Rüge wegen Sicherungsverwahrung Union hält Urteil für falsch
14.01.2011, 12:54 UhrDas Urteil des EU-Gerichtshofes für Menschenrechte über die nachträgliche Sicherungsverwahrung lässt an Eindeutigkeit offenbar zu wünschen übrig: CDU-Innenpolitiker Busemann stellt sich stur und fordert eine Klärung in Karlsruhe. Auch sein Kollege Bosbach meldet Bedenken gegen das Urteil an.

Das Urteil des Gerichtshofes ruft bei einigen Innenpolitikern Unverständnis hervor.
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Die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Sicherungsverwahrung in Deutschland und die daraus zu ziehenden Konsequenzen sind umstritten. Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann kündigte an, die Straßburger Rüge werde auf die zehn Sicherungsverwahrten in seinem Bundesland keine Auswirkungen haben. "Der Niedersachse bleibt stur. Ich lasse keinen raus", kündigte der CDU-Politiker in der "Berliner Zeitung" an. Der Bundesgerichtshof habe schließlich erst im vergangenen November entschieden, dass ein früheres Urteil des Straßburger Gerichts keine Entlassungsautomatik beinhalte.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Bundesrepublik erneut in vier Fällen verurteilt. Er stellte einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention fest. Weil zahlreiche Fälle umstritten sind und angefochten werden, könnten die Gerichte gezwungen sein, weitere Täter freizulassen.
Niedersachsens Justizminister forderte das Bundesverfassungsgericht auf, das Problem der nachträglichen Sicherungsverwahrung endlich grundsätzlich zu klären. "Es wird Zeit, dass Karlsruhe spricht." Die Justiz müsse wissen, ob die Haltung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gelte oder die bisherige Rechtsprechung aus Karlsruhe, forderte Busemann. Karlsruhe hatte 2004 geurteilt, dass die damals mögliche nachträgliche Verhängung der Sicherungsverwahrung mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Bosbach: Urteil "problematisch"
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hält die erneute Rüge aus Straßburg für problematisch. Es gehe in einem Fall um einen Sexualstraftäter, der in der Haft jede Therapie abgelehnt habe und dem Gutachter bescheinigen, dass eine hohe Rückfallgefahr bestehe, sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Bosbach teilt nicht die Auffassung des EGMR, Deutschland habe europarechtliche Vorgaben nicht hinreichend beachtet. "Wir haben bereits mit der neuen umfassenden gesetzlichen Regelung der Sicherungsverwahrung auf die Rechtsauffassung der europäischen Richter reagiert." Über die neue Regelung zur sogenannten Sicherungsunterbringung hinaus sehe er keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
Für die Sorgen vieler Menschen vor entlassenen Straftätern äußerte Bosbach Verständnis. "Wir können leider nicht davon ausgehen, dass jeder Gewaltverbrecher resozialisierbar ist, wenn sich der Staat mit der Resozialisierung nur genug Mühe gibt." Es werde immer einige Täter geben, die eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit seien, sagte er.
Der Vorsitzende der Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, pflichtete Bosbach bei. Die Bevölkerung könne nicht hundertprozentig vor Gewalttätern geschützt werden. "Es bleiben Risiken, die in einer Abwägung der Rechte der Betroffenen mit dem Sicherheitsanspruch der Bevölkerung hingenommen werden müssen", erklärte er in der Hallenser "Mitteldeutschen Zeitung".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP