Politik

Korruption bei Ärzten und Kliniken Verbände fordern Clearingstellen

Vertreter von Ärzten und Krankenhäusern sagen der Korruption bei niedergelassenen Medizinern und Kliniken den Kampf an. Sie wehren sich aber gegen pauschale Vorwürfe und geben der Politik eine Mitschuld an der Entwicklung. Der auf Bestechung spezialisierte Staatsanwalt Badle hält Prämienzahlungen an Mediziner dagegen für weit verbreitet.

Nach massiven Bestechungsvorwürfen wollen Kliniken und Ärzte illegalen Prämienzahlungen einen Riegel vorschieben. Für mehr Transparenz sollen sogenannte Clearingstellen in den Ländern sorgen. Sie sollen als unabhängige Beschwerdeinstanz eingerichtet werden und die Vorgänge prüfen. Darauf einigten sich bei einem Krisentreffen die Spitzenorganisationen von Ärzten und Kliniken in Berlin.

"Wir sind uns einig, dass für Bestechung und Korruption kein Platz sein darf im Gesundheitswesen", sagte der Vizepräsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, nach der Sitzung. Daran nahmen auch die Spitzen der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) teil.

"Wir reden über Einzelfälle"

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(Foto: dpa)

Den eigenen Landesorganisationen werde man die Einrichtung der neuen Prüfstellen empfehlen, erläuterte Montgomery. Sie sollen die Zulässigkeit der einzelnen Verbindungen zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken kontrollieren. Praxisärzte hatten von Krankenhäusern Prämien für Einweisungen erhalten, wie Ärztevertreter eingeräumt hatten.

Montgomery bezeichnete die Vorwürfe als weit überzogen. Er gab den Medien die Schuld. "Wir reden über Einzelfälle." Genaue Zahlen gebe es nicht. Die Verdächtigungen würden "langsam unerträglich". In jedem Fall seien Vergütungen für die Zuweisung von Patienten aber nicht akzeptabel. "Solche Verstöße sind mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu ahnden." Eine Chance werde dafür mit den Clearingstellen geschaffen. Nach früheren Angaben des Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Rudolf Kösters, fließt für rund fünf Prozent aller Krankenhauseinweisungen Geld.

"Grauzonen" unzureichend geregelt

Die engere Zusammenarbeit zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten nannte Montgomery politisch vorgegeben. Sie werde von beiden Seiten "im Kern" auch gewollt. Dazu gehörten insbesondere Integrationsverträge und die Möglichkeit für niedergelassene Ärzte, bis zu 13 Stunden pro Woche in Krankenhäusern zu arbeiten. Die dabei erbrachten medizinischen Leistungen dürften nur entsprechend den gesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten vergütet werden. Die Zusammenarbeit leider aber unter unzureichend geregelten "Grauzonen". Im Übrigen trage die Politik die Verantwortung für Auswüchse, da sie die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben und die Orientierung auf den Wettbewerb übertrieben habe.

DKG-Chef Rudolf Kösters kündigte rechtliche Konsequenzen an, sollten sich Vorwürfe über "Fangprämien" oder "Kopfpauschalen" bei der Überprüfung als zutreffend erweisen. Es sei zwar davon auszugehen, dass es "mehr als Einzelfälle sind". Insgesamt handele es sich aber "um eine verschwindende Minderheit der Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen".

Ermittlungen an der Tagesordnung

Eine Ärztin untersucht die Aufnahme einer Mammographie. (Archivbild)

Eine Ärztin untersucht die Aufnahme einer Mammographie. (Archivbild)

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der auf Bestechung im Gesundheitswesen spezialisierte Staatsanwalt Alexander Badle hält unterdessen Prämienzahlungen an Mediziner für relativ weit verbreitet. Ermittlungen in solchen Fällen seien an der Tagesordnung, sagte Badle der "Wirtschaftswoche". Er sei entsetzt, "dass bei vielen Ärzten jegliches Unrechtsbewusstsein fehlt".

Vor allem bei Radiologen sei der Druck hoch, viele Patienten zu röntgen, sagte Badle, der bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt in der "Ermittlungsgruppe Betrug und Korruption im Gesundheitswesen" arbeitet. So zahlten einzelne Radiologen dem überweisenden Arzt einen Betrag, oft mehrere hundert Euro, für die Überweisung.

"Ergebnis der Ökonomisierung"

In den "Kopfprämien" an einweisende Ärzte sieht der Linken-Gesundheitsexperte Frank Spieth "das Ergebnis der Ökonomisierung des Gesundheitssystems". Die Innungskrankenkassen kündigten konsequentes Vorgehen und Strafantrag bei illegalen Zahlungen von Krankenhäusern an Ärzte an. Der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte warnte Politiker und Kassen davor, "sich weiter an der Verleumdungskampagne gegen die niedergelassenen Ärzte zu beteiligen".

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich für schärfere Kontrollen der Abrechnungen und für ein Benotungssystem für Kliniken aus. Krankenhäuser und Ärzte sollten gesetzlich verpflichtet werden, Verdachtsfälle oder einschlägige Angebote bei den Aufsichtsbehörden zu melden, sagte Lauterbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Auch müssten die Krankenkassen Abrechnungen zielgerichtet auf Korruptionsverdacht hin prüfen. Als das "vielleicht wichtigste Steuerungselement" bezeichnete Lauterbach einen Bewertungskatalog für Kliniken, auf den die Versicherten zurückgreifen können.

Für eine "Rückbesinnung auf den Patienten" forderte Hamburgs Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) Änderungen im Gesundheitssystem. "Es wurden finanzielle Anreize geschaffen, die zu Verträgen der Krankenhäuser mit den Kassen über den Kopf des Patienten hinweg führten", kritisierte Wersich. Um illegale Zahlungen umfassend ahnden zu können, forderte der Chef der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, eine Änderung im Strafrecht.

Quelle: ntv.de, dpa

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