auch an weitere Erfolge der ukrainischen Truppen im Süden der Ukraine. "Die Ukrainer haben ihre Verteidigungsoperationen mit Bravour gemeistert, die Schlachten von Kiew, Sumy und Tschernihiw gewonnen und die Russen aus der Artilleriereichweite von Charkiw verdrängt. Sie haben aber noch nicht dieselbe Kompetenz bei der Durchführung von Offensivoperationen mit verbundenen Waffen unter Beweis gestellt", sagte Petraeus der Zeitung "Welt". Dafür müsse das Zusammenspiel aller Truppenteile inklusive der logistischen Unterstützung noch besser werden. Die kommenden Tage würden aber zeigen, ob das dafür notwendige Fachwissen bei den ukrainischen Truppen vorhanden ist.

Gressel: Ukraine fehlen Truppen für Offensive

Kleinere Erfolge der Ukrainer sieht auch der Militärexperte Gustav Gressel im Interview mit ntv. Seiner Einschätzung nach bricht in Cherson derzeit aber dennoch nicht die russische Frontlinie zusammen. Die ukrainischen Truppen würden es aktuell sehr gut verstehen, die jeweiligen Schwachstellen der russischen Truppen zu identifizieren und dort gezielt zuzuschlagen. Ob dies jedoch von Dauer ist, sei offen. Eigentlich fehle den ukrainischen Truppen die zahlenmäßige Truppenüberlegenheit, um tief in die durch die Russen eroberten Gebiete vorzustoßen. Militärexperten legen ein Verhältnis von drei zu eins für Offensivaktionen an. Das sei nicht der Fall, die russischen Truppen hätten allerdings in der Region Cherson mit erheblichen Logistikproblemen zu kämpfen, so der Experte.

Russen verweigern angeblich den Dienst

Nach Angaben des "Kyiv Independent" unter Berufung auf das Einsatzkommando "Süd" der ukrainischen Armee soll sich das russische 127. Regiment des 1. Armeekorps geweigert haben, seine Aufgaben zu erfüllen. Nach Angaben des ukrainischen Militärs ergriffen Spezialdienste der russischen Besatzungstruppen bereits Disziplinarmaßnahmen gegen die Soldaten. In Sankt Petersburg treibt der stetig wachsende Mangel an Soldaten nun fragwürdige Blüten. Dort sollen freiwillige Kämpfer offenbar in einer psychiatrischen Einrichtung angeworben werden. Ein Flyer auf der Homepage der Einrichtung ruft dazu auf, sich den Freiwilligenbataillionen anzuschließen. Auf einem Werbebanner wird erklärt, wie man die psychiatrische Untersuchung zum Tragen einer Waffe bestehe.

Ukraine erhält Geld für Flüchtlinge und Landwirte von EU

Auch die Ukraine braucht weiterhin viele Soldaten. Bei deren Ausbildung will sich Großbritannien künftig noch stärker engagieren. Die Ausbildung der Trainingskurse wurde nach Angaben von Sky News von drei auf fünf Wochen verlängert. Seit Beginn der Ausbildung im Juni haben dem Bericht zufolge 4700 Ukrainer die Ausbildung auf Militärstützpunkten im Norden, Südwesten und Südosten Englands durchlaufen. Die Ukraine erhält auch im zivilen Bereich weitere Unterstützung aus Europa. Laut einem Abkommen, das die EU-Kommission mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal in Brüssel unterzeichnete, sollen die vereinbarten 500 Millionen Euro Binnenflüchtlingen und Landwirten zugutekommen.

Letzter Reaktor in Saporischschja runtergefahren

Unterstützung könnte das Land auch bei der Energieversorgung brauchen. Nach Angaben des ukrainischen Energieministeriums auf Facebook, haben rund 601.000 Menschen keinen Strom - viele von ihnen aus den Regionen der selbsternannten "Volksrepubliken" Luhansk, aber auch aus Mykolajiw. Rund 235.700 Menschen erhalten demnach auch kein Gas. Ein Grund für Probleme mit der Stromversorgung ist sicherlich die Lage rund um das Atomkraftwerk Saporischschja. Dort wurde der letzte noch arbeitende Reaktor am Nachmittag vom Netz genommen. Dies teilte der staatliche ukrainische Betreiber Energoatom im Messengerdienst Telegram mit. Grund sei ein durch Angriffe ausgelöstes Feuer, das eine Stromleitung zwischen dem Kraftwerk und dem ukrainischen Stromnetz beschädigt habe. Am Vormittag warnte der Betreiber, das AKW arbeite wegen massiven Beschusses aktuell unter der Gefahr, gegen den Strahlen- und Brandschutz zu verstoßen. Der letzte betriebene Block 6 versorge das ukrainische Stromnetz und das AKW selbst.

Bundesregierung hält zwei AKW in Reserve

Atomkraftwerke waren auch in Deutschland heute ein Thema. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 als Reserve über das Jahresende am Netz halten. Das geht aus einer Mitteilung des Ministeriums hervor, die ntv vorliegt. Die AKW sollen bis Mitte April eine Einsatzreserve zur Versorgungssicherheit bilden, dann könnten sie in bestimmten Stresssituationen das Netz stabilisieren. Das sei auch das Ergebnis eines Stresstests im Auftrag des Ministeriums. Das dritte verbliebene AKW Emsland könne aber wie vorgesehen zum Jahresende abgeschaltet werden.

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Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/rts

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