Politik

Bündnis für die Euro-Rettung Union kämpft um jede Stimme

Merkel kann die Bedenken in der schwarz-gelben Koalition gegen eine stärkere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa nicht ausräumen.

Merkel kann die Bedenken in der schwarz-gelben Koalition gegen eine stärkere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa nicht ausräumen.

(Foto: dpa)

Vor der Abstimmung über den Euro-Rettungsfonds EFSF geht es für die schwarz-gelbe Koalition nicht nur um die eigene Mehrheit, sondern gleich um die ganze Regierung. Die CSU will der Kanzlerin nicht in die Parade fahren. Deshalb versichert Parteichef Seehofer ihr die volle Rückendeckung, macht aber auch klar: bis hierher und nicht weiter. Die SPD bietet sich als Retter an und zieht eigene rote Linien.

Die CSU steht bei der Euro-Rettung hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), lehnt aber eine europäische Wirtschaftsregierung oder einen europäischen Finanzminister strikt ab. Gleichzeitig pocht die Partei auf eine enge Einbindung des Bundestags im Kampf gegen die derzeitige Schuldenkrise und droht Schuldensündern mit schärferen Sanktionen. Das machten CSU-Chef Horst Seehofer und weitere CSU-Politiker vor einer Sitzung des Parteipräsidiums in München deutlich. Eurobonds lehnt die Partei ab. "Wir sind strikt dagegen, mit welchem Instrument auch immer, dass es zu einer Vergemeinschaftung von Schulden kommt", sagte Seehofer.

Seehofer will die Schulden auf keinen Fall vergemeinschaften.

Seehofer will die Schulden auf keinen Fall vergemeinschaften.

(Foto: dpa)

Seehofer betonte, die CSU stehe zu dem, was Merkel mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy vereinbart habe. Die CSU befürworte eine Schuldenbremse in den Euro-Ländern, eine Finanztransaktionssteuer und auch eine bessere Abstimmung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Seine Partei wolle eine "bessere und dichtere Koordination der nationalen Wirtschaftspolitiken" - . Wichtig sei, dass die vereinbarten Stabilitätskriterien eingehalten werden. Die Idee einer europäischen Wirtschaftsregierung wies der CSU-Vorsitzende klar zurück. "Ich glaube, an Gremien fehlt's in Europa wirklich nicht."

Der CSU-Chef stellte eine breite Zustimmung seiner Partei zur Reform des Euro-Rettungsschirms in Aussicht. Es müsse aber noch festgehalten werden, in welcher Form der Bundestag beim Kampf gegen die Schuldenkrise künftig beteiligt wird. Denn das Parlament sei "Treuhänder des Geldes der Steuerzahler". Ein Kompromiss könne sein, dass der gesamte Bundestag für nötige "Grundentscheidungen" zuständig wäre, der Haushaltsausschuss dann aber für den "operativen Vollzug". "Das halte ich für einen durchaus vertretbaren gedanklichen Ansatz."

Sorge um demokratisches Prozedere

Euro-Skeptiker Peter Gauweiler sagte, er wünsche Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) "wirklich alles Gute bei ihrer Euro-Rettung". "Aber ich wäre halt dankbar, wenn man die Demokratie nicht abschaffen würde dabei", fügte er hinzu.

Merkel muss den "Korb machen", sonst wird die Führungsfrage neu gestellt.

Merkel muss den "Korb machen", sonst wird die Führungsfrage neu gestellt.

(Foto: dpa)

Seehofer machte deutlich, dass die CSU zur europäischen Integration stehe und einen starken Euro wolle. "Wir wollen beides." CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte dazu, die CSU steuere einen "echten Stabilitätskurs" für die europäische Währung.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt drohte Schuldensündern mit einem Ausschluss aus der Euro-Zone. Es könne nicht sein, dass Länder wie Deutschland in Dauer-Mithaftung "für die faulen Kredite der Schuldenländer" genommen würden. Deshalb müsse man über eine Art Insolvenzverfahren für die betroffenen Staaten nachdenken. "Dazu gehört, dass diejenigen Länder, die dauerhaft nicht willens und bereit sind, sich an die Stabilitätskriterien zu halten, dass man für die eine Möglichkeit finden muss, aus dem Euro-Raum auszusteigen."

Gewissensentscheidung

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach forderte die Aufhebung des Fraktionszwangs bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm. Die Abgeordneten müssten angesichts der enormen Risiken, die mit dem Hilfsfonds für hoch verschuldete Euro-Staaten verbunden seien, frei entscheiden können, sagte Bosbach Reuters TV. "Ja, das ist eine Gewissensfrage. Nicht nur bioethische Fragen sind eine Gewissensfrage." Zuletzt unterlagen die Abgeordneten des Bundestags bei der Abstimmung über die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) im Juli nicht dem Fraktionszwang.         

Bosbach hat wiederholt gesagt, dass er dem Rettungsschirm nicht zustimmen könne. Er bekräftigte erneut, der EFSF sei "eine Insolvenzversicherung für Länder, die über ihre Verhältnisse leben". Und die Versicherungskosten müssten dann andere Euro-Staaten tragen. Innerhalb der Unionsfraktion ist das Abstimmungsverhalten dazu noch umstritten.

Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) mahnte die Koalitionäre: "Wenn die Koalition die eigene Kanzlermehrheit (...) nicht erreichen würde, stellen sich natürlich sofort machtpolitische Fragen. Das muss allen Kollegen klar sein." Wenn Rot-Grün alleine das Sagen hätte, würde man genau das bekommen, was man verhindern wolle: eine Transferunion mit einer Vergemeinschaftung der Schulden, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Meister warb für eine abgestufte Mitsprache des Bundestags: Zustimmungsbedarf bei Kreditgewährung an weitere Länder, Kontrolle des exekutiven Handelns durch den Haushaltsausschuss.

SPD bekräftigt Zustimmungsbereitschaft

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Bundesregierung Versagen im Umgang mit der Euro-Krise vor, betonte aber zugleich die Bereitschaft seiner Partei, dem Euro-Rettungsschirm im Bundestag zuzustimmen. "Wir würden einem vernünftigen Paket zustimmen, unabhängig davon, ob die Regierung eine eigene Mehrheit hat", sagte Gabriel nach der SPD-Präsidiumssitzung in Berlin. "Wir wollen das Thema nicht für parteitaktische Spielchen nutzen."

Angesichts des Ausmaßes der Krise in Europa mache es Sinn, "jeden Schritt, der in richtige Richtung geht, mit einer deutlichen Mehrheit im Bundestag zu versehen". Dies sei auch ein Signal der SPD an die anderen Europäer, "dass bei einem Regierungswechsel, der ja sehr wahrscheinlich ist 2013, nicht eine komplett andere Politik gemacht wird", fügte Gabriel mit Blick auf die Bundestagswahl in zwei Jahren hinzu.

Gabriel warf Merkel (CDU) vor, die Bundesregierung übernehme auf europäischer Ebene nicht die Führung in der Krise. Stattdessen verwalte die schwarz-gelbe Koalition nur noch das "eigene Chaos". Die Bundesregierung zerstöre den Glauben an eine gemeinsame europäische Zukunft, in der Bevölkerung wachse die Skepsis gegenüber dem Gesamtprojekt Europa, mahnte Gabriel. "Was Europa zur Zeit am meisten fehlt, ist Hoffnung", sagte er auch mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte zuvor bereits die Unterstützung der SPD zugesichert, allerdings auch Neuwahlen als Konsequenz nicht ausgeschlossen, wenn Merkel keine Mehrheit in ihrer eigenen Koalition zusammenbekommen sollte.

Der Bundestag muss bis Ende September über die Änderungen am Euro-Rettungsschirm EFSF entscheiden, die auf dem Euro-Krisengipfel im Juli in Brüssel beschlossen worden waren.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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