Linke bleibt unter Beobachtung Verfassungsschutz macht weiter
23.01.2012, 13:13 Uhr
In Deutschland machen solche Ideen eine Partei verdächtig.
(Foto: picture alliance / dpa)
Dutzende Abgeordnete der Linken werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch wenn diese Praxis von mehreren Fraktionen nicht gutgeheißen wird, dürfte sich daran so schnell nichts ändern. Den Auftrag zur Beobachtung erteilt die Bundesregierung. Sie befürchtet, die Linke wolle die bisherige Staats- und Gesellschaftsform verändern.
Trotz heftiger Proteste aus mehreren Bundestagsfraktionen darf der Verfassungsschutz weiterhin Abgeordnete der Linken beobachten. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, die Behörde handele gemäß ihres gesetzlichen Auftrags. "Nur weil es öffentlichen Protest gibt, kann das nichts an der Notwendigkeit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ändern."
Die Linkspartei forderte alle Parteien im Bundestag auf, dem Verfassungsschutz die Bespitzelung von Abgeordneten zu untersagen. "Das ist einfach ein Unding", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Dagmar Enkelmann, zu Berichten, der Bundesverfassungsschutz beobachte Abgeordnete der Linkspartei in einem weit größeren Umfang als bislang vermutet. CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne müssten das Ausforschen von Bundestagsmitgliedern beenden.
Nach ihr vorliegenden Hinweisen werte der Bundesverfassungsschutz nicht nur offen zugängliche Quellen über die Abgeordneten der Linkspartei aus, sondern bespitzele sie auch. "Das ist eine ernste Beeinträchtigung meiner Aufgabe als direkt gewählte Abgeordnete", sagte Enkelmann. Sie müsse etwa damit rechnen, dass Menschen aus ihrem Wahlkreis sich nicht mehr an sie wendeten, weil sie etwa fürchteten, Telefongespräche könnten mitgeschnitten werden.
Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) kritisierte das Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die Linke. "Es kann nicht sein, dass Abgeordnete flächendeckend überwacht werden", sagte Niebel. In einer Demokratie sei dies nicht in Ordnung, fügte er hinzu.
Kräfte, die den Staat ändern wollen
Die Bundesregierung beharrt indes auf die Praxis. Die Überwachung der Linkspartei sei rechtmäßig, "weil sich in ihr Kräfte sammeln, die eine Veränderung der bisherigen Staats- und Gesellschaftsform wollen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin. Er erklärte, schon im Oktober 2009 habe die Bundesregierung bestätigt, dass 27 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei vom Verfassungsschutz überwacht würden. Ein entsprechender "Spiegel"-Bericht vom Wochenende sei also nicht neu.
Auch Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es sei gut, dass der Verfassungsschutz seiner gesetzlichen Aufgabe nachkomme. Der Sprecher des Innenministeriums wies darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht 2010 die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen bestätigt habe. Auch das erst im vergangenen Jahr verabschiedete Parteiprogramm der aus PDS und WASG hervorgegangenen Linkspartei rechtfertige die Überwachung. Er wies außerdem auf Splittergruppen wie die Kommunistische Plattform innerhalb der Partei hin, die radikal antikapitalistische Ziele verficht.
Ähnlicher Aufwand wie bei der NPD
Auf den Vorhalt, der Bundesverfassungsschutz betreibe einen vergleichbaren Aufwand bei der Beobachtung der rechsextremen NPD wie bei der in Bundestag und vielen Landtagen vertretenen Linkspartei, sagte der Sprecher des Innenministeriums, dazu könne er nichts sagen. Auch die Auswahl der beobachteten Abgeordneten sei Sache des Amtes. Bei der Überwachung der Abgeordneten würden nur öffentlich zugängliche Informationen wie Reden oder Aufsätze verwendet. Nachrichtendienstliche Mittel wie Telefonüberwachung würden nicht angewendet.
Laut "Spiegel" beobachtet der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linken, darunter Fraktionschef Gregor Gysi und Parteichefin Gesine Lötzsch. Hinzu kommen demnach 11 Mitglieder von Linksfraktionen verschiedener Landtage. Im Visier des Geheimdienstes sollen nicht nur Mitglieder des radikalen Flügels sein, sondern auch viele Realos und fast die gesamte Führungselite - auch Vize-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorstand Dietmar Bartsch und Fraktionsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann.
Quelle: ntv.de, dpa/rts