Zehntausende fordern Janukowitsch-Rücktritt Ukrainer räumen Rathaus von Kiew
16.02.2014, 15:28 Uhr
Martialisch gekleidet verlassen die ukrainischen Oppositionellen das Rathaus von Kiew, das sie seit Anfang Dezember besetzt hatten. Präsident Janukowitsch hat ihre Forderung erfüllt, inhaftierte Regierungsgegner freizulassen. Der Protest gegen die Staatsmacht in der Ukraine geht aber dennoch weiter. Oppositionspolitiker wie Julia Timoschenko fordern nach wie vor den Rücktritt Janukowitschs.
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Seit über zwei Monaten besetzen ukrainische Oppositionelle das Rathaus von Kiew - bis jetzt. Sie räumen das "Hauptquartier der Revolution", weil Präsident Janukowitsch eine wichtige Forderung erfüllt hat. Für Begeisterung sorgt er damit dennoch nicht.

Ruslan Adrijko (r.) und der Schweizer Botschafter Christian Schoenenberger schütteln sich die Hände, nachdem die Demonstranten das Rathaus von Kiew verlassen haben.
(Foto: dpa)
In der Ukraine deutet sich eine gewisse Entspannung an. Nach elfwöchiger Besetzung hat die ukrainische Opposition das Rathaus der Hauptstadt Kiew geräumt und so eine zentrale Forderung des umstrittenen Staatschefs Viktor Janukowitsch erfüllt. "Wenn die Behörden ihre Zusagen nicht einhalten, werden wir das Rathaus aber wieder stürmen", warnte der Protestführer Ruslan Andrijko. Oppositionsführer Arseni Jazenjuk kündigte an, am Montag in Berlin für EU-Finanzhilfen werben zu wollen.
Am Morgen strömten zunächst zahlreiche Demonstranten aus dem Rathaus heraus. Sie verließen das Gebäude in Begleitung von maskierten Männern in Tarnkleidung, die sie seit Wochen vor den Sicherheitskräften beschützt haben. Später übergab Andrijko das Gebäude in einer Zeremonie an die Behörden.
Im Beisein des Schweizer Botschafters in der Ukraine, Christian Schoenenberger, wurde vor dem Rathaus ein Dokument zur Übergabe unterzeichnet. Die Schweiz hat derzeit den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne. Zehntausende forderten wieder den Rücktritt Janukowitschs.
Andrijko kündigt weitere Proteste an
Die Kritiker des Präsidenten hatten das Rathaus und zahlreiche weitere Gebäude Anfang Dezember besetzt. Es galt seitdem als "Hauptquartier der Revolution" in der Ukraine. Zudem blockierten sie wichtige Straßen. Das Abkommen mit der Regierung sieht Straffreiheit für die Demonstranten vor, wenn sie bis Montag die Ämter räumen und einige der wichtigsten Zufahrtswege freigeben. Die Proteste sind immer wieder in Gewalt umgeschlagen, mindestens sechs Menschen starben.
Laut Protestführer Andrijko wollen die Regierungsgegner erst einmal vor dem Rathaus bleiben und weiter gegen Janukowitsch protestieren. Sie hielten zudem weitere öffentliche Gebäude in Kiew und anderen ukrainischen Städten besetzt. Janukowitsch hatte eine Frist zur Räumung besetzter öffentlicher Orte bis Montag gesetzt. Dies ist Bedingung, damit eine vor zwei Wochen beschlossene Amnestie für die während der Proteste festgenommenen Demonstranten in Kraft treten kann. Laut Staatsanwaltschaft wurden alle 234 inhaftierten Demonstranten bereits freigelassen, doch blieben die gegen sie vorgebrachten Vorwürfe vorerst bestehen.
Am Sonntagmittag versammelten sich erneut zehntausende Regierungsgegner auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Die Opposition fordert weiter den Rücktritt Janukowitschs, eine Änderung der Verfassung und baldige Neuwahlen. Bereits am Samstag kündigte Jazenjuk an, die Regierungsgegner wollten weiterhin auf dem Unabhängigkeitsplatz bleiben, um für ihre Forderungen zu demonstrieren.
EU soll der Ukraine helfen
Bei der Kundgebung am Sonntag verkündete Jazenjuk, die Opposition wolle Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem für Montag geplanten Treffen in Berlin um finanzielle Unterstützung der Europäischen Union bitten. "Wir brauchen Hilfe, keine Worte, sondern Taten", sagte er. Neben Jazenjuk soll auch der Oppositionelle Vitali Klitschko an dem Treffen mit Merkel teilnehmen.
Der ukrainische Oppositionelle Dmitro Bulatow lehnte bei einer Pressekonferenz in Berlin die Räumung der öffentlichen Plätze und Gebäude ab. "Es gibt Bedingungen, die kann man nicht erfüllen", sagte der 35-Jährige, der im Januar nach eigenen Angaben verschleppt und gefoltert worden war. Bulatow soll am Montag im Auswärtigen Amt vorsprechen.
Die inhaftierte frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hielt ebenfalls an der Forderung nach dem Rücktritt Janukowitschs fest. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Dserkalo Tyschnija" sagte sie: "Das einzige Thema der Verhandlungen mit Janukowitsch sind die Bedingungen seines Abgangs."
Quelle: ntv.de, vpe/AFP/dpa/rts