Politik

Ein Terrorverdächtiger ist tot, der andere auf der Flucht "Verbrecherjagd" bringt Boston zum Erliegen

Polizisten durchsuchen einen Apartment-Komplex in Watertown.

Polizisten durchsuchen einen Apartment-Komplex in Watertown.

(Foto: dpa)

Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften sucht in und um Boston nach einem Terrorverdächtigen. Die Polizei hat eine Ausgangssperre über die ganze Stadt verhängt, der Nahverkehr kommt zum Erliegen. Bei dem Flüchtigen handelt es sich um einen 19-jährigen Mann tschetschenischer Herkunft. Sein älterer Bruder wurde nach einer Verfolgungsjagd getötet. Beide sollen für den Anschlag auf den Boston-Marathon mit drei Toten und vielen Verletzten verantwortlich sein.

Bei der Suche nach dem Terrorverdächtigen von Boston hat die Polizei die Ausgangssperre auf die gesamte Großstadt ausgeweitet. Es finde eine Verbrecherjagd auf den zweiten Verdächtigen des Doppelanschlags vom Montag statt, sagte der Gouverneur von Massachussetts, Deval Patrick. Der Mann sei "extrem, extrem gefährlich".

Die Polizei gab es Plakat mit dem Portrait des flüchtigen Verdächtigen heraus.

Die Polizei gab es Plakat mit dem Portrait des flüchtigen Verdächtigen heraus.

(Foto: AP)

Auf der Suche nach dem Verdächtigen durchsuchte die Polizei jedes einzelne Haus in Watertown, einem Vorort von Boston. Die Ermittler teilten per Twitter mit, dass uniformierte Beamte von Tür zu Tür gehen würden. Dabei war auch das Militär im Einsatz. Der Fernsehsender CNN zeigte patrouillierende Gefechtsfahrzeuge, vermutlich von der Nationalgarde.

"Wir haben die Menschen aufgefordert, zuhause zu bleiben, die Türen geschlossen zu halten und niemandem zu öffnen, der sich nicht als Polizeibeamter ausweisen kann", sagte Patrick. Dies gelte für Watertown, aber auch für Cambridge, Waltham, Newtown und Belmont. "Bitte bleiben Sie geduldig und arbeiten Sie mit uns zusammen", sagte ein Polizist. "Wir machen gerade entscheidende Fortschritte, aber das könnte noch Stunden anhalten."

Der zweite Verdächtige befand sich auf der Flucht, während der erste Verdächtige bei einem Schusswechsel am Morgen schwer verletzt wurde und später starb. Bei den beiden Männern handelt es sich nach Informationen des Sender NBC um zwei Brüder tschetschenischer Herkunft, den 26-jährigen Tamerlan Zarnajew sowie den 19-jährigen Dschochar Zarnajew. Getötet worden sei der ältere Bruder.

Brüder mit "militärischer Erfahrung"

Die beiden Männer sollen in den USA gelebt haben. Wann genau sie einwanderten, blieb unklar. Ein Motiv für den blutigen Anschlag beim Boston-Marathon, bei dem am Montag drei Menschen getötet und 180 verletzt wurden, nannten die Medien nicht. In Sicherheitskreisen tendiere man zu der Annahme, dass das Attentat auf den Boston-Marathon einen islamistischen Hintergrund habe, sagte ein Vertreter der Nationalen Sicherheitsbehörde in Washington. Die Brüder hätten "militärische Erfahrung", meldete der Sender NBC. Laut Reuters hatte der flüchtige Verdächtige im Internet Links zu islamistischen Websites und zu Seiten mit Aufrufen für die Unabhängigkeit der russischen Kaukasus-Republik Tschetschenien gesetzt.

Tschetschenien wies eine Verbindung zu den Terrorverdächtigen zurück. "Die Personen, die in Boston des Verbrechens beschuldigt werden, haben zu Tschetschenien keinerlei Beziehungen", sagte Alwi Karimow, der Sprecher von Republikchef Ramsan Kadyrow, der Agentur Interfax. Die Brüder hätten im Kindesalter die Konfliktregion verlassen. Die Familie soll danach in Kasachstan gelebt haben, von wo sie in die USA ausgewandert sei.

Nach Angaben von Bostons Polizeichef Ed Davis hatten die beiden Männer in der Nacht versucht, in Cambridge bei Boston ein Geschäft auszurauben. Anschließend seien sie zum dortigen Massachusetts Institute of Technology (MIT) gefahren. Dort wurde ein Polizist durch Schüsse verletzt, er starb später im Krankenhaus. Er war wegen Ruhestörung zu der US-Eliteuniversität gerufen worden.

Der Nahverkehr in und um Boston kommt durch die Fahndung zum Erliegen.

Der Nahverkehr in und um Boston kommt durch die Fahndung zum Erliegen.

(Foto: AP)

Das Duo überfiel danach laut Davis den Fahrer eines Wagens und flüchtete mit ihm als Geisel. Später ließen sie den Fahrer im nahe Cambridge gelegenen Watertown frei. Bei der Verfolgungsjagd sollen die Männer Sprengsätze aus dem Auto geworfen haben. In Watertown kam es dann zu der Schießerei mit der Polizei, bei der einer der Verdächtigen verletzt wurde.

Nach Informationen von CNN erlag der Verdächtige im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die genauen Umstände des Todes waren unklar. Ärzten zufolge wurde er von extrem vielen Kugeln getroffen. Die Zahl der Einschüsse sei "nicht zu zählen gewesen", sagte ein Krankenhausarzt. Er soll aber auch Verletzungen gehabt haben, die möglicherweise von einer Explosion stammten. Nach Polizeiangaben hatte der Mann eine Bombe am Körper. Auch der flüchtige Bruder könnte einen Sprengsatz tragen, befürchtet die Polizei.

Zuvor hatte der Sender CNN ein Video von einer Festnahme gezeigt, auf dem zu sehen ist, wie ein Mann nackt zu einem Polizeifahrzeug geführt wird. Bei diesem Mann handelte es sich jedoch nicht um den Verdächtigen. Laut CNN wurde er später wieder freigelassen.

Nahverkehr unterbrochen, Luftraum gesperrt

Die Jagd auf die Terrorverdächtigen brachte das öffentliche Leben in weiten Teilen der Ostküstenmetropole zum Erliegen. Der Nahverkehr wurde mitten im beginnenden Berufsverkehr komplett unterbrochen. Der Luftraum über Boston wurde komplett gesperrt, keine Flüge würden ankommen und abgehen, hieß es. Im Vorort Watertown durften auch keine Privatautos fahren oder Geschäfte öffnen. Anwohner wurden aufgerufen, in ihren Häusern zu bleiben. Die Harvard-Universität im Vorort Cambridge blieb ebenfalls geschlossen.

Die beiden Verdächtigen waren auch auf einem Foto vom Marathon zu sehen.

Die beiden Verdächtigen waren auch auf einem Foto vom Marathon zu sehen.

(Foto: FBI)

Nach Polizeiangaben wurde ein Auto gefunden, mit dem der Verdächtige auf der Flucht gewesen sein soll. Beamte fanden den grauen Honda verlassen vor. Der Wagen wurde sofort von Experten untersucht. Die Polizei kündigte zudem eine "kontrollierte Sprengung" mitten in der Innenstadt an. Die Bewohner am Park Boston Common und in Charlesgate sollten auf die Detonation gefasst sein, meldete die Polizei. Das Gebiet liegt mitten im historischen Zentrum der Metropole und ist auch einer der Hauptanziehungspunkte für Touristen.

Am Donnerstagabend hatte die Polizei erstmals Fotos der Verdächtigen veröffentlicht, die kurz vor dem Terroranschlag am Montag am Tatort aufgenommen worden waren. Sie zeigen zwei junge Männer mit Rücksäcken, in denen sie vermutlich den Sprengstoff transportierten.

Gedenken beim London Marathon

Eine der verwendeten Bomben bestand aus einem Schnellkochtopf, der mit einem Zünder versehen war und neben Schwarzpulver auch Nägel und Metallteile enthielt. Teile des Topfdeckels wurden CNN zufolge auf einem Hausdach in der Nähe der Ziellinie gefunden. Ob auch die zweite Bombe aus einem Schnellkochtopf gebaut war, war noch unklar.

Von den Verletzten des Anschlags befand sich niemand mehr im kritischen Zustand. Aus den Krankenhäusern der Stadt verlautete, von den Schwerverletzten würden wohl alle überleben. Die Genesung könne aber Jahre dauern.

US-Präsident Barack Obama hatte am Donnerstag bei einem Trauergottesdienst in der Kathedrale von Boston die Amerikaner aufgerufen, dem Terror zu trotzen. "Die Bombe kann uns nicht besiegen. Wir machen weiter", sagte er. Zugleich machte Obama klar, dass der Staat mit aller Härte reagieren und die Verantwortlichen vor den Richter bringen werde. "Wir werden Euch finden. Wir werden Euch zur Rechenschaft ziehen."

Im Gedenken an die Opfer von Boston sollen die Teilnehmer des London-Marathons an diesem Sonntag schwarze Armbinden tragen. Außerdem werde man vor Beginn des Laufs eine Schweigeminute einlegen, sagte die britische Ministerin für Kultur, Medien und Sport Maria Miller. Auch in Hamburg findet an diesem Sonntag ein Marathon statt.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/rts/dpa

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