"Gegen die guten Sitten" verstoßen Vorwürfe gegen Ahmadinedschad
06.06.2009, 10:46 UhrDass Irans Präsident Ahmadinedschad gerne verbal austeilt, ist bekannt. Doch nach seinem Auftritt bei einem Fernseh-Duell wirft man ihm vor, "gegen die guten Sitten" zu verstoßen.
Eine Woche vor der Präsidentenwahl im Iran wird der Ton im Wahlkampf zunehmend rauer: Nach einem Fernsehduell warf die Opposition Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad vor, mit seinen Äußerungen "gegen die guten Sitten" zu verstoßen. Wie die iranische Nachrichtenagentur ILNA berichtete, hatte Ahmadinedschad in dem Duell mit seinem Herausforderer Mir Hussein Mussawi dem früheren Staatspräsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani und dessen Kindern Korruption vorgeworfen.
Den früheren reformorientierten Präsidenten Mohammed Chatami und die Ehefrau Mussawis beschuldigte Ahmadinedschad, sich mit falschen Federn zu schmücken. Sie hätten angeblich beide gar keinen Doktortitel. Mussawis Ehefrau, Sahra Rahnaward, die als engagierte Verfechterin der Frauenrechte besonders bei Wählerinnen beliebt ist, präsentierte daraufhin umgehend ihren Abschluss von der Universität Teheran und erklärte: "Ich frage mich wirklich, ob das Land keine anderen Probleme hat als meinen akademischen Abschluss." Und sie fügte hinzu: "Das ist im Wahlkampf wirklich ein Verhalten wider die guten Sitten, das gefährliche Ausmaße annehmen könnte."
Ahmadinedschads Bilanz "erniedrigend"
Chatami äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorwurf. Rafsandschani forderte über Vertreter, er müsse die Chance bekommen, sich im Fernsehen zu den Vorwürfen zu äußern. Chatami und Rafsandschani treten zwar nicht als Kandidaten an, unterstützen aber beide Mussawi, hinter dem die Oppositionskoalition der moderaten und reformorientierten Parteien steht.
Mussawi nahm bei der TV-Runde am Mittwoch ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Ahmadinedschads Bilanz als Präsident sei erniedrigend für die Iraner, die ihm "wirklich leidtun", sagte er. Eine solch barsche Kritik an einem amtierenden Präsidenten hatte es bisher in der Geschichte der islamischen Republik noch nicht gegeben.
Irans geistliches Oberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, forderte die Kandidaten unterdessen auf, von Vorwürfen und gegenseitigen Beleidigungen Abstand zu nehmen.
Zusammenstöße in Teheran
Unterdessen kam es in Teheran am Freitag zu Zusammenstößen zwischen Anhängern des Präsidenten und dem Lager der Opposition. Laut Augenzeugen hatten sich rund 1000 Oppositionelle zu einer Demonstration auf einem Platz der Hauptstadt versammelt. Plötzlich marschierten auch etwa genauso viele Anhänger Ahmadinedschads auf. Nach anfänglichen verbalen Attacken sei es zu Übergriffen gekommen.
Rund 800 iranische Künstler und Regisseure haben derweil zur Wahl des früheren Ministerpräsidenten Mussawi bei den Präsidentschaftswahlen aufgerufen. Die Liste der Sympathisanten für den Gegenkandidaten von Ahmadinedschad enthalte international bekannte Regisseure wie Bahman Farmanara und Madschid Madschidi, berichtete die iranische Zeitung "Andische No". In einem auf der Internetplattform Youtube ausgestrahlten Video begründen die Künstler ihr Eintreten für Mussawi mit ihrer Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Präsidenten Ahmadinedschad.
Reformzeitung erscheint wieder
Drei Wochen nach ihrem Verbot hat derweil die iranische Regierung das Erscheinen der reformorientierten Zeitung "Jas-e No" wieder erlaubt. Im Leitartikel schrieb der Chef des Blattes, Mohammed Naimipur, ein Vertreter des Kulturministeriums habe ihn angerufen und gesagt, dass das Verbot hinfällig sei. Aus der Samstagsausgabe ging klar hervor, dass die Zeitung bei der iranischen Präsidentschaftswahl am Freitag kommender Woche den reformorientierten Kandidaten Mir Hossein Mussawi unterstützt. Der frühere Regierungschef gilt als aussichtsreichster Herausforderer des ultra-konservativen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad.
Vor ein paar Wochen hatte ein Richter das vor sechs Jahren ausgesprochene Verbot von "Jas-e No" aufgehoben. Da dies jedoch ohne Wissen der Teheraner Staatsanwaltschaft geschah, hatte sie Mitte Mai zunächst erwirkt, dass das Blatt doch nicht erscheinen durfte.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa