Keine Bescherung beim EU-Russland-Gipfel Visapflicht bleibt Knackpunkt
06.12.2010, 14:21 UhrNach dem russischen Militäreinsatz in Georgien herrschte Eiszeit. Jetzt will die EU mit dem großen Nachbarn Russland wieder besser zusammenarbeiten. Aber schnell geht nichts zwischen Moskau und Brüssel.

EU-Ratspräsident van Rompuy, der russische Präsident Medwedew und EU-Kommissionspräsident Barroso (v.l.) treffen erneut aufeinander.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach einer vorweihnachtlichen Bescherung sieht es bei diesem Gipfeltreffen nicht aus. Wenn sich Russlands Präsident Dmitri Medwedew mit den EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 7. Dezember in Brüssel trifft, bleiben die größten Wünsche unerfüllt. Nicht nur, weil das Gabenfest in Russland erst am 7. Januar stattfindet. Immerhin ist die Stimmung zwischen Moskau und Brüssel besser als vor zwei Jahren - nach Russlands Militäraktion in Georgien.
Ganz weit oben auf dem Wunschzettel der Russen steht die Möglichkeit, ohne Visa in die EU einreisen zu dürfen. Zumindest einen Zeitplan für den Visaverzicht hätte Medwedew gerne. Aber mehr als die Vereinbarung von "Gesprächen über Gespräche" ist auch bei diesem Gipfel nicht drin, sagen EU-Diplomaten in Brüssel.
"Brüssel muss hier den notwendigen politischen Impuls geben", fordert der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow. Seit siebeneinhalb Jahren gebe es keinen Fahrplan für mehr Reisefreiheit. Besonders ärgerlich findet es Moskau, dass die EU nicht nur für einige Westbalkanstaaten den Visaverzicht schon beschlossen hat oder zumindest vorbereitet, sondern im November auch mit der Ukraine einen "Aktionsplan" vereinbarte. Schon bald soll auch für Ukrainer der Reisepass zur Fahrt gen Westen genügen.
Berlin unter Zugzwang
Wie ernst es die Russen meinen, zeigen verschärfte Visumvorschriften für Deutsche. Sie müssen seit 1. November eine Verdienstbescheinigung beim Visumantrag vorlegen. Umgekehrt gilt das schon seit Jahren für Russen. Moskau erhöht nun aber mit dieser "Gleichbehandlung" den Druck auf Berlin. Auch deutsche Unternehmer, die russische Geschäftsreisende einladen, schimpfen seit langem über die Visapraxis der Konsulate. "Vielleicht verstehen sie nun besser, wie Russen sich fühlen, wenn sie mit diesen Papieren kämpfen, um ein deutsches Schengen-Visum zu erhalten", sagte Tschischow.
Aus Sicht vieler EU-Staaten gibt es dennoch keinen Grund zur Eile. Der Verzicht auf Visa, der für alle 25 Staaten des Schengen-Raumes gälte, sei nur dann möglich, wenn beispielsweise sicher sei, dass man Reisepässe nicht kaufen könne. Zudem müssten die Grenzen zuverlässig kontrolliert werden und auch die Pässe selbst hohen Sicherheitsvorschriften entsprechen. "Visafreiheit kann nicht am Beginn einer Diskussion stehen, sondern nur am Ende der Übernahme europäischer Standards", sagte Österreichs Innenministerin Maria Fekter in Brüssel.
Zudem sind die Erfahrungen mit dem visafreien Reisen aus dem West-Balkan nicht gerade so, dass die EU-Staaten dem Visaverzicht gegenüber einem Staat ganz anderer Größenordnung erwartungsfroh entgegensehen. "Wenn wir auf Visa verzichten und Schweden dann plötzlich 5600 Asylsuchende aus Serbien bekommt, dann stimmt doch was nicht", meint der schwedische Einwanderungsminister Tobias Billström. Zunächst solle man daher erst einmal die Erfahrungen mit dem Visaverzicht für die Balkanländer auswerten.
WTO-Beitritt "auf der Zielgeraden"
Etwas freudiger wird der Gipfel verlaufen, wenn es um den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO geht. Erst Ende November teilten die EU und Russland mit, sie hätten sich grundsätzlich auf die Beilegung des Streits um Eisenbahntarife und Zölle auf Holzexporte geeinigt. Doch eine Reihe von technischen Fragen bleibt offen. Und beim WTO-Beitritt Russlands hakt es noch wegen der Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan ebenso wie wegen der Notwendigkeit, auch Georgiens Zustimmung zu bekommen. Immerhin ist Tschischow mit der EU zufrieden und spricht von einem Durchbruch: "Jetzt sind wir auf der Zielgeraden."
Der Wunsch der EU nach einem kleinen Zeichen der Bewegung in den Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen, die sich seit Juni 2008 mühsam dahinschleppen, wird auch unerfüllt bleiben. Und die "Modernisierungspartnerschaft", mit der die EU Russland helfen will, scheint gleichfalls unter keinem guten Stern zu stehen. "Jeder muss verstehen, dass keine Rede davon sein kann, dass die allwissende und allmächtige EU sich in gottgleicher Gestalt herablässt, um die unvernünftigen Russen zu modernisieren", wetterte Tschischow kurz vor dem Gipfel.
Quelle: ntv.de, Ulf Mauder und Dieter Ebeling, dpa