Politik

Streit um Zuwanderung Viele Ausländer bekommen schon Hartz IV

Klagen arbeitslose Zuwanderer an Sozialgerichten auf Hartz IV, kommt in der Regel zu Eilverfahren. Denn meist geht es zunächst darum, die Grundversorgung der Menschen sicherzustellen.

Klagen arbeitslose Zuwanderer an Sozialgerichten auf Hartz IV, kommt in der Regel zu Eilverfahren. Denn meist geht es zunächst darum, die Grundversorgung der Menschen sicherzustellen.

(Foto: Reuters)

Die CSU gibt sich empört: Brüssel will Deutschland vorschreiben, arbeitslosen Ausländern Hartz-IV-Leistungen zu gewähren. Tatsächlich ist dies oft aber schon der Fall.

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Sollen Zuwanderer sofort Geld vom Staat bekommen?

Arbeitslose Ausländer sollen in Deutschland Hartz IV bekommen. Selbst, wenn sie nicht nach einer Stelle suchen. Das fordert die EU-Kommission in einer Stellungnahme, und die Empörung ließ nicht lange auf sich warten. "Die Kommission darf vor lauter Sol idarität den europäischen Gedanken nicht überstrapazieren", sagte der Vorsitzende der CSU-Gruppe im EU-Parlament, Markus Ferber. "Die nationalen Sozialsysteme sind und bleiben in der Zuständigkeit der Nationalstaaten." Tatsächlich bekommen etliche Zuwanderer ohne Arbeitsplatz in Deutschland aber längst Hartz-IV-Leistungen.

Die allgemeine und die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit dem 1. Januar auch für Bulgaren und Rumänen gilt, ermöglichen es Bürgern aus EU-Staaten zunächst für bis zu drei Monate nach Deutschland einzureisen. Finden sie keine Arbeit oder wollen sie keine finden, müssen sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um sich selbst zu versorgen. Nach deutschem Recht haben Zuwanderer, die noch nie in Deutschland gearbeitet haben, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Das ist so ausdrücklich im Sozialgesetzbuch geregelt. In der Praxis sieht es aber anders aus.

Humanitäre und europäische Gründe

Die CSU bleibt dabei: "Wer betrügt, der fliegt."

Die CSU bleibt dabei: "Wer betrügt, der fliegt."

(Foto: picture alliance / dpa)

In den vergangenen Jahren klagten etliche Zuwanderer an Sozialgerichten, nachdem ihnen Jobcenter getreu dem deutschen Recht Leistungen verwehrten. Die Gerichte fällten mehr als 200 Urteile – und die meisten sprachen den Zuwanderern am Ende die Sozialleistungen zu. Auch in einigen Fällen, in denen Ausländer nicht aktiv nach einer Stelle gesucht hatten.

Für die Rechtssprechung der Sozialgerichte gibt es zwei ausschlaggebende Gründe: Bei den Verfahren handelte es sich in der Regel um Eilverfahren. Die Kläger waren oft mittellos. Ihnen Sozialleistungen zu verwehren, hätte bedeutet, sie einem ungewissen Schicksal zu überlassen. Es galt zunächst schlicht aus humanitären Gründen, ihre Grundversorgung sicherzustellen. Vor allem beugten sich die Sozialgerichte aber der europäischer Rechtsprechung.

Während Deutschland mit seinen Regelungen im Sozialgesetzbuch sogenannten "Sozialtourismus" verhindern will, sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner ständigen Rechtsprechung darin eine Form der Diskriminierung. Deutsche, die keine Arbeit finden oder keine Arbeit suchen, bekommen schließlich auch Hartz-IV-Leistungen. Eine derartige generelle Ungleichbehandlung aber ist in der EU im Rahmen des Diskriminierungsverbots unzulässig. Und im Zweifel gilt: Europäisches Recht steht über dem deutschen.

Grundsatzurteil steht noch aus

Die EU-Kommission drängt nun darauf, dass sich das deutsche Recht auch in der Theorie der Praxis beugt. Sie pocht in ihrer Stellungnahme darauf, die einschlägigen Passagen im Sozialgesetzbuch für rechtswidrig zu erklären. Eine abschließende Entscheidung des EuGH steht noch aus. Allerdings lassen seine bisherigen Urteile und die neue Stellungnahme Brüssel erwarten, dass gegen das deutsche Sozialgesetzbuch II entschieden wird.

Spätestens dann müssen arbeitslose und arbeitssuchende Zuwanderer nicht mehr vor Gericht ziehen, sondern bekommen nach einer Einzelfallprüfung auch so Hartz-IV-Leistungen. Das bereitet vor allem der CSU große Sorge, denn sie fürchtet, dass dann vor allem aus Bulgarien und Rumänen neue Zuwanderungsströme entstehen, die mit hohen Kosten für die Bundesrepublik einhergehen. Der CSU-Politiker Ferber sagte: "Der Zugang zum Sozialsystem muss eher erschwert werden, anstatt die Schleusen noch weiter zu öffnen." Begründete Sorge für eine Welle des "Sozialtourismus" aus Bulgarien und Rumänien gibt es Experten zufolge allerdings selbst dann nicht.

Kein Grund zur Sorge

Die Bundesagentur für Arbeit hat in einer Studie untersucht, wie sich die Zuwanderer aus Südosteuropa in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren. Ihre Arbeitslosenquote lag 2012 bei 9,6 Prozent und damit nur leicht über der der Deutschen. Die Arbeitslosenquote unter anderen Zuwanderungsgruppen zumindest ist deutlich höher. Im Schnitt liegt sie bei 16,4 Prozent. Die Bundesagentur kommt daher zu dem Schluss, dass es sich bei Rumänen und Bulgaren um Arbeitsmigration, nicht Armutsmigration handelt. Doch nicht nur das. Trotz der gezahlten Sozialleistungen profitiere Deutschland von der Zuwanderung.

Laut Arbeitsagentur leisten die arbeitenden Einwanderer "erhebliche Nettobeiträge" zur Rentenkasse. In dem Bericht heißt es: "Unter Berücksichtigung aller Einzahlungen und Auszahlungen ergibt sich insgesamt ein positiver Nettobeitrag der in Deutschland lebenden Migranten." Auch die durch Armutseinwanderung belasteten Kommunen warnen deshalb angesichts der hitzigen Diskussion mittlerweile davor, vereinzelte Probleme in Gemeinden als Massenphänomen zu dramatisieren. Der Präsident des deutschen Städtetags, Ulrich Maly, sagte: In der aktuellen Debatte werde "der fatale Eindruck erweckt, dass alle Bulgaren und Rumänen, die jetzt zu uns kommen, Armutszuwanderer sind und viele von ihnen auch Sozialbetrüger."

Quelle: ntv.de

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