Und Merkel schweigt Umweltbewegung droht Koalition
19.08.2010, 22:34 UhrDie Kernkraftgegner rufen zum "Heißen Herbst" gegen die Atompläne der Koalition auf. Im September soll im Regierungsviertel gegen längere Laufzeiten demonstriert werden. Die Kanzlerin äußert sich unterdessen auf ihrer "Energie-Reise" auch weiterhin nicht zu den brennendsten Themen.
Mit einer großen Anti-Atom-Demonstration wollen Umweltschützer Mitte September in Berlin gegen die von der Regierung geplanten längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke protestieren. Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Parteien und Gewerkschaften wollen am 18. September zehntausende Bürger im Regierungsviertel auf die Straße bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte unterdessen bei einem Besuch der Leipziger Energiebörse EEX mehr Transparenz auf Europas Energiemarkt, schwieg aber weiter zu der umstrittenen Brennelementesteuer.
Im Konflikt um die Verlängerung der Laufzeiten herrscht unter Experten weiter Uneinigkeit darüber, ob die Regierung die Entscheidung ohne die Zustimmung des Bundesrates treffen darf. Berliner Verfassungsrechtler kommen nach Darstellung von Grünen und SPD in einem neuen Gutachten zu dem Ergebnis, dass Schwarz-Gelb die Länderkammer in dieser grundlegenden Frage nicht ausschalten dürfe.
Dazu sagte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) in Mainz: "Rheinland-Pfalz fühlt sich in seiner Auffassung bestätigt, dass jegliche Laufzeitverlängerung der Zustimmung des Bundesrates bedarf."
So sehen es auch die Grünen im Bundestag. Umgehe die Koalition den Bundesrat, "provoziert Schwarz-Gelb endlose Gerichtsverfahren und jahrelange Rechtsunsicherheit", sagte Umweltexpertin Bärbel Höhn. Union und FDP hatten mit der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen ihre Mehrheit in der Länderkammer verloren. Derzeit prüfen Justiz- und Innenministerium die Rechtslage.
"Heißer Herbst" für die Koalition

Im vergangenen September forderten Zehntausende in Berlin die Abschaltung aller Kernkraftwerke.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Anti-Atom-Bewegung kündigte der Koalition einen "heißen Herbst" mit bundesweiten Kundgebungen an. Höhepunkt sei der Protest am 18. September im Berliner Regierungsviertel. Es seien bereits zwei Sonderzüge und 30 Busse angemeldet worden. Der Sprecher der Organisation "ausgestrahlt", Jochen Stay, sagte: "Wir werden alles dransetzten, die Regierungspläne zu stoppen."
Die Kundgebung in Berlin bildet demnach den Auftakt zu einer Reihe von Protesten im ganzen Bundesgebiet. Höhepunkt soll im November eine Demonstration gegen das geplante Atom-Endlager Gorleben sein.
Die Protestbewegung habe eine große Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite, betonte Thorben Becker vom BUND. Die Regierung hingegen sei in der Frage der Laufzeitverlängerung "heillos zerstritten". Auch wenn die Energiekonzerne weiterhin enormen Druck auf die Bundesregierung ausübten, habe die Protestbewegung die Chance, "das Zünglein an der Waage zu sein", hoffte Stay.
Weiter Unklarheit über Atom-Steuer
Die Bundesregierung will bis zum 1. September Klarheit über die umstrittene Brennelementesteuer oder eine andere Milliardenabgabe der Stromkonzerne schaffen. Ende September soll die Entscheidung zum künftigen Energie-Mix und den Laufzeiten der Kernkraftwerke fallen. Aktuell hält die Regierung noch an der im Juni auf der schwarz-gelben Sparklausur verabredeten Atomsteuer fest, die ab 2011 jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen soll.
Als Gegenleistung für den Steuer-Verzicht wollen die Konzerne nun die Hälfte der erwarteten Milliarden-Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten ihrer Reaktoren an den Staat abgeben. "Sollte Merkel die Brennelementesteuer fallenlassen, wäre das ein einzigartiger Kniefall der Bundeskanzlerin vor der Atomindustrie", kritisierte Greenpeace.
Merkel schweigt

Angela Merkel beschäftigte sich in Leipzig lieber mit den Feinheiten des Stromhandels als mit Fragen zur Atompolitik.
(Foto: APN)
Merkel sprach sich in Leipzig für mehr Offenheit auf dem Energiemarkt aus. Die Kooperation der Leipziger Energiebörse EEX mit der französischen Powernext setze europäische Maßstäbe und erleichtere es, einheitliche Standards in Europa durchzusetzen, sagte die Kanzlerin.
Zum geplanten Energiekonzept und zum Streit um die Brennelementesteurer äußerte sich Merkel nicht. Die Kanzlerin besucht auf ihrer Energie-Reise insgesamt zehn Standorte in sechs Bundesländern, die weitgehend den deutschen Energiemix abbilden. Sie will sich ein eigenes Bild von der Energiewirtschaft in Deutschland verschaffen. Merkel setzt ihre Reise am 26. und 27. August fort.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP