Konservativ oder doch modern? Union streitet um Richtung
07.08.2010, 17:19 UhrWas tun, was tun: In der Union ist guter Rat teuer. Die Umfragewerte sind katastrophal. Erstmals seit acht Jahren liegt Rot-Grün klar vor Schwarz-Gelb. Die Suche nach dem Weg aus dem Tief gestaltet sich holprig.
Angesichts schlechter Umfragewerte verschärft sich in der Union die Richtungsdebatte. Die stellvertretende Parteivorsitzende Annette Schavan sprach sich gegen ein stärkeres konservatives Profil der Partei aus. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller warnte davor, dass die CDU ihren Charakter als Volkspartei verlieren könnte. In den vergangenen Tagen hatten mehrere Unions-Politiker einen deutlich konservativeren Kurs gefordert. Auch CSU-Chef Horst Seehofer warnte davor, frustrierte Anhänger ins Lager der Nichtwähler zu treiben.

Wenn wir den Anspruch der Volkspartei aufrechterhalten wollen, brauchen wir Wahlergebnisse von 40 Prozent plus X: Peter Müller.
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Sowohl Müller als auch Schavan, die beide Mitglieder des CDU-Präsidiums sind, halten die Forderungen der Konservativen für falsch. "Wir sind konservativ. Aber wir sind mehr", sagte Bundesforschungsministerin Schavan der "Welt am Sonntag". "Christdemokratie heißt, die Zeichen der Zeit erkennen und dort neue Wege gehen, wo dies mit Blick auf die eigenen Wertgrundlagen angesichts der Veränderungen der Gesellschaft notwendig ist." Als Beispiel nannte sie die Integrations- und Zuwanderungspolitik. In beiden Fällen wies sie Kritik der Schwesterpartei CSU zurück. Nachdem CSU-Chef Horst Seehofer eine gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte zurückgewiesen hatte, sagte Schavan: "Wieso streiten wir über einen Satz, den wir miteinander vereinbart haben?"
Müller sagte, die CDU müsse sich stärker sozial ausrichten. Die Regierung müsse zeigen, "dass die CDU für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen steht", fordert er im "Tagesspiegel". Deshalb seien Korrekturen am Sparpaket der Regierung nötig, das stärker "sozial ausbalanciert" werden müsse. Anspruch der CDU müssten Wahlergebnisse von "40 Prozent plus x" bleiben.
Harsche Seehofer-Kritik
Dagegen berichtete der "Spiegel", dass CSU-Chef Seehofer gerade in dem Modernisierungskurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel die wesentliche Ursache für die derzeitige Schwäche der Unionsparteien sieht. So soll er im CSU-Parteivorstand vor wenigen Tagen den Merkel-Vertrauten Peter Altmaier harsch kritisiert haben. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion hatte in einem Interview ähnlich wie jetzt Schavan von "überholten Positionen" der Union gesprochen, die korrigiert werden müssten.
"Das Interview Altmaiers bleibt bei unseren Wählern nicht ohne Wirkung", soll Seehofer nach Angaben von Teilnehmern gesagt habe. Wertekonservative würden ins Lager der Nicht-Wähler abgedrängt. "Die Bürgerlichen gehen nicht auf die Straße, sie rollen nicht die Fahnen aus, sondern sie wählen den Weg der inneren Kündigung."
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich warnte dagegen vor Dramatisierungen: "Wenn man die starke Verwurzelung der Union in der Bevölkerung betrachtet, sehe ich überhaupt keine Gefahr, dass die Union dabei ist, ihren Status als Volkspartei zu verlieren", sagte Friedrich zu Reuters. Gerade die CSU habe ein "unglaubliches Potenzial".
Sondersitzung des CDU-Präsidiums
Als ein grundlegendes Problem der Partei sehen sowohl Ministerpräsident Müller als auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, dass angesichts der stark von Krisenbewältigung geprägten Politik der vergangenen Monate zu wenig vermittelt werde, welchen Leitlinien die Regierung folge. "Es wird nicht hinreichend klar, von welchen Prinzipien wir uns leiten lassen", sagte Müller.
Gröhe kündigte an, dass sich das CDU-Präsidium am 12. und 13. September zu einer Klausur treffen wolle. Damit sollen die Regionalkonferenzen begleitet werden, die die Partei zur Vorbereitung des Bundesparteitages im November plant. "Die Basis muss wissen: Die Parteiführung kennt die schwierige Stimmung vor Ort, wir machen uns im Hinblick auf die Lage nichts vor", sagte Gröhe dem Nachrichtenmagazin "Focus".
Quelle: ntv.de, rts