Politik

"FDP betreibt mentale Aufrüstung" Union bügelt Lindner ab

Die Union wirft Lindner vor, er beschwöre einen Generationenkonflikt herauf.

Die Union wirft Lindner vor, er beschwöre einen Generationenkonflikt herauf.

(Foto: dapd)

Der Liberalen schneidiger Parteimanager sorgt dafür, dass es in der Koalition weiter grummelt. CDU und CSU versenken Lindners Vorschlag, älteren Arbeitslosen die ALG-Bezugsdauer zu kürzen. Erst 2008 - und zwar unter Federführung der Union - war die Bezugsdauer für diese Versicherten verlängert worden.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner stößt mit seinem Vorschlag, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I bei Älteren zu verkürzen, auf massive Kritik aus den Reihen der Union. "Wenn wir die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld bei Älteren verkürzen, erhöhen wir dadurch nur die Zahl der Hartz-IV-Bezieher", sagte Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, den Dortmunder "Ruhr-Nachrichten". Die Sozialversicherung würde zwar Geld sparen, dafür wäre der Bund gezwungen, entsprechend mehr Arbeitslosengeld II zu zahlen. "Das ist Politik nach dem Motto: linke Tasche, rechte Tasche", kritisiert der CDU-Politiker.

Der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe Max Straubinger hält Lindners Vorstoß für unsozial. "Die Arbeitsagenturen versuchen ohnehin, jedem eine Arbeit zu vermitteln, so schnell es möglich ist", sagte er den "Ruhr Nachrichten". Für ältere Arbeitnehmer fänden sich jedoch trotz Verbesserungen der Arbeitsmarktlage immer noch nicht genügend Jobs. "Das längere Arbeitslosengeld für Ältere ist ein Sozialstaatsgebot."

Das CDU-Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die 2008 verlängerte Bezugsdauer für Ältere sei sozialpolitisch gerechtfertigt: "Ich halte es für sozialpolitisch gerechtfertigt, wenn jemand, der jahrzehntelang gearbeitet hat, einen längeren Anspruch auf Arbeitslosengeld hat als derjenige, der nur wenige Jahre gearbeitet hat."

Der Vizechef des Arbeitnehmerflügels der Unionsfraktion im Bundestag, Matthias Zimmer, warf der FDP vor, sie betreibe "eine mentale Aufrüstung zum Generationenkonflikt". Lindners Vorschlag sei nicht durchdacht: "Ältere Arbeitnehmer brauchen länger, um wieder in Arbeit zu kommen." Unions-Vizefraktionschefin Ingrid Fischbach erklärte, sie sehe keinen Anlass, die Regelungen zu ändern. Das Bundesarbeitsministerium unter Ursula von der Leyen (CDU) erklärte, es plane keine Änderung. Auch SPD und Grüne sowie Gewerkschaften und Sozialverbände lehnten den Vorstoß ab.

FDP gegen "Quasi-Frühverrentung"

Wegen der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften hat sich die FDP dafür ausgesprochen, älteren Arbeitnehmern das Arbeitslosengeld I weniger lang als bisher zu bezahlen. Der Vorstoß ist Teil eines Reformprogramms der FDP für den Arbeitsmarkt. Lindner hatte dem "Handelsblatt" gesagt: "Die Lage auf dem Arbeitsmarkt erfordert keine Quasi-Frühverrentungsformen. Ältere Arbeitnehmer werden als Fachkräfte gebraucht." Mit der Verkürzung der Bezugsdauer könnten bis zu 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. Derzeit wird das Arbeitslosengeld I für über 58-Jährige bis zu 24 Monate bezahlt.

Das Arbeitsmarkt-Experte Ulrich Walwei warnte davor, die Bezugsdauer in einem isolierten Schritt zu kürzen. "Der Vorschlag ist dann überlegenswert, wenn er mit sichtbaren Schritten für eine Verbesserung der Erwerbstätigkeit im Alter verbunden wird", sagte der Vize-Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der "Frankfurter Rundschau". Nötig seien etwa gezielte Weiterbildung und altersgerechte Arbeitsplätze.

"Irrsinnige Vorschläge"

Lindner forderte auch, die Verdienstgrenzen für 400-Euro-Jobs sowie die Midi-Jobs von 400 bis 800 Euro anzuheben. Faktisch würde dies eine Ausweitung dieser Jobs bedeuten, für die geringere Sozialabgaben anfallen.

SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil sprach von "irrsinnigen Vorschlägen" der FDP, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stoppen müsse. Ähnlich äußerten sich Grüne, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Sozialverband VdK. Unterstützung erhielt die FDP vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der seit jeher für eine kürzere Zahldauer eintritt.

Dauerstreitthema Zahldauer

Über die Zahldauer des regulären Arbeitslosengeldes hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Streit gegeben. Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde es mit der Agenda 2010 für Ältere von 32 auf 18 Monate verkürzt. Die Große Koalition aus Union und SPD weitete die Zahldauer für Ältere im Jahr 2008 wieder aus. Die FDP wandte sich damals dagegen, ebenso wie die Bundesagentur für Arbeit (BA). Unter Arbeitsmarktexperten herrscht die Auffassung vor, dass eine längere Zahldauer die Rückkehr Älterer in den Arbeitsmarkt eher erschwert: Eine Vermittlung auf einen Arbeitsplatz erweist sich als umso schwieriger, desto länger der letzte Job zurückliegt.

In der Regel wird das Arbeitslosengeld längstens zwölf Monate gezahlt. Für über 50-Jährige beträgt die Zahldauer aber 15 Monate, ab 55 Jahren 18 Monate und für über 58-Jährige 24 Monate. Die Ausweitung auf zwei Jahre für Ältere wurde 2008 vor allem sozialpolitisch begründet. In der SPD hatte dies im Herbst 2007 zum Streit des damaligen Bundesarbeitsministers Franz Müntefering mit Parteichef Kurt Beck geführt. Müntefering lehnte die Verlängerung ab, während Beck mit der Initiative für die Gesetzesänderung einen CDU-Vorstoß aufgriff.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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