Steuerschätzer erwarten nur moderate Mehreinnahmen Union und SPD müssen um F-Liste ringen
07.11.2013, 18:17 Uhr
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Von 620 Milliarden auf mehr als 730 Milliarden Euro steigen die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren. Ein Wachstum, das laut Finanzminister Schäuble keine "großen Sprünge" zulässt. Das könnte der SPD in den Koalitionsverhandlungen helfen.
Die Steuereinnahmen steigen in Deutschland schneller als erwartet. Das Plus ist aber derart gering, dass es einer neuen Bundesregierung kaum neue Spielräume liefert. Das hat Finanzminister Wolfgang Schäuble deutlich gemacht, als er die Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzung vorstellte. "Wir können uns keine großen Sprünge leisten", sagte der CDU-Politiker.
2013 nimmt der Staat laut den Steuerschätzern 620,5 Milliarden Euro ein. Bis zum Jahr 2018 soll dieser Wert auf 731,5 Milliarden Euro steigen. Das sind rund 14 Milliarden Euro mehr als es die Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres vorhersagte.
"Das klingt wahnsinnig aufregend, ist es aber nicht", sagte Schäuble. Der Anstieg der Steuereinnahmen in den nächsten vier Jahren sei lediglich das Ergebnis eines moderaten Wirtschaftswachstums. Zudem komme das Plus vor allem Ländern und Kommunen zugute. Mit einer neuen Dynamik in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD rechnet der Finanzminister nicht. Kein Wunder: Die "begrenzten" Spielräume der Möchtegern-Koalitionäre scheinen schon jetzt mehr als ausgereizt. Für die SPD hat das allerdings auch etwas Gutes.
Schäuble verabschiedet sich von Schuldentilgung
Union und Sozialdemokraten verhandeln seit gut zwei Wochen über die Bedingungen für eine gemeinsame Regierung. Die Arbeitsgruppen einigen sich dabei auf einen Kompromiss nach dem anderen. Die Finanzierung haben sie allerdings noch nicht geklärt. Die Parteispitzen führen darum schon eine sogenannte "F-Liste" (Finanzliste), auf der Maßnahmen landen, die den Bund etwas kosten. Wenn sich die Verhandlungen dem Ende neigen, müsste es hier eigentlich heißen: einstampfen. In Wahlkampfzeiten warb die Union schließlich noch mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2015 und eines langsamen Schuldenabbaus danach.
Ganz so vehement wie in der Zeit vor dem 22. September ertönt dieses Ziel aber schon jetzt nicht mehr. Der Finanzminister beharrt zwar noch auf den ausgeglichenen Haushalt 2015. Er besteht auch noch darauf, innerhalb von zehn Jahren wieder den EU-Stabilitätspakt einzuhalten und Deutschlands Verschuldung von derzeit 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 60 Prozent zu senken. Er sagte aber: Nach 2015 seien Überschüsse womöglich auch in "Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in familienpolitische Leistungen" gut angelegt.
Grüne warnen vor Ausgabenträumen
Die Grünen warnen angesichts dieser Worte bereits: "Die Vielzahl an Versprechungen hebt die Stimmung zwischen den Verhandlungspartnern - aber keine der Milliarden, die in den Arbeitsgruppen von Union und SPD auftaucht, ist durch die Steuerschätzung gedeckt", sagte Britta Haßelmann. "Es ist höchste Zeit, über Subventionsabbau, Ausgabenkürzungen und Einnahmeverbesserung zu reden." Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin fügte hinzu: "Auch eine Große Koalition muss Ausgabenträume den Einnahmeerwartungen anpassen."
Selbst SPD-Fraktionsvize Joachim Poß nannte es im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP angesichts der neuen Schätzung "schwer vorstellbar", dass die derzeit von Union und SPD diskutierten Ausgaben zu finanzieren seien. Eine Aussage allerdings, die einen taktischen Charakter hat. Die Sozialdemokraten haben im Wahlkampf für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent und weitere Steuererhöhungen geworben. Sie wollen damit in Infrastruktur und Bildung investieren. Auf höhere Steuern wollen sie in den Koalitionsverhandlungen nur verzichten, wenn die Union Wege aufzeigt, diese Investitionen trotzdem zu finanzieren.
In gewisser Weise kommt den Sozialdemokraten die Steuerschätzung also gar nicht ungelegen. Sie dürfen zumindest darauf hoffen, dass ihnen die Prognose einer begrenzten Einnahmenentwicklung dabei hilft, eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen doch noch durchzusetzen. Schäuble wiegelte zwar gleich ab. "Es wird mit der Union neue Schulden und höhere Steuern, wie wir das vor der Wahl gesagt haben, nicht geben", sagte er. CDU/CSU und SPD haben sich allerdings auch schon darauf geeinigt, die Rentenbeiträge trotz happiger Überschüsse in der Rentenkasse nicht zu senken.
Quelle: ntv.de